Kapitel 7

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Er folgte ihnen tatsächlich. Als die beiden Frauen sich weiter auf den Weg nach Norden machten, blieb er an ihrer Seite, ohne auch nur einen Moment zu zögern.
Seine energetische Art und die Neugierde, mit der er an jedem Hasenbau und jedem Baum schnüffelte, hatten etwas erfrischendes.

Amelie musste zugeben, dass ihr der Anblick gut tat. Es nahm ihr in keiner Weise ihre Trauer oder die Selbstvorwürfe, doch der Kleine, den Carla Monty genannt hatte, hatte die bewundernswerte Eigenschaft, sie mit einem leisen Kläffen aus Gedankenschleifen heraus zu ziehen.

Trotz seines fehlenden Beines war er unermüdlich, rannte oft voraus, nur um sich dann zu vergewissern, dass sie noch hinterher kamen.

Auch Carla schien ihre neue Begleitung zu genießen, immer wenn er sich schwanzwedelnd an ihrem Bein rieb, huschte ein Lächeln über ihre Gesichtszüge.

In zügigem Tempo durchquerten sie Weiden, Felder und ein paar Dörfer. Die Pause hatte Amelie Kraft schöpfen lassen, genug, um trotz des schweren Rucksacks gut vorwärts zu kommen.
Als sie in einer kleinen Ortschaft ein zurück gelassenes Auto entdeckten, glaubten sie schon gar nicht mehr daran, sie könnten es noch zum laufen bringen.

Dennoch brachen sie die Tür auf, Amelie streifte ihren Rucksack ab und kletterte hinein. Während Carla sich ein wenig entfernte, um ihre Wasserflaschen aufzufüllen und Monty sich am nächsten Straßenschild erleichterte, machte sie sich daran, den Wagen kurzzuschließen.
Es brauchte nicht lange, die Handgriffe in ihrem Gedächtnis wach zu rufen, wie von selbst taten ihre Hände die Arbeit für sie. Vor dem heutigen Tag war es ein paar Jahre her, dass sie das das letzte mal getan hatte.

Das Bild stand ihr noch genau vor Augen. Die zierliche Jugendliche, die im Schatten der Nacht Mist baute, um ihre reichen Eltern bloßzustellen. Verwöhnte Großstadtgöre mit mehr Wut im Bauch als die Kleinkriminelle, die sie gerne gewesen wäre.

Ihre Freunde, die sie damals gefunden hatte, waren nur noch eine blasse Erinnerung. Niemand, an den sie gerne zurück dachte, einfach nur andere Jugendliche, die genau so wütend waren wie sie. Ihre Gesichter so unwichtig wie ihre Namen.
Nur an das Gefühl von Adrenalin erinnerte sie sich, den Geruch von Farbe aus Spraydosen und das Klirren eingeworfener Fenster. Ein kleiner Hauch von Freiheit.

Zwischendurch hatte sie sich eingeredet, sie müsste sich für diese Phase ihres Lebens schämen, doch die Erinnerung zauberte ihr ein Lächeln auf die Lippen. Manchmal waren dumme Aktionen eben doch die liebsten Erinnerungen.
Mit einem Rumpeln sprang der Motor an und ließ sie vor Schrecken nach Luft schnappen, ehe ihr ein kurzer Freudenschrei entwich.

„Ich habe es geschafft!", rief sie Carla zu, die gerade wieder zu ihr zurück kam.


Der Wagen war stickig und roch nach Benzin, doch er fuhr, und das war alles, das zählte. Ihre Rucksäcke schnallten sie auf der Rückbank fest, Carla klemmte sich hinters Lenkrad und Amelie nahm Monty auf den Schoß, dann fuhren sie an.

Die Strecke war uneben, teilweise mussten sie sich im Slalom durch alle möglichen Hindernisse schlängeln. Dennoch kamen sie bei weitem schneller voran, als wenn sie ihren Weg zu Fuß fortgesetzt hätten.

Nach einer halben Stunde Fahrt hatte Monty sich beruhigt auf Amelies Schoß zusammen gerollt. Sie selbst hatte die Schuhe ausgezogen und ihre Füße auf dem Armaturenbrett hochgelegt, worüber Carla grinste. „Dafür hätte Penny dich geköpft."

Sie ging ein wenig vom Gas, um sie sicher über eine Bodenwelle zu bringen, dann beschleunigte sie wieder.
Amelie hob eine Augenbraue.

„Penny?"

Carla brummte leise. „Penelope. Meine Frau. Habe ich wirklich ihren Namen nicht erwähnt?" Sie wirkte ein wenig beschämt.
„Nein. Nur eure Tochter Bea." Amelie legte den Kopf schief. „Außerdem sagst du immer wieder, dass du Bea suchst, aber deine Frau doch auch, oder?"

Searching for HerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt