Kapitel 29

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4 Jahre später feier ich pünktlich am 24.12 meinen 18. Geburtstag. Die letzten Jahre bei Frederik habe ich geschafft, wieder eigenständig auf die Beine zu kommen: in wenigen Monaten schreibe ich mein Abitur, seit 3 Jahren bin ich im Tennisclub und habe allgemein ein großes Interesse fürs Sport machen entwickelt, habe Marie mittlerweile als endgültig unersetzbare und beste Freundin für mich gewonnen und plane, direkt nach dem Abitur studieren zu gehen. Der Wunsch zum Medizinstudium ist weiterhin da, weshalb ich auch so viel in meiner Freizeit lerne, dass ich es sogar geschafft habe, jahrelang Jahrgangsbeste zu sein. Nach meinem Abitur in 5 Monaten möchte ich - insofern es nicht direkt mit dem Studium klappt - erst einmal die Ausbildung zur Notfallsanitäterin anfangen, aber mit der Hoffnung, möglichst direkt einen Studiumsplatz zu bekommen. Ich bin inzwischen 173cm groß, habe eine sportlich dünne Figur bekommen und meine Haare haben sich im Laufe der Jahre etwas mehr geglättet. Neben dem lernen arbeite ich in meiner Freizeit am Wochenende immer als Aushilfe in einem Kino, um mir mein eigenes Geld zu verdienen. Zu meinem Vater habe ich ausnahmslos keinen Kontakt mehr und außer Marie hält sich mein Freundeskreis auch sonst ziemlich in Grenzen, aber ich bin mit meinem aktuellen Leben eigentlich ganz glücklich, so wie es ist.

„Hey Anna! wach auf! Heute ist dein Geburtstag! Du bist endlich 18!". Maries rufe reißen mich aus meinem Tiefschlaf. Verwirrt und müde blinzle ich in die Dunkelheit. Durch meine geöffnete Zimmertür kommt etwas Licht vom Flur herein, da es jedoch noch relativ ruhig ist, scheint es noch ziemlich früh am Morgen zu sein - oder Frederik ist in seinem Tiefschlaf gefangen. Marie sitzt mir gegenüber auf dem Bett zu meinen Füßen und sie hält eine Torte in der Hand, die mit vielen brennenden Wunderkerzen verziert ist. „Alles gute zum Geburtstag!" grinst sie, was ich durch die schwache Beleuchtung der Kerzen erkennen kann. Völlig überfordert aber doch sehr glücklich muss ich lächeln. „Danke! Du bist die beste!" freue ich mich und gemeinsam schauen wir den Kerzen zu, wie sie immer weiter Stück für Stück abbrennen. Marie hat die Nacht über bei mir verbracht, sie ist bereits 18 und auf der Suche nach einer Wohnung, da sie seit August ihr eigenes Geld aufgrund ihrer Ausbildung zur Friseurin verdient. Als schließlich auch der letze Funken verglüht ist, greife ich zu meinem Lichtschalter neben dem Bett und mache die Deckenlampe an. Marie stellt die Torte zur Seite und stürzt sich dann lachend auf mich. Ich schlinge ebenfalls meine Arme um sie und drücke sie fest an mich. „Du bist endlich 18! Heute wird ein richtig guter Tag!" quitscht sie vergnügt und ich nicke. „Wir gehen das erste mal was trinken" verkündet sie grinsend und ich lache. „Mal schauen". „Doch, das wird super!". Ich küsse sie auf die Wange und lasse sie wieder los. Sie steht vom Bett auf und verschwindet aus dem Raum. Kurz später kommt sie mit zwei Tellern, einem Messer und zwei Gabeln zurück, schneidet ihre Torte an und reicht mir ein Stück. „Wow! Vielen Dank! Selber gemacht?" frage ich positiv überrascht und sie nickt. „Klar! Schokoladentorte geht immer" schmatzt sie bereits. Ich schiebe mir grinsend ebenfalls ein Stück in den Mund und so sitzen wir schweigend nebeneinander auf dem Bett und essen beide jeweils zwei Stücke Kuchen. „Versprich mir aber wenigstens heute mal nicht zu lernen, ja? Wir machen uns heute wirklich einen entspannten, schönen Tag" bittet mich Marie, als sie unsere Teller und den Kuchen in der Küche verräumt hat und ich nicke. „Versprochen!". Sie umarmt mich ein letztes Mal und verschwindet dann gut gelaunt wieder in ihr Zimmer, das heißt ins Gästezimmer. Ich schaue auf mein Handy und sehe, dass es gerade einmal halb 7 ist. Ich mache mein Licht wieder aus, Kuschel mich unter meine Decke und schließe die Augen. Dank Marie waren meine letzten 4 Geburtstage und damit auch die Heiligabende jedes Mal wunderschön und dafür bin ich ihr auch sehr dankbar - als meine Mutter gestorben ist und mein Vater die Kontrolle verloren hat, habe ich nicht wirklich daran geglaubt, jemals da zu stehen, wo ich es heute tue. Mit einem leichten lächelnd im Gesicht atme ich ein Mal tief den Geruch meiner Bettwäsche ein und wieder aus, ehe ich erneut einschlafe.

Es ist schon hell, als ich das nächste mal aufwache und meine Uhr zeigt mir dieses mal 9.40 Uhr an. So lange habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr geschlafen - selbst am Wochenende bin ich immer früh aufgestanden, um meinen Lernplan verfolgen zu können. Völlig erholt strecke ich mich ausgiebig in meinem Bett, ehe ich mich aufsetze und mir die Augen reibe. Ich stehe auf, gehe zu meinem Kleiderschrank und hole mir ein paar frische Klamotten raus, schnappe mir mein Handtuch und Shampoo und mache mich auf den Weg ins Badezimmer. Während das Wasser der Dusche auf mich runter fällt, überlege ich, was Marie wohl heute für mich geplant hat. An meinem 14. Geburtstag kannten wir uns noch nicht so gut und ich war immer noch zu sehr damit beschäftigt um meine Eltern zu trauern, als dass wir groß etwas gemeinsam hätten tun können. Wir sind mittags am Rheinufer entlang gelaufen, haben uns abends mit der Erlaubnis von Miriam Pizza ins Heim bestellt und haben sie zusammen mit ein paar cupcakes in meinem Bett mit ein paar Filmen angeschaut, bis wir eingeschlafen sind. In diesem Jahr bekam ich ein silbernes Armbändchen mit einer kleinen ebenfalls silbernen Feder daran geschenkt. An meinem 15. Geburtstag waren wir vormittags erst Schlittschuhlaufen und sind nachmittags über den Weihnachtsmarkt am Kölner Dom gelaufen. Als Geschenk habe ich von ihr einen Kleeblatt-Anhänger für mein Armband bekommen. Den 16. Geburtstag haben wir mit einem Wellnesstag in der Claudius Therme verbracht - als Geschenk gab es einen Weltkugel-Kettenanhänger - und sind abends Sushi essen gegangen und ich bin mir sicher, dass sie sich auch für dieses Jahr etwas kreatives hat einfallen lassen. „Na? Welchen Anhänger gibt es dieses Jahr?" grinse ich sie an, als ich sie eine halbe Stunde später beim Frühstück wieder treffe. „Lass dich überraschen" grinst sie zurück und beißt beherzt in ihr belegtes Brötchen. Ich lasse mich neben sie auf den Stuhl sinken und schnappe mir ebenfalls eines aus dem Brotkorb. „Aber eines kann ich dir versprechen: du wirst es nicht vergessen" schmatzt sie. „So wie jedes Jahr" lache ich und knuffe sie liebevoll in die Seite. Sie nickt und wir essen schweigend unser Frühstück. Frederik scheint immer noch zu schlafen, aber uns stört es nicht. Da ich auch weiß, dass er die letzten 3 Nächte Nachtschicht hatte, um heute frei zu haben, gönne ich ihm seinen Schlaf.

Wenn aus Freundschaft Liebe wird (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt