5: p@rty_on

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User: Linda


„Egal, was Becca über mich gesagt hat, es stimmt nicht.

Wenn du dich vom Gegenteil überzeugen willst, komm morgen zur Burkley Road 45, 9pm. Colin"

Diese Nachricht war heute Abend eingegangen und ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte oder nicht. Seit meinem Eintreffen hier hing ich mit Becca und ihren Freunden ab. An sich war das nicht schlecht. Ich hatte zumindest ausgeschlossen, dass die drei etwas mit der ominösen Website zu tun hatten. Viel lieber verbrachten sie ihre Freitagabende damit, irgendwelche Videospiele vor und zurück zu spielen. Mir machte das grundsätzlich nichts aus, jedoch brachte es mich nicht weiter.

Außerdem schien es sich Becca zur Aufgabe zu machen, mich von diesem Colin zu schützen. Sie hatte scheinbar eine solche Wut auf ihn, dass sie alles dafür tat, damit ich ihm nicht begegnete. Ich konnte auf sie einreden, so viel ich wollte, aber im Endeffekt könnte ich mit einer Wand diskutieren und wäre hinterher schlauer.

Diesen Freitag sollte es anders laufen. Colin hatte mir geschrieben und wollte mir anscheinend beweisen, dass er ganz in Ordnung war. Das, oder er schöpfte Verdacht, was alles andere als gut wäre. Gerade wollte ich Becca den allwöchentlichen Spieleabend absagen, als eine Nachricht von ihr eintrudelte:

„Planänderung: heute Party bei Spencer! Burkley Road 45, 9pm. Sei pünktlich! XD"

Becca wollte auch auf diese Party? Na super. Das würde noch interessant werden. Ich informierte sowohl Madame Moreau als auch Chief Barns. Vielleicht würde ich diesen Abend einen Schritt weiterkommen.

Mit passenden Stylingtipps von der ehrenwerten Madame machte ich mich fertig für die Party. Ich war immer noch in einem Alter, in dem man gerne ausging, aber rein klamottentechnisch hatte sich einiges geändert. Ich schnappte mir schwarze Jeans mit Löchern, ein Tubetop, Sneaker und ein Haarband, welches ich um meinen Pferdeschwanz band. Dazu dezentes Makeup und eine Handtasche. Als ich in den Spiegel schaute, war ich selbst ein wenig überrascht, wie jung ich aussah. Ich kam mir vor wie eine ganz andere Person. Nicht einmal mein wirkliches, 16-jähriges Ich ähnelte dieser Person im Spiegel. Kopfschüttelnd, und damit den Gedanken verdrängend, schnappte ich mir Ausweis und Handy, dann war ich schon zur Tür hinaus.

Von weitem erahnte ich die Burkley Road 45: ein kleines Haus inmitten einer Wohnsiedlung. Junge Leute strömten in Scharen dorthin und ich spürte bereits jetzt den Bass unter meinen Füßen.

Pünktlich traf ich mich mit Becca und Miles im Vorgarten des Hauses.

„Toby ist verhindert. Er muss auf seine kleine Schwester aufpassen", klärte Miles das Fehlen unseres zweiten Mannes auf. Tobys Schwester war gerade vier geworden und auf den Fotos sah sie unglaublich süß aus.

„Dann bleiben nur die drei Muskeltiere", sprach ich und Becca schnappte sich zustimmend meine Hand, um sich ins Getümmel zu stürzen.

Ich hielt aufmerksam Ausschau nach Colin, denn ich wollte ihn wirklich treffen. Vielleicht würde ich ein wenig über dieses StartUp erfahren, denn die wenigsten, die ich gefragt hatte, konnten mir konkrete Auskunft dazu geben. Nicht einmal Becca wusste mehr, als dass es sich um eine Art Grafikbüro handelte.

Wir erreichten die Küche des Hauses, die im Moment als Bar fungierte. Überall standen Flaschen mit Alkohol und rote Becher lagen auf dem Boden und auf den Arbeitsflächen verteilt. Einmal mehr fragte ich mich, wer diese Party organisiert hatte und wie dieser Jemand an so viel Alkohol gekommen war. Schließlich waren die ältesten Kids hier noch nicht einmal volljährig.

Während Becca sich fleißig daranmachte, unsere Drinks zu mixen, schweifte mein Blick aus dem Fenster. Auch im Garten herrschte reges Treiben und Lichterketten erhellten die Nacht. Als ich genauer hinsah, erkannte ich Colin, der auf sein Handy starrte. Meine Uhr verriet mir, dass er bereits eine viertel Stunde auf mich wartete.

„Ich bin gleich zurück", rief ich Becca zu und deutete nach draußen. Sie war jedoch zu beschäftigt damit, die weltbesten Cocktails herzustellen, also übernahm Miles die Kommunikation und nickte mir zu. Ich bahnte mir den Weg durch die Partymeute und trat an die frische Luft.

„Hey!"

Colin drehte sich suchend um und lächelte etwas nervös, als er mich erblickte.

„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr", erklärte er mir und wirkte immer noch ziemlich aufgeregt.

„Ich konnte meinen Wachhund gerade so loswerden", meinte ich und Colin wusste sofort, was ich meinte.

„Ja, Becca kann überzeugend sein, wenn es um etwas geht, das ihr wichtig ist."

Oh ja, das hatte ich schon gemerkt.

„Wie auch immer, es freut mich, dass du hier bist."

„Gleichfalls." Ich lächelte und versuchte dabei, genauso nervös zu wirken, wie er. Wenn ich die richtigen Signale aussandte, würde er mir vielleicht schneller vertrauen.

„Also, hast du dich schon gut eingelebt, hier in Wendelton? Ich meine, du bist erst seit ein paar Wochen hier, oder?"

„Ja, man tut was man kann. Meine Mom arbeitet viel und muss alleine für mich sorgen, weil mein Vater uns verlassen hat. Kaum zu glauben, dass er in diesem Kaff an der Westküste eine dämliche Schnecke aufgegabelt hat. Mom brauchte frischen Wind und ich suche sowieso immer nach dem Abenteuer." Nun hatte er ein paar Infos über mich erhalten, also war er am Zug.

„Tut mir leid. Muss schrecklich sein, so etwas."

Ich zuckte mit den Schultern, um zu verdeutlichen, dass ich mit meiner Erzählung fertig war. Colin schien darauf nicht einzugehen, also stellte ich noch eine, möglichst unscheinbare, Frage.

„Also, Becca und du, ihr kennt euch?"

„Kennen ist vielleicht etwas untertrieben-"

„COLIN F*CKING FIRTH! VERSCHWINDE!" In diesem Moment kam Becca aus dem Haus gestürmt, im Schlepptau hatte sie Miles.

Colin blieb überfordert neben mir stehen und selbst ich wusste nicht, was in Becca gefahren war. Hatte sie bereits ein paar Shots zu viel gekippt?

„Verschwinde und lass meine Freunde in Frieden, du Arschloch!"

„Hey, Becca, jetzt beruhige dich. Wir haben uns nur unterhalten", versuchte ich, sie zu besänftigen.

„Ja, mit einer Unterhaltung beginnt es. Und dann? Willst du sie mir auch noch wegnehmen, du Idiot?" Sie baute sich vor Colin auf, der immer noch wie versteinert dastand.

„Was soll das bitte heißen?" Seine Stimme knallte ihr entgegen, standfest und selbstsicher. Becca machte einen kleinen Schritt zurück, erschrocken über seine plötzliche Regung.

„Du bist diejenige, die mit allem angefangen hat! Ich habe dir rein gar nichts weggenommen! Wir hatten beide unseren Platz in der Gruppe und du hast deinen behalten! Toll, da habe ich mir eine neue Gruppe gesucht! Also was, verdammt, ist dein PROBLEM?!" Colin und Becca standen sich gegenüber wie bei einem Duell. Beide waren angespannt und wirkten, als würden sie gleich aufeinander losgehen.

„Oh, du mieser Lügner! Du weißt genau, was du mir gestohlen hast! Aber keine Sorge, dafür wirst du büßen!" Just in diesem Moment sah ich, wie Becca zum Schlag ausholte. Colin hatte dies nicht kommen sehen, ich jedoch schon. Schützend warf ich mich zwischen die beiden und spürte, wie Beccas Faust auf meine Nase donnerte. Ich sah Entsetzen in ihren Augen, dann ging ich zu Boden.

Für einen Moment hatte die Zeit stillgestanden; nun brach die gesamte Geräuschkulisse über mich herein. Mein Kopf dröhnte und ich schloss meine Augen.

„Linda! Verdammt, ich-"

„Scheiße, ist das-"

„Blut! Wir brauchen einen Krankenwagen! Wir-"

„Ach du meine Güte-"

Stimmen überschlugen sich und ich öffnete für einen kurzen Moment meine Augen. Sowohl Becca, als auch Miles und Colin beugten sich über mich. Ihnen stand der Schock ins Gesicht geschrieben. 

Mein Kopf hatte wohl keine Lust mehr, irgendwelche Eindrücke aufzunehmen, denn im nächsten Moment war es, als hätte jemand das Licht ausgeknipst.

Between The LinesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt