3. Kapitel

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Yuu POV

Ich ging auf das Dach, schloss die Tür und lief zum Gelände, sah darüber nach unten. Es war wirklich hoch.
"Was für ein schönes Wetter", flüsterte ich und ließ meine Schultasche neben mir in eine Pfütze fallen. Kurz wartete ich. Auf irgendetwas. Auf irgendein Gefühl. Doch nichts kam. Nichts, was mich davon abhielt, vom Dach zu springen. Also kletterte ich über das Gelände und sah hinunter. Nicht einmal jetzt fühlte ich etwas. Angst oder Trauer. Nichts. Nur ein leises Bedauern, nur kleinste Reue. Was, wenn ich ein gutes Leben gehabt hätte? Wenn meine Eltern nicht gestorben wären?.. Wenn ich das damals nicht getan hätte...? Sollte ich wirklich mein Leben beenden, obwohl sich jemand so für mich geopfert hatte...? Doch nun war es egal. Alles war egal. All diese Fragen lohnte es sich nicht zu stellen. Denn es war nicht so. Hätte, hätte. Es bringt nichts, sich niemals erfüllende Dinge vorzustellen. Ich lehnte mich nach vorne, schloss die Augen. Niemand würde mich vermissen. Das war immerhin das Gute. Niemand wäre traurig. Wirklich niemand... Oder? Kurz dachte ich an eine Person, die einzige, die mich vielleicht vermissen könnte. Doch ich schüttelte den Kopf. Er würde mich sowieso vergessen... Es brachte nichts, an ihn zu denken...
Ich lockerte meinen Griff, das Gelände war nass, und so würde es nicht lange dauern, bis ich vollständig loslassen, fallen, und auf dem Boden aufschlagen würde, wo sich dann mein Blut mit dem Regen vermischt... 

"Warte!", brüllte plötzlich jemand und ich riss die Augen auf, ließ vor lauter Schreck das Gelände los. Doch bevor ich fallen konnte, griff jemand nach meiner Hand. Der Regen strömte mir in die Augen und ich sah nichts, erkannte nichts. Ich hörte nur jemanden ächzen und stöhnen, und schließlich spürte ich, wie ich hart auf den Boden plumpste. Nur, dass es der falsche Boden war. Es war das Dach, nicht der Boden, auf dem ich nun blutüberströmt liegen sollte.
Verwirrt sah ich zu demjenigen, der mich hochgezogen hatte. Er krabbelte sofort zu mir und hielt mir einen Regenschirm über den Kopf. Da mir der Regen nun nicht mehr in die Augen floss, konnte ich ihn sehen. Grüne, besorgte Augen. Eine Stupsnase. Vor Kälte gerötete, schöne volle Lippen, auf die jedes Mädchen wohl neidisch wäre. Helle Haut, aber nicht unnatürlich blass, wie es bei mir war. Leichte Sommersprossen. Und zuletzt die blonden, hellen Haare, die ihm ins Gesicht fielen und vom Regen sofort nass wurden und ihm nun fast bis zur Schulter gingen. "Wer... Bist du?", brachte ich nur krächzend heraus. Der Junge rutschte näher zu mir, unter den Schirm und atmete schwer.
"Ich bin... Rentaro. Rentaro Sato".

„Lass uns da rüber gehen", sagte er und deutete nach hinten, wo ein großer Schirm stand. Wahrscheinlich ein Sonnenschirm, doch bei dem Regen würde der auch helfen. Verwirrt nickte ich und rappelte mich auf. Rentaro hielt mir immer noch den Schirm über den Kopf. Warum tat er das? Er wurde doch selbst ganz nass. Wir liefen unter den Schirm und er strich sich die Haare aus dem Gesicht, atmete immer noch schwer.
„Geht's dir gut?", fragte er, sah mich mit großen Augen an.
„J-Ja... Aber.. Woher kommst du? Also... Ich war sicher, dass da niemand auf dem Dach war..", murmelte ich.
„Ich war hier. Mathe schwänzen. Dann habe ich gesehen, wie du gekommen bist und hab mich versteckt, weil ich dachte du wärst vielleicht ein Lehrer oder so. Wir dürfen hier ja gar nicht hoch", sagte er.
Ich mochte seine Stimme. Sie war so sanft. Wie ein Glöckchen. Ich stieß die Luft aus und vergrub das Gesicht in den Händen. Wieso? Wieso nur? Ich war so bereit zu sterben, und dann...? Wieso hatte er meine Hand ergriffen? Plötzlich hatte ich ein seltsames Gefühl. Obwohl es wegen dem Regen so kalt war und ich durchnässt bis auch die Knochen war, breitete sich Wärme in mir aus. Mein Herz fühlte sich plötzlich so leicht an. Jemand hatte es endlich getan. Jemand hatte tatsächlich nach meiner Hand gegriffen. Jemand hatte mir geholfen, wollte nicht, dass ich sterbe... Aber... Ich nahm die Hände vom Gesicht und sah zu ihm. Er kannte mich nicht. Er war wohl einfach nur nett und hatte deswegen so gehandelt. Das hieß nichts besonderes, dass er mir geholfen hatte. Sofort verschwand das warme Gefühl, und nun fühlte es sich an, als würde man spitze Nadeln in mein Herz rammen, was mich schockiert nach Luft schnappen ließ.
„Hey! Ist alles okay?... Sag mal, sollen wir ins Maihaus gehen?", fragte Rentaro. Ich krallte mir in den Arm, sah ihn verstört an. Maihaus? War das nicht dieser Imbiss, von dem meine Klassenkameraden manchmal sprachen?
„Ich hab kein Geld dabei", murmelte ich nur. Warum blieb er überhaupt hier? Er hatte doch nun sein Gewissen beruhigt und konnte jetzt gehen!
„Ich lade dich ein, komm schon. Dort ist es warm", sagte er und hielt mir seine Hand hin. Ich starrte seine helle, kleine Hand an, als hätte ich sowas noch nie gesehen. Als ich nicht reagierte, griff er einfach nach meiner Hand und zog mich mit. Seine Hand war warm. Und weich. Also stolperte ich ihm nach und biss auf meine Lippe. Warum war er so nett? Wieso? Gab es heutzutage tatsächlich noch solche nette Leute?!

Love tastes like Death [Boys Love/Yandere]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt