6. Kapitel

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Yuu POV

Als ich so putzte, sah ich plötzlich am Boden, unter Harukis Stuhl eine Zigarettenschachtel. Ich hob sie auf und sah sie fragend an. Sofort sprang der Rothaarige auf und wollte sie mir wegnehmen, doch ich war schneller und ging einen Schritt zurück.
„Hey! Gib das her!", knurrte er.
„Weiß Rachel das? Sie ist doch total gegen Rauchen", traute ich mich zu sagen. Harukis Gesicht verfinsterte sich.
„Soll das eine Drohung sein? Wenn du es ihr sagst, mach ich dir dein Leben zur Hölle"
Trocken lachte ich. Was war das denn für ein schlechter Witz? Das tat er doch schon längst.
„Dann gib mir eine", verlangte ich. Haruki verschränkte die Arme.
„Gut, nimm halt. Seit wann rauchst du denn? Ach, auch egal. Ich hab heute keine Lust mehr auf irgendwas", gab er nach und so zog ich eine Zigarette aus der Schachtel und gab sie ihm dann zurück. Er war selten so deprimiert.
„Und jetzt verpiss dich!", fauchte er mich an. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, ging aus der Küche und schnappte mir eine Streichholzpackung, die auf einer Kommode lag. Dann ging ich hinaus, hinter das Haus und zündete mir die Zigarette an. Während ich rauchte, dachte ich, dass irgendwas komisch war. Ja, genau, das war es. Ich dachte nicht ans Sterben. Zumindest nicht im Moment. Normalerweise war das das Einzige, was in meinem Kopf herumschwirrte. Doch nun war es etwas anderes... Das, was meine einzigen Gedanken waren, war Rentaro. Sein Gesicht ging mir nicht mehr aus dem Kopf.

~

Am nächsten Morgen regnete es nicht mehr. Ich lief zur Schule, war viel zu früh dran. Als ich dort ankam, überlegte ich, kurz zu dem Kiosk zu laufen, doch ich hatte keine Lust, mit dem Alten zu reden. Also betrat ich das Schulgebäude und lief zu meinem Klassenzimmer. Es war abgesperrt, noch niemand außer mir war da. Also setzte ich mich vor dem Zimmer auf den Boden, lehnte mich gegen die Wand und holte mein Buch, welches ich letztens aus der Schulbibliothek ausgeliehen hatte, heraus und las.
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie immer mehr Klassenkameraden von mir sich vor dem Klassenzimmer versammelten, fröhlich miteinander redeten.
„Yuji?", fragte plötzlich jemand und ich sah verwirrt auf. Vor mir stand Haruto, der Klassensprecher. Ein großer, stämmiger Typ mit kurzen, braunen Haaren, der total beliebt war. Was wahrscheinlich auch daran lag, dass er im Baseballclub war. Wieso sollte so jemand wie er mich ansprechen?
„Ehm, Rentaro hat gesagt, ich soll dir von ihm ausrichten, dass du in der Pause zum Kirschbaum kommen sollst", sagte er, sah dabei irgendwie selbst verwirrt aus. Ich machte große Augen, dann nickte ich zögernd. Sofort wendete sich Haruto von mir ab, redeten mit seinen Freunden. Mein Herz pochte heftig. Rentaro? Er wollte mich in der Pause sehen? Über den Bücherrand sah ich zu Haruto. Waren sie etwa befreundet? Das war das erste Mal, dass ich mit dem Klassensprecher gesprochen hatte. War Rentaro etwa mit solchen beliebten Typen befreundet...?! Doch, viel wichtiger... Er wollte sich in der Pause mit mir treffen? Warum? Anscheinend hatte er aber nicht erzählt, was gestern vorgefallen war. Sonst hätte Haruto mich ganz anders angesehen, oder sogar wahrscheinlich ausgelacht. Der Lehrer kam angelaufen und schloss das Klassenzimmer auf. Ich klappte mein Buch zu und ging hinein, setzte mich auf meinen Platz. Dem Unterricht konnte ich überhaupt nicht folgen, irgendwie war ich aufgeregt. Irgendwie... ja... irgendwie freute ich mich sogar darauf, Rentaro zu sehen... Ich hätte nie gedacht, dass er das ernst meinte, dass er mich sehen will...

„Yuji, so langsam kann ich wirklich nicht mehr warten. Ich brauche dieses Geld", sagte mein Klassenlehrer, sah mich streng durch seine Brille an.
„Ich bringe es morgen mit...", murmelte ich und krallte in meinen Arm. Die anderen Schüler verließen alle das Klassenzimmer, ein paar sahen mich komisch an, tuschelten. Sofort brach bei mir der Schweiß aus. Warum tuschelten sie so? Hatte Rentaro etwa doch...
„Wieviel denn?", fragte plötzlich jemand, eine sanfte Stimme, wie ein Glöckchen. Überrascht sah ich auf. Rentaro stand neben mir, in der Hand hielt er einen kleinen, braunen Geldbeutel.
„Bitte? Ehm, 20 Euro, wegen dem Kopiegeld und-„, fing mein Lehrer an, da zog Rentaro schon einen 20-Euro-Schein aus seinem Geldbeutel. Ich riss nur überrascht die Augen auf.
„Ich leihe es dir, kein Problem!", sagte der Blonde enthusiastisch und zog mich dann mit, aus dem Klassenzimmer.
„A-Aber, warte, was?", stotterte ich verwirrt. Rentaro blieb draußen im Gang stehen, lächelte mich an. Seine Haare, die ich ja nur im nassen Zustand gesehen hatte, waren ungefähr so lang wie meine, ein bisschen länger, und hatten eine schöne, kühlblonde Farbe. Er hatte einen schwarz-weißen Hoodie an und eine schwarze, zerrissene Hose. Seine Schuhe sahen teuer aus. Ich fühlte mich hässlicher als sonst, als ich so neben ihm stand.
„Sorry, ich hab extra Haruto gesagt, dass er dir eine Nachricht überbringen soll, aber ich hatte da hinten Unterricht, und hab dann gesehen, dass ihr ganz in der Nähe hattet!", sagte er und ich war unfähig zu antworten. Schließlich brachte ich ein Wort heraus.
„Geld"
„Hm? Ach, gib mir das einfach irgendwann wieder, ist nicht so schlimm, ehrlich!"
Er stellte seinen Rucksack vor ihm ab, ging in die Knie und wühlte darin herum. Dann zog er eine Pausenbox heraus.
„Sollen wir zusammen raus gehen und essen?", fragte er.
„O-Okay", antwortete ich nur. Ich war komplett verwirrt. Was war nur los mit Rentaro? Wieso wollte er mit mir essen? Wieso half er mir so? Als wir losliefen, fragte ich leise
„Warum?"
Der Blonde hörte es und sah mich fragend an
„Was?"
„Warum...Hilfst du mir?", fragte ich, meine Stimme brach fast. Das war eine komplett neue Situation. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, dass jemand Zeit mit mir verbringen wollte. Oder war es etwa nur, weil er sonst Schuldgefühle bekommen würde..? Sich verantwortlich fühlen würde, wenn er mitbekommen würde, dass ich mich doch noch umgebracht hatte...?

Love tastes like Death [Boys Love/Yandere]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt