Die Stimme der Macht

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Seit der Mission waren nun schon einige Tage vergangen, aber der Schmerz war frisch wie im ersten Moment. Der Tempel war ruhig und friedlich und kam Anakin völlig fremd vor. Eigentlich wollte er schreien, die Stille zerreißen, um sich schlagen, um dieser heuchlerischen Ruhe und dem trügerischen Frieden zu entgehen. Er war immer noch rasend vor Wut auf den Rat, Wut auf Obi-Wan und alle, die ihm sagten, er solle Ahsokas Tod akzeptieren. Aber am wütendsten war er auf sich selbst. Wieso, wieso hatte er ihr nicht helfen können? In Gedanken ging er die Situation immer wieder durch. Was hatte er übersehen? Hätte es einen Weg, eine Bewegung, ein Wort gegeben, mit dem er sie hätte aufhalten können? Abers so sehr er sich das Hirn zermaterte, er wusste nicht, was er hätte tun können. Kurz nach seiner Rückkehr in den Tempel hatte die Trauerfeier stattgefunden. Es war ein kurzes, formales Ereignis gewesen. Es gab keine Leiche, wie bei so vielen Jedi, die auf dem Schlachtfeld gefallen waren. Wenige waren gekommen. Obi-Wan war da gewesen, ebenso Ahsokas beste Freundin Barriss und die Meister Yoda und Plo Koon. Meister Plo hatte einige Worte gesagt, darüber wie viel Mitgefühl Ahsoka immer für andere gehabt hatte und, dass sie eins mit der Macht werden würde. Anakin war froh, dass Meister Plo das übernommen hatte. Er selbst hätte kein Wort herausbekommen. Es war schwer genug gewesen seine Tränen zu unterdrücken. Nach dem Ende der Zeremonie hatte er sich schnell in sein Quartier zurückgezogen. Er wusste, dass es selbstsüchtig war und Barriss und Meister Plo sich bestimmt gewünscht hatten, mit ihm zu sprechen. Aber er konnte den beiden nicht in die Augen sehen. Er konnte nicht einmal seinem Spiegelbild in die Augen sehen. Tiefe Ränder hatten sich mittlerweile unter seinen Augen gebildet und seine Haare hingen in schlaffen Strähnen in seinem Gesicht. Er traute sich nicht zu schlafen, denn er wusste, dass er ihr Gesicht sehen würde, wenn er die Augen schloss. Und doch konnte er der Müdigkeit nicht entfliehen und dann erschien sie ihm. Ihr Gesicht war blutverschmiert und ihre leeren Augen blickten ihn traurig und vorwurfsvoll an. „Wo seid ihr, Meister?" sagte sie immer wieder. Er wollte antworten, aber seine Lippen bewegten sich nicht. Er wollte sie berühren, aber seine Hand erreichte sie nicht, als ob eine Scheibe aus Glas zwischen ihnen stände. Es dauerte Minuten, bis er nach dem Aufwachen das Bild aus seinem Geist verbannen konnte. Statt zu schlafen entschied er sich zu meditieren. Nicht wach und doch nicht schlafend verbrachte er Stunden in den Gärten des Tempels, wo er einst mit Ahsoka im Gras gelegen hatte. Jetzt saß er wieder hier, im Schneidersitz, und ließ seine Gedanken von der Macht treiben. Er versuchte sich von allen Gefühlen zu lösen, wie es ihm Meister Yoda einst beigebracht hatte. Aber er war nie gut darin gewesen. Er ging die Übung erneut Schritt für Schritt durch. Er beruhigte seinen Atem, machte sich die Position seines Körpers bewusst. Er spürte seine Kleidung auf seiner Haut liegen, den Wind in seinem Haar spielen und seine Füße das Gras berühren. Dann weitete er sein Bewusstsein aus. Nun spürte er die Gräser und Blumen, die Insekten, die zwischen ihnen hindurch huschten. Er spürte das Leben um sich herum, Jedi und Padawane die sich unterhielten, fröhlich waren, trainierten. Hunderte von Piloten die über ihm ihre Speeder steuerten, in Eile um zu ihrem Ziel zu gelangen. Tausende Lebewesen aller Spezies, die frohlockten, trauerten, liebten, hassten und ihr Leben lebten um ihn herum auf Coruscant. Er tauchte noch tiefer ein und nun glitt sein Bewusstsein über den Planeten hinaus. Er spürte das Leben, das zwischen tausenden von Sternen pulsierte, den Krieg und den Tod der sie heimsuchte und die unberührte Einsamkeit derer, die noch nie besucht worden waren. Doch in mitten dessen war noch etwas anderes, etwas seltsam vertrautes und doch fremdes. Er versuchte dem nachzugehen. Es war wie ein Kribbeln, ein Flüstern, das er nicht verstehen konnte, das aber deutlich genug war, als dass es da sein musste. Die Planeten verblassten und das Flüstern wurde zu einem Rauschen, zu einem Kreischen. Plötzlich sah er ein blendendes Licht, eine wabernde blaue Masse und dazwischen einen Schimmer von Orange und Weiß. Der Schimmer bewegte sich. Es war ein Körper. Es war noch Leben darin, schwach, aber immer noch vorhanden. Die Präsenz kam ihm bekannt vor es war.... es war... Ah.... „Ahhhhhhhh!" sein eigener Schrei riss Anakin aus der Meditation. Er lag schwer atmend rücklings im Gras, völlig durchnässt, als sei er gerade einen Marathon gelaufen, alle Viere von sich gestreckt. Zwei Jedi waren über ihn gebeugt. Einer hielt seine Hand an seinen Kopf, währen der andere hastig auf sein Comlink tippte. „Ah... Ashoka... sie.." Anakin rang um Luft. Ahsoka lebte! Das war es, was die Vision ihm hatte sagen wollen! Sie war am Leben! Sie lebte! Er musste es dem Rat sagen! Er musste es Obi-Wan sagen! Nein, er musste sie suchen, er musste los, jetzt! Er versuchte sich aufzurichten. „Ganz ruhig, Skywalker, bleibt liegen." Der Jedi drückte ihn zurück auf den Boden. „Ihr seid zu tief in die Macht eingetaucht. Wenn ihr euch jetzt nicht ausruht kommt ihr beim nächsten Mal nicht zurück." War das möglich? Von so etwas hatte er noch nie gehört. Ein paar andere Jedi kamen angerannt und hoben ihn auf eine Trage. Tatsächlich konnte er sich kaum bewegen, aber seine Gedanken waren klar. Auf dem Weg zur Krankenstation kam Obi-Wan auf die Gruppe zugelaufen. Anakin packte ihn am Arm. „Obi-Wan, sie lebt! Ahsoka lebt! Ich habe sie gesehen!" Obi-Wan runzelte besorgt die Stirn. „Ganz ruhig Anakin. Dur brauchst dringen Hilfe. Bald geht es dir wieder besser." Diese Worte trafen Anakin wie ein Schlag. Sein alter Meister glaubte ihm nicht. Und wenn er ihm nicht glaubte, wer sonst würde es tun?

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Ist Anakin letztendlich doch wahnsinnig geworden oder hat er tatsächlich Ahsoka gesehen? Und wird er Obi-Wan doch noch überzeugen können? Schreibt es in die Kommentar!

Die Dunkelheit des HerzensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt