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User: Linda


Pünktlich zum Tag des Schulballes lag der Haftbefehl gegen Matthew vor. Das Video, welches Becca vom Telefonat mitgeschnitten hatte, stellte sich als brauchbares Beweismittel heraus. Chief Barns ließ mich zweimal einen Wisch unterschreiben, dass auch wirklich Becca das Video beschafft hatte und nicht ich. Ansonsten wäre der Beweis unzulässig gewesen. Ich hatte bei diesem Teil des Plans einfach Glück gehabt. Während eine Streife sich Matthew vorknöpfte, diskutierte ich mit Madame Moreau über mein Vorgehen in der letzten Phase des Plans. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck über den Tisch gebeugt studierte ich die Angaben, die Madame Moreau mir überlassen hatte.

„Linda?"

Matthews Stimme drang zu mir durch und ich hob den Kopf. Zwei Beamte hielten seine Arme fest; seine Hände befanden sich hinter seinem Rücken.

Ich nickte den beiden Beamten zu und diese brachten Matthew in einen Verhörraum. Sein Blick blieb währenddessen an mir kleben wie Kaugummi.

Madame Moreau trat an ihren Tisch; in der Hand hielt sie eine Tasse mit dampfendem Tee.

„Worauf warten Sie noch?" Erwartungsvoll schaute sie mich an.

„Sie meinen, ich-"

„Ja, gehen Sie. Chief Barns und ich werden das Verhör überwachen und wenn nötig eingreifen." Ein warmes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, was mich nur noch mehr verwirrte. Ich schob meine Unterlagen zusammen und schnappte mir stattdessen die Akte mit Matthews Fall.

„Colin hat mich verraten, oder? Er hat dir alles verraten!" Matthew wäre beinahe aufgesprungen, als ich den Raum betrat.

„Nicht wirklich. Ich bin von alleine draufgekommen. Liegt eventuell an meinem ausgeprägten Spürsinn." Mit diesen Worten legte ich ihm meinen Ausweis auf den Tisch. Es tat gut, endlich die Wahrheit aussprechen zu können.

Matthews Reaktion war zu erwarten gewesen: er starrte ein paar Sekunden schweigend auf den Ausweis, ehe mich sein Todesblick traf.

„Das war eine eingefädelte Masche, um uns dranzukriegen. Deine Freundschaft zu Colin war also fake?"

„Ich musste seine Aufmerksamkeit erregen, um sein Vertrauen zu gewinnen. Wie seid ihr beide überhaupt auf die Idee gekommen?" Ich stellte gezielt Fragen, die Matthew in seinem Telefonat bereits beantwortet hatte, um seine Glaubwürdigkeit festzustellen. Mein Gefühl sagte mir, dass es ihm nichts ausmachen würde, Colin in den Mist zu reiten um selbst besser dazustehen.

„Wir? Das war alles Colins Idee. Dieser Psycho hat mich erpresst, damit wir die Website gemeinsam aufziehen. Ich musste nett zu ihm sein, ansonsten hätte er Informationen über mich verraten, die nicht an die Öffentlichkeit gehörten!"

Mein Gefühl hatte wieder einmal Recht gehabt, Matthew war ein verlogenes Arschloch. Ich wusste, dass Colin viel von ihm gehalten hatte und dass er wirklich an eine Freundschaft zwischen ihnen geglaubt hatte.

„Er hat dich also erpresst. Und was musstest du tun, damit er schweigt?"

Ich wollte Matthew weiter in seine Lügen verwickeln, so verlor er sofort an Glaubwürdigkeit. Wenn Colin eine Aussage machte und das Video als Beweis vorlag, konnte Matthew einpacken. Mein Trumpf war, dass er von der Existenz des Videos keinen blassen Schimmer hatte.

Ich ließ ihn also weiter seine Lügengeschichten erzählen, bis Barns mir schließlich die Erlaubnis für Colins Verhaftung gab.

„Ach, und wenn ich zurück bin, kannst du gerne mit der Wahrheit herausrücken." Mit diesen Worten verließ ich den Verhörraum und konnte Matthews verwirrten Blick förmlich spüren. Hatte er wirklich geglaubt, dass ich so einfach zu täuschen war?

Während der Fahrt zu Colins Haus musste ich an seine Nachricht denken. Er hatte mich gefragt, ob ich ihn zum Schulball begleiten wollte. Irgendwie tat es mir leid, dass ich die Situation nutzte, um ihn ein für alle Mal auszubremsen. Er war ein kluges Köpfchen, aber dann wüsste er, dass illegale Machenschaften nie zu etwas Gutem führten.

Ein zweiter Streifenwagen parkte hinter meinem Auto in der Einfahrt vor seinem Haus. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck betätigte ich die Klingel und im nächsten Moment schwang die Tür auf. Colin stand, in Anzug und Krawatte, vor mir. Sein Lächeln verflüchtigte sich sofort, als er bemerkte, dass ich kein Ballkleid trug, sondern ihm meine Polizeimarke entgegenhielt.

„Colin Firth, Sie sind festgenommen wegen des Verdachts auf Hacking und Datendiebstahl. Sie haben das Recht zu schweigen-"

„Ich wusste es", murmelte er und kniff seine Augen zusammen, „Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmt."

„Hände hoch, Colin."

„Wieso ist es mir nicht früher klargeworden?" Während er weiter Fragen stellte, hob er seine Hände.

„So offensichtlich war es nun auch wieder nicht", meinte ich und griff nach seiner rechten Hand.

„Mir war von Anfang an klar, dass etwas nicht zusammenpasste. Ich hatte ein komisches Gefühl, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe." Nun hatte ich die Handschellen an seinen Handgelenken fixiert und packte ihn am Arm.

„Tja, dein Gefühl hilft dir nun auch nicht mehr weiter."

„Hast du auf meinem Laptop das gefunden, was du gesucht hast?", fragte er und ich blieb abrupt stehen.

„Nicht direkt. Euer Telefongespräch im Anschluss war um einiges aufschlussreicher."

Für einen kurzen Moment herrschte Stille, dann wandte er sich zu mir um: „Du hast es mitgeschnitten? Ist das überhaupt zulässig als Beweis?"

Ich setzte mich wieder in Bewegung, damit ich Colin endlich ins Auto verfrachten konnte.

„Becca hat es aufgezeichnet, nicht ich", stellte ich klar. Colin reagierte zuerst nicht, dann murmelte er: „Das habe ich wohl verdient."

Ob er das wirklich verdient hatte? Ich wusste es nicht. Colin war kein eiskalter Gangster, im Gegensatz zu seinem Partner, der ihn einfach fallen gelassen hatte. Alles, was Colin wollte, war Vergebung. Wenn er könnte, würde er wahrscheinlich die Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen.

Ich schloss die Autotür hinter ihm und mein Blick schweifte gen Himmel. Es dämmerte bereits und einzelne Wolken trugen die Farben des Sonnenunterganges. Ein leichtes Klopfen riss mich aus den Gedanken. Colin starrte mich vom Inneren des Autos aus an. Ich stieg also vorne ein und startete den Motor.

„Linda ... hör mal, ich bin mittlerweile an dem Punkt angekommen, an dem ich alles verloren habe. Wirklich alles. Nichts ist mehr übrig, nicht einmal unsere Freundschaft. Ich hätte nur noch eine Bitte: Wenn du Becca und die Jungs noch einmal triffst, dann sag ihnen ... dass es mir leidtut. Und zwar sehr."

Im Rückspiegel erkannte ich Colins Augen, die traurig funkelten. Monoton nickend versuchte ich, mich auf die Straße zu konzentrieren. Ich konnte Colin in seinem Gesagten nur Recht geben; er hatte Vieles verloren. Ich wusste jedoch im selben Moment, dass diese spezielle Freundschaft zwischen uns kein so schnelles Ende finden würde.

Between The LinesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt