7. Zweifel und Angst

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Jay's P.O.V.
Ben sieht nicht wirklich überzeugt aus, doch er kann uns davon nicht abhalten. Ich will die Person finden, die meinem kleinen Bruder das hier angetan hat. "Jemand muss bei ihm bleiben", meint Evie leise und Trauer macht sich in mir breit, als mir klar wird, was das heißt. Falls etwas mit Carlos ist. Falls er... Der Gedanke ist zu schmerzhaft, um ihn zu Ende zu denken.

"Ich werde ihn nicht aus den Augen lassen", erklärt Ben und versucht, stark zu klingen, doch jeder von uns hört das Zittern in seiner Stimme. Mein Blick gleitet noch einmal in Carlos' lebloses Gesicht und mein Herz zieht sich zusammen. Wer ist so grausam, diesen Jungen umzubringen?

"Kommt", reißt mich Mal schließlich aus meinen Gedanken und geht in Richtung Tür. Evie beugt sich mit Tränen in den Augen vor und gibt dem kleinen Jungen einen Kuss auf die Wange. Irgendwie fühle ich mich alles andere als wohl bei dem Gedanken, ihn nun verlassen zu müssen. Vorsichtig lege ich meine Hand auf seine Schulter, um ihm nicht noch zusätzlich weh zu tun.

"Halte noch ein bisschen durch, Kumpel. Wir sind bald zurück." Mit diesen Worten folge ich Mal und Evie ohne noch einen Blick zurück zu werfen.

Zwei Stunden später sind wir fertig für die Insel. Doch keiner von uns spricht. Unsere Gedanken sind ganz woanders. Bei Carlos. Wie es ihm wohl geht? Ob er wieder gesund werden wird? Wird er uns jemals wieder zum Lachen bringen oder uns aus seinen braunen, gütigen Augen ansehen?

Bei dem Gedanken, dass es nicht mehr so sein wird, bricht etwas in mir. Ich weiß nicht, wie es passiert ist, dass er mir plötzlich so wichtig ist. Auf der Insel habe ich mich viel über Carlos lustig gemacht und ihn geärgert, doch jetzt will ich nichts lieber, als ihn beschützen. Er ist der Unschuldigste und Jüngste von uns allen. Und trotzdem war er es, den man versucht hat, umzubringen.

Bei dem Gedanken steigt die Wut in mir auf. Wenn ich diese Person erwische... "Wir werden uns zuerst auf den Weg zu Uma machen", meint Mal plötzlich und sieht mich und Evie entschlossen an. Die blauhaarige Prinzessin hat immer noch Tränen in den Augen und kämpft sichtbar mit sich selbst. Doch gleichzeitig wirkt sie entschlossen.

Ich runzele die Stirn. Warum sollte Uma Carlos töten wollen? Ich denke, mit ihr ist alles geregelt. Evie scheint das Gleiche zu denken. "Was sollte Uma für ein Nutzen davon haben, Carlos zu töten?" Bei den letzten Worten zittert ihre Stimme, doch sie schafft es, nicht wieder zu weinen. Mal zieht sich die Jacke an und sieht dann zu uns auf.

"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber ich kann mir niemanden vorstellen, der grausam genug wäre, so etwas zu tun. Aber irgendwo müssen wir anfangen und Uma ist die auf der Insel, die uns nicht so sehr hasst wie die anderen." Ich muss ein verächtliches Lachen unterdrücken. Na super. Uma hasst uns trotzdem sehr.

Aber ich muss Mal zustimmen. Niemand kann grausam genug sein, so etwas zu tun. Wieder sreigt Wut in mir auf, doch ich werde abgelenkt, als Mal auf die Tür zusteuert. Mein Blick wandert noch einmal durch das Zimmer und bleibt an Carlos' Bett hängen. Was ich dafür geben würde, ihn dort jetzt zu sehen. Lachend, gesund und unendlich fröhlich.

Und in diesem Moment spüre ich einen schmerzhaften Stich in meinem Herzen. Es ist neu für mich. Ich habe so etwas noch nie gespürt. Carlos scheint mir wichtiger zu sein als ich bisher gedacht habe.

Ich seufze leise, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legt und ich mich abrupt umdrehe. Mal steht hinter mir und sieht mich aus ihren grünen Augen ermutigend an. Doch da ist noch etwas anderes. Angst. Sie hat Angst um Carlos. Und niemand kann es ihr verübeln.

"Wir werden die Person finden, die Carlos das hier angetan hat. Und du darfst nicht vergessen, wer Carlos ist. Er hat es geschafft, auf der Insel aufzuwachsen, zusammen mit Cruella De Vil. Er ist stark, Jay. Er wird nicht einfach so aufgeben." Ich weiß, dass Mal Recht hat, doch niemand kann mit Sicherheit sagen, ob unser kleiner Freund jemals wieder gesund werden wird. Ich verdränge den Gedanken und nicke. Gemeinsam verlassen wir den Raum und brechen zur Insel auf.

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