4. Erwachen in fremder Umgebung

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Langsam erwachte Keigo aus seinem langen Schlaf, die Augen hielt er jedoch noch eine Weile geschlossen. Zu schwer waren seine Lider, zu erschöpft fühlte er sich. Sein ganzer Körper schmerzte fürchterlich und sein Kopf dröhnte förmlich. So beschissen war es ihm schon lange nicht mehr gegangen. Die letzten Wochen hatte er nichts davon mitbekommen, nichts gefühlt. Viel zu tief war er in dem Rausch der Leere versunken gewesen.

Gefangen in seinem eigenen, geschundenen Körper und mit seinen Gedanken allein gelassen. Jedoch war all das in dem Moment nicht mehr präsent. Der Nebel um ihn herum hatte sich gelichtet, ihm war wohlig warm und der Untergrund, auf dem er lag, war weich. Ein komplettes Gegenteil zu dem, was er die letzten Wochen, nein, eher Monate kennengelernt hatte.

Er wagte es, sein Augenlid zu erheben. Langsam und mühselig, doch es klappte einigermaßen. Viel erkannte er im ersten Moment nicht, denn die Sonne blendete ihn unbarmherzig, weshalb er den blonden Schopf umdrehte und ins Kissen drückte. So verblieb er einige Minuten, ehe die Neugierde ihn packte und er ihn wieder drehte, dieses Mal zur anderen Seite, um nicht wieder geblendet zu werden.

Sein Blick klärte sich und er erkannte immer mehr, wobei es nicht viel zu sehen gab. Er befand sich definitiv nicht mehr dort, wo er die letzten Wochen ausharren musste. Der Untergrund, auf dem er lag, war ein großes Bett, bestückt mit zwei Kissen in Bordeaux und einer schlichten, schwarzen Decke, mit der er zugedeckt war. Ihm fiel ebenfalls die schwarz weiße Kommode ins Auge, die an der Wand stand. Ansonsten konnte er aus seiner Position nicht viel mehr erkennen.

Wie lange er dort so lag, wusste er gar nicht, doch es war einiges an Zeit vergangen und er starrte immer noch mit leeren Blick an die Wand gegenüber. Unter der Decke zuckten immer wieder seine Flügel, was nicht unbedingt angenehm war. Doch in dem Moment war es ihm herzlich egal, alles war egal. Er konnte sich nicht erinnern, was passiert war, nachdem man ihm eine weitere Dosis dieser verfluchten Droge gegeben hatte.

Einzig daran, dass man ihm und den anderen mitgeteilt hatte, dass die Auktion in Kürze beginnen würde. Jetzt war vermutlich alles vorbei. Wer wusste, was für ein perverser und verrückter alter Mann ihn da gekauft hatte. Bald würde er es ohnehin schon erfahren, eine unausweichliche Situation. Seufzend schloss er seine Augen, wollte gar nicht daran denken, was nun noch folgen könnte. Irgendwie musste er von hier flüchten. Die Frage war, wohin? Es würde bestimmt nicht lange dauern, bis man ihn wieder schnappen würde. Dann würde alles von vorne beginnen.

»Verfluchte Scheiße«, fluchte er leise, seine Stimme hörte sich so fremd an, so erschöpft und kraftlos. In dem Raum war es still, oder eher gesagt, war alles um ihn herum in eine merkwürdige Stille gehüllt. Fast schon angenehm, wenn da nicht das Pochen unter seiner Schädeldecke wäre. Keigo ballte die Fäuste und verzog sein Gesicht, er konnte das alles immer noch nicht fassen.

Ein Geräusch zog seine Aufmerksamkeit auf sich, es klang wie Schritte, leise und langsam näherten sie sich. Sollte er einfach so tun, als würde er schlafen? Hatte es einen Sinn, das hier zu verzögern? Vielleicht könnte er die Person einfach überwältigen und fliehen. Für den Gedanken hätte er sich selbst Ohrfeigen können. Er konnte sich kaum bewegen - die Person müsste ein Baby sein, damit er in diesem Moment irgendwas reißen könnte.

Müde ging Dabi in Richtung des seit kurzem bewohnten Zimmers, es war schon später Vormittag und er hatte eindeutig zu lange geschlafen. Eigentlich wollte er vor Keigo wach sein, damit er nicht völlig desorientiert aufwachen würde und vielleicht in Panik geriet. Irgendwie konnte er den Mann schwer einschätzen. Damals war er ein ängstliches und verschlossenes Kind, doch das ist nun etwa acht oder neun Jahre her. Jahre, in denen sich viel verändert hatte, da war er eines der besten Beispiele.

Langsam betrat er das Zimmer durch die offene Tür - aus einem ihm unbekannten Grund hatte er sie gar nicht verschlossen. Eine Zeit lang verharrte er auf der Türschwelle und beobachtete Keigo, dessen Brust sich leicht hob und senkte. Dabi war sich nicht sicher, ob er noch schlief, jedoch lag er auf dem Bauch und hatte die Flügel zu seiner beiden Seiten ausgebreitet. Zwar waren sie größtenteils bedeckt, doch hier und da lugte die eine oder andere rote Feder hervor.

𝖲𝗈𝗅𝖽 || 𝖵𝖾𝗋𝗄𝖺𝗎𝖿𝗍Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt