Elternabend

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“Muuum!”

Hilflos warf Yunho die Arme in die Luft, als er seiner Mutter ins Wohnzimmer folgte. Sie hatte sich überraschend selbst eingeladen und seit er die Tür geöffnet hatte, versuchte er vergeblich sie loszuwerden. Ganz als würde sie nicht merken wie unerwünscht sie war, hatte sie sich an ihm vorbei gedrängelt und war nun dabei gefühlt jede Lampe der Wohnung einzuschalten.

“Kind! Du kannst doch nicht so im Dunkeln sitzen! Was habe ich dir all die Jahre beigebracht, hm?”, folgte auch gleich die erste Belehrung, die Yunho stumm über sich ergehen ließ. Es brachte ohnehin nichts mit ihr zu diskutieren. “Kein Wunder, dass ich dich auf der Arbeit nicht angetroffen habe.”

“Ich habe heute frei, Mum, deshalb bin ich nicht dort”, versuchte er ihr zu erklären, obwohl er genau wusste, dass es nichts bringen würde. Wie erwartet drehte die kleine Frau sich zu ihm um und bedachte ihn mit einem strengen Blick.

“Frei! Sowas hätte es in meiner Jugend nicht gegeben! Dein Vater und ich haben jeden Tag geschuftet! Nicht im Dunkeln gehockt und gehofft, die Zeit würde umgehen ohne dass man sich bewegen muss!”

Innerlich verdrehte Yunho die Augen. Er wusste es ja zu schätzen, dass seine Eltern ihm die Schule sowie den Nachmittagsunterricht finanziert hatten. Jedes Mal dieselbe Leier zu hören motivierte ihn jedoch auch nicht dazu mehr zu arbeiten. Eher war er froh, dass es nicht nötig war und er Gelegenheit hatte sich zu erholen und anderen Dingen nachzugehen.

“Könntest du bitte etwas leiser reden, Mum?”, bat er sie behutsam, ehe er wider der Vernunft eine Erklärung hinzufügte. “Mein Besuch schläft.” Zumindest hoffte er das.

“Besuch? Wieso sagst du denn nichts, Kind? Wie unhöflich, dass ich ihn nicht begrüßt habe… Also wirklich… schlafen zu dieser Uhrzeit...”

“Das ist wirklich ni-”

Bevor Yunho seine Mutter davon abbringen konnte, hatte sie bereits die Tür zu seinem Schlafzimmer geöffnet. Dort lag Hongjoong fest in seine Decke eingemummelt und hatte die Augen geschlossen. Yunho hoffte, seine Mutter würde ihn nicht wecken, denn sie hatten lang genug gebraucht bis er überhaupt eingeschlafen war. Diese jedoch schaltete zunächst die Deckenleuchte an, wohl um besser sehen zu können, wer dort lag.

“Dort liegt ein Mann in deinem Bett. Wer ist das? Und wieso schläft er in DEINEM Bett?”

Yunho seufzte. Es war ja klar gewesen, dass sie es in den falschen Hals bekommen würde. Aber woher hätte er denn ahnen sollen, sie plötzlich in seiner Wohnung stehen zu haben? “Hongjoong. Ein Freund von mir. Er hat Migräne und braucht Ruhe. Also wenn du bitte endlich etwas leiser sprechen könntest? Du weckst ihn noch auf.”

“Ts… Migräne. Davon habe ich gehört. Nichts als ein paar Kopfschmerzen. Hätte er mal weniger getrunken. Ich habe schon gehört, dass du dich neuerdings mit einem Alkoholiker abgibst, der am helligten Tag durch die Stadt torkelt! Denk ja nicht, ich wüsste nichts davon!” 

“Was?” Entgeistert sah Yunho auf seine Mutter herab, die mittlerweile den Zeigefinger erhoben hatte und ihre Stimme selbstverständlich nicht senkte. “Weder ist er Alkoholiker, noch stellt er sich an!”  Schützend stellte er sich zwischen Hongjoong und seine Mutter, sie würde ihm nicht auch noch verletzende Dinge an den Kopf werfen. “Ich entscheide wer in meinem Bett schlafen darf, nicht du! Und Hongjoong darf es so oft er möchte!”

So schnell wie die Mimik seiner Mutter sich änderte, konnte Yunho gar nicht gucken. “Achja? Ist er etwa auch wie dieser… dieser… ‘Freund’ von dir?”, entgegnete sie pikiert, wobei sie das Wort “Freund” ganz komisch betonte, als sei es ihr zuwider.

“Sag ruhig Sans Namen. Und San ist schwul. Das ist absolut in Ordnung, Mum. Er ist immer noch derselbe wie damals - liebenswert, hilfsbereit und loyal. Früher mochtest du ihn. Er hat sich nicht verändert, du hast dich schlecht benommen.” Yunho war selbst überrascht wie ruhig er blieb. “Also was willst du hier? Wenn du nur schlecht über meine Freunde reden willst, geh wieder! Hier interessiert deine Haltung dazu niemanden.”

Empört schnappte seine Mutter nach Luft und setzte dazu an etwas zu sagen, doch Yunho unterbrach sie und forderte sie nachdrücklicher auf endlich zu gehen. “Das wird dir noch leid tun!”, schimpfte sie, bevor sie sich umdrehte und aus dem Zimmer stolzierte. 

Erst als Yunho die Wohnungstür hinter ihr geschlossen hatte, lehnte er sich gegen diese und rieb sich die Schläfen. Begegnungen mit dieser Frau schafften ihn. Nachdem er noch einmal tief durchgeatmet hatte, holte er sich etwas zu trinken und löschte auf dem Weg die Lichter. Dann ging er leise zurück zu Hongjoong und schloss die Tür hinter sich. Behutsam krabbelte er hinter ihm unter die Decke und legte einen Arm um dessen Taille. Tief seufzend atmete er durch und konzentrierte sich ganz auf den Mann in seinen Armen.

Unerwartet drehte Hongjoong sich in seinen Armen um und legte seinerseits die Hände auf Yunhos Brust. “Danke, dass ich bleiben darf”, nuschelte er leise. “Du verdienst eine liebevollere Mutter, Yingo…”

“Ich hatte gehofft, du verschläfst es… Hätte ich geahnt, dass sie geklingelt hat, hätte ich erst gar nicht geöffnet.” Die Bitterkeit in Yunhos Stimme war wohl deutlich zu hören, denn Hongjoong schmiegte sich enger an ihn. Yunho dagegen fuhr mit einer Hand in dessen Haare und vergrub seine Nase in ihnen, die Augen geschlossen. 

Es tat ihm gut, nicht allein zu sein nach dieser kräftezehrenden Begegnung. Dass Hongjoong keine großen Reden schwang, störte ihn nicht. Er hätte jetzt ohnehin nicht reden wollen. Die Anwesenheit und Nähe des Kleineren waren nun genau das Richtige, um wieder Kraft zu schöpfen. Bereits dafür wäre Yunho bereit ihn jederzeit wieder zu verteidigen, wenn es sein musste.

“Schlaf weiter”, murmelte Yunho und drückte einen liebevollen Kuss auf Hongjoongs Stirn. Er selbst könnte nun eine Mütze Schlaf gut vertragen.

Der erste Eindruck failt - YunJoongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt