4: m1ssi0n_LINpossible

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User: Colin


Ich hasste diese sogenannten „Team-Meetings". Und wie ich sie hasste. Im Endeffekt ging es nur darum, dass Matthew mir erklärte, was ich in seinen Augen falsch machte. Für Kritik dieser Art war ich nie besonders empfänglich gewesen.

Im Moment lief es gut in der Schule, der heftigste Prüfungsstress stand uns in ein paar Wochen bevor. So hatten wir genug Zeit, uns ein wenig um die Website zu kümmern. Allem voran deshalb, weil wir im Moment kaum Nutzer dazu gewannen.

"Was wir brauchen, ist Präsenz in den Medien", las Matthew beinahe meine Gedanken und schritt vor mir auf und ab. In seiner Garage hatte er uns ein provisorisches Headquarter eingerichtet. Im Endeffekt diente es dazu, unser Tarnbusiness glaubhaft wirken zu lassen.

Wir brauchten schließlich einen Ort, an dem wir unsere "Graphikwerkstatt" weiterentwickelten. Als Computergenie war ich bereits verrufen, deswegen musste ich mich vorsehen. Wieso also nicht meine Dienste für Bares anbieten? Wir verkauften also Dienstleistungen und boten den Leuten unsere Künste auf Photoshop und Co an. Weiter mussten wir unsere Tarnung nicht ausarbeiten, denn jeder zweite konnte ein Foto selbst bearbeiten. Nur fürs Protokoll: ich sprach von meiner Generation.

"Du willst Aufmerksamkeit? Das halte ich für kontraproduktiv, denn-"

"Das bleibt meine Sorge, Colin. Du klemmst dich hinter den Rechner und designst ein paar Werbebanner fürs Internet. Außerdem brauchen wir soziale Netzwerk Accounts, um Aktionen anzupreisen-" Matthew war voll und ganz in seiner Rolle versunken, da konnte ich auf ihn einreden, wie ich wollte. Also verdrehte ich extra auffällig die Augen und machte mich an die Arbeit.

Das tat ich genau drei Sekunden, dann ging die Tür zur Garage auf und Anna trat ein. Das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen hatte. Sie war seit ein paar Monaten Matthews Freundin, führte das Cheerleader Team an und war obendrein noch Jonas' Schwester. Alles in allem eine ziemlich explosive Mischung. Was mein kleines Nerdhirn jedoch nicht davon abhielt, sich vorzustellen, wie ihre rosafarbenen Lippen auf meine trafen. Ob sie so weich waren, wie Watte? Und ob sie nach Blumen und Pfirsichen schmeckten?

"Na, Colin? Wie läuft's bei eurem Business?", fragte sie und warf sich Matthew in die Arme. Sie trug High Waisted Jeans und ein Croptop, dazu rote Converse. Ihre dunklen Haare hingen ihr in leichten Wellen über die Schultern und ich bemerkte erst jetzt, dass ich ihr nicht geantwortet hatte, denn sie starrte mich immer noch an.

"Ähm, ja. Super. Gut, echt. Läuft total." Ich wusste nicht was peinlicher war: mein Gestammel oder die Tatsache, dass ich ziemlich offensichtlich auf die Freundin meines Freundes stand.

"Ich wollte euch nicht lange aufhalten, ich muss nur kurz deinen Boss entführen", erklärte sie und drehte sich elegant aus Matthews Umarmung, um ihn dann an der Hand nach draußen zu führen.

"Kein Ding, lasst euch alle Zeit der Welt." Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Innerlich war mir danach, meinen Kopf gegen die Wand zu pfeffern. Mehr als nur einmal.

Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss und ich atmete erst einmal tief aus. Für den Rest des Tages würde ich ganz bestimmt keinen Flyer oder sonst etwas herbeizaubern. Meine Gedanken hingen zu sehr auf Wolke sieben ab und ganz ehrlich? Ich konnte es ihnen nicht verübeln.

Ich änderte also meine Taktik und checkte meinen privaten Instagram-Account ab. Mit privat meinte ich meinen Stalker-Account, den niemand abonniert hatte. Vor geraumer Zeit hatte ich ihn eingerichtet, um das Offensichtlichste der Welt zu tun und Annas Bilder abzuchecken. Unter Matthews Radar, verstand sich. Nun aber bot er sich prima an, um diese Linda ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Seit ihrem ersten Tag hing sie mit meinen ehemaligen Freunden ab. Meine Theorie hatte also von Anfang an gestimmt: sie war ein Nerd, durch und durch.

Jedoch hatte ich seit ihrer ersten Woche kein einziges Wort mit ihr gewechselt. Was leider auch nicht dazu beitrug, dass ich mehr über sie erfuhr.

Ihre Instagram-Seite war auch nicht aufschlussreicher: sie beinhaltete ganze zwei Posts. Den ersten hatte sie einen Tag vor ihrem Eintreffen an der Wendelton High hochgeladen. Es war, als hätte sie a) davor kein Leben gehabt oder b) hinter dem Mond gelebt und kein Instagram besessen, was ich c) irgendwie nachvollziehen konnte.

Jedenfalls klickte ich auf das Bild von vor zwei Wochen, als sie und ihre Truppe auf einem Football Spiel gewesen waren. Sie grinste mit Becca, Miles und Toby in die Kamera. Prompt keimte Eifersucht in mir auf. Früher wäre ich an ihrer Stelle gewesen. Manchmal fragte ich mich, ob es Matthew wert gewesen war, meine drei besten Freunde in den Wind zu schießen. Wir hatten Jahre der Demütigung zusammen verbracht, sprich die Middle School, und jede Menge Abenteuer erlebt.

Außerdem waren Becca, Miles und Toby immer auf meiner Seite gestanden, wenn ich Mist gebaut hatte. Als ich mich zum ersten Mal ins Schulnetz eingeklinkt hatte, nahmen sie einen Teil der Schuld auf sich, ansonsten wäre ich womöglich geflogen.

Und nun saß ich hier, alleine, und machte mir Gedanken darüber, wie weit ich es ohne sie gebracht hatte. Gut, unsere Website war das Größte, das ich je erschaffen hatte. Aber wozu?

"Das bringt doch nichts", sprach ich zu mir selbst und vergrub den Kopf in meinen Händen. In diesem Moment ging die Tür wieder auf und Matthew stolperte herein, seine Haare waren vollkommen durcheinander.

"Also, wo war ich stehen geblieben?" Er kratzte sich am Hinterkopf und beachtete mich kaum. Als er seine Predigt weiterführte und sie mehr der Wand als mir vortrug, fasste ich einen Entschluss: nur Taten brachten einen nach vorne. Ob sie nun gut oder schlecht waren, blieb dahingestellt.

An diesem Nachmittag beendete ich zwei Dinge. Erstens die Werbeflyer fürs Internet und zweitens mein ewiges Herumeiern um Linda. Kurzerhand schrieb ich ihr eine Nachricht und die Antwort sollte alles verändern.

Between The LinesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt