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User: Colin


„Na los, decke die zweite Karte auf."

„Das ist doch-"

„Und die dritte." Triumphierend verschränkte ich die Hände vor der Brust und lehnte mich zurück. Linda war gerade dabei, die letzte Karte umzudrehen, die vor ihr lag. Ungläubig starrte sie auf die vier Asse, die in einer Reihe vor ihr lagen.

„Und damit verbringst du deine Zeit? Mit Zaubertricks?"

„Ich würde es eher ‚Zeit bewusst nutzen' nennen." Etwas Anderes blieb mir kaum übrig.

Nachdem Linda mich ins Polizeirevier gebracht hatte, wurde ich sofort in einen Verhörraum gebracht. Eine Dame in Blazer und Bleistiftrock stellte mir einige Fragen und wirkte sehr seriös. Ich sprach nur das Nötigste und hielt mich kurz. Ich wusste schließlich nicht, was noch alles auf mich zukam. Bevor sie verschwand, erzählte sie mir noch, dass Matthew ebenfalls hier war. Sie erklärte mir, dass Matthew mir an allem die Schuld gab und mir blieb zuerst die Sprache weg. Mein vermeintlich bester Freund fiel mir in den Rücken, er schubste mich regelrecht. Außerdem war ich zu diesem Zeitpunkt nicht sicher, inwiefern ein Anwalt involviert war. Mein Pflichtverteidiger, den ich ganz sicher bekommen würde, hatte keine Chance gegen einen gut bezahlten Rechtsbeistand.

Während ich abwesend auf den Tisch vor mir starrte, bemerkte ich nicht, dass die Tür aufging und Linda eintrat.

„Ich glaube, es ist Zeit für ein Geständnis." Sie ließ sich gegenüber von mir nieder.

„Ich wusste, dass mit dir etwas nicht stimmt. Von Anfang an."

Linda lächelte leicht.

„Falls es dich irgendwie tröstet, du hast gut gespielt."

Nun huschte auch über meine Lippen ein Lächeln.

„Leider nicht gut genug."

„Colin, sei doch ehrlich mit dir selbst. Illegale Dinge gehen nie gut aus. Soweit wirst du selbst gedacht haben, nicht?"

Ich zuckte leicht mit den Schultern. In meinem Kopf wartete ich nur darauf, dass Linda mich über Matthews Aussagen ausfragte. Dann stand es Aussage gegen Aussage und ich meine Chancen standen schlecht.

Linda überraschte mich mit einer anderen Frage: „Was hast du dir von der Website erhofft?"

Ja, was eigentlich? Freundschaft? Ruhm? Einen sozialen Status und Zugehörigkeit in der Gruppe?

„Keine Ahnung, am Anfang stand der Spaß am Coden im Vordergrund", hörte ich mich sagen, „und irgendwann wurde es zum Business. Mit einem Hobby Geld zu verdienen ist nie schlecht."

„Du könntest dein Talent so viel besser nutzen als illegal im Internet."

„Ich weiß", seufzte ich und ließ den Kopf hängen. „Ich mache mir diese Vorwürfe die ganze Zeit. Deshalb wollte ich aufhören. Ich habe mit Matthew geredet, aber er wollte weitermachen. Alleine. Es wäre ‚sein Business', also würde es bestehen bleiben. Aber ich schätze, davon weißt du bereits."

„Ja, ich habe vorhin mit Matthew geredet. Tut mir leid, Colin, dass er so ein Mistkerl ist. Er schert sich kein Bisschen um dich und das, obwohl ihr doch Freunde wart."

„Ja, ‚Freunde'. Tolle Freunde." Endlich konnte ich meine Gedanken dazu aussprechen. Wut breitete sich in mir aus und floss durch meine Adern. Dazu kam ein anderes Gefühl: Reue. Meine richtigen Freunde hatte ich genauso fallen gelassen, wie Matthew mich.

„Ich hätte meine Freunde, meine wirklichen Freunde, nie im Stich lassen sollen, Linda. Ich verstehe nicht einmal, warum ich das getan habe. Wir waren ein Team ... und nur wegen eines Idioten habe ich sie fallen lassen." Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich spürte Scham in mir aufsteigen.

Between The LinesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt