Hufflepuff'sches Helfersyndrom

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Als sie sich einige Wochen später das nächste Mal sahen, saß Yunho mit seinem besten Freund in einem Café. Gerade überlegte er zum wiederholten Male, ob er San von den merkwürdigen Begegnungen erzählen sollte, da kündigte ein leises Klingeln einen neuen Besucher an.

Wie von selbst hob sich Yunhos Blick, bevor er überrascht die Augen weitete. Obwohl er es nicht zugeben wollte, hatte er sich in der letzten Zeit Sorgen um den jungen Mann und dessen Verfassung gemacht, besonders als er nicht mehr einkaufen kam. Nicht einmal seine Kollegen konnten sich erinnern, den auffällig dunkelroten Haarschopf gesehen zu haben. Und jetzt stand er hier in der Tür als wäre nichts gewesen. 

Obwohl er wie die letzten Male trotz der Dunkelheit eine Sonnenbrille trug, hielt der junge Mann eine Hand über seine Augen, bis er sich an die helle Beleuchtung gewöhnt zu haben schien. Neugierig verfolgte Yunho wie er seine Bestellung aufgab.

"Mich würde wirklich interessieren wer er ist oder was er hat", murmelte er in Gedanken.

"Frag ihn?"

"Hm? Was?" Irritiert blinzelte Yunho seinen besten Freund an, der nun ebenfalls den Rücken des Mannes musterte. "Nein, er will keine Hilfe. Ich habe ihm bereits vor einiger Zeit welche angeboten bei mir im Laden." Wie von selbst gruben seine Finger sich in Sans Arm. Es war eine Geste, die Yunho kaum mehr auffiel.

Als der Mann mit dem dunkelroten Haar sich zu ihnen umdrehte, bemerkte Yunho die Sonnenbrille fast nicht mehr. Sie war für ihn zu einem Teil dessen Person geworden. Stattdessen fielen ihm die eingefallen Wangen und die beinahe farblose Haut ins Auge, auf der im Schein der Lampen feine Tröpfchen glitzerten. Dabei regnete es gar nicht.

"Ach Puffel, wies- ...eine Sonnenbrille? Zu dieser Uhrzeit?"

Bevor Yunho sich im Klaren war, was er tat, war er bereits aufgestanden, um dem jungen Mann sein Tablett abzunehmen und zum Nachbartisch zu bringen. Diesen unsicheren Gang erkannte er sofort. Sans Worte hörte er dabei nicht mehr. Sobald er das Tablett sicher abgestellt hatte, bedankt der Fremde sich leise bei ihm und setzte sich zitternd, ehe er erleichtert ausatmete.

"Entschuldigen Sie, falls ich Ihnen zu nahe treten sollte… Geht es Ihnen gut? Sie sehen etwas mitgenommen aus." Yunho bemühte sich, es taktvoll zu formulieren, denn in Wahrheit war seine Erscheinung grauenhaft. Innerlich machte er sich große Sorgen um den Gesundheitszustand seines Gegenübers. Ob es jemanden gab, der nach ihm sah und auf ihn Acht gab? Irgendwie machte es nicht den Anschein. Aufzwingen konnte und wollte Yunho sich ihm allerdings auch nicht.

Leicht nickte der Rothaarige, wobei seine Mundwinkel zuckten. Offenbar versuchte er zu lächeln, brachte aber nur eine entfernt daran erinnernde Grimasse zustande. "Ich komme zurecht, danke." Yunho blieb nicht verborgen, wie verwaschen die Worte formuliert wurden, als müsste sein Gegenüber mit schwerer Zunge sprechen.

"Puffel, lass den armen Mann in Ruhe", meldete sich San nun wieder und forderte ihn auf, sich zurück auf seinen Platz zu setzen. Widerwillig folgte Yunho der Aufforderung, nur um anschließend sofort seine Finger in Sans Bein zu krallen. Es war so offensichtlich, dass der Mann Hilfe brauchte! Yunho machte es wahnsinnig nichts tun zu können.

Wenige Minuten später erklang ein leises Räuspern vom Nachbartisch, woraufhin sie beide ihre Köpfe hoben. "Hättet ihr… äh… dies… äh…" Der Rotschopf rieb sich die Stirn und schien angestrengt zu überlegen. "Hier, dieses Weiße…" Eine Geste über seiner Kaffeetasse und weiteres Reiben der Stirn folgten, doch ein vollständiger Satz blieb aus.

Einen Moment sahen sich alle nur an. "Zucker?", fragte San schließlich und hielt den Streuer fragend hoch. Jetzt als sein bester Freund es aussprach, wurde die Bedeutung auch für Yunho offensichtlich.

"Ja, danke." 

Sichtbar erleichtert nahm der junge Mann den Streuer entgegen, zuckte einen Augenblick später aber stark zusammen, als ein unerwartetes, lautes Geräusch ertönte. Bei genauerem Hinsehen bemerkte Yunho, dass er ständig leicht zuckte und die Schultern höher zog. Wieso nur war er hier, wenn es ihm offensichtlich Unbehagen bereitete?

"Du kennst merkwürdige Leute, Puffel. Kümmere dich lieber erstmal um dich selbst."

Der erste Eindruck failt - YunJoongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt