2. Die Auktion im Untergrund

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Als Hawks aufwachte, war alles um ihn herum still. Es war dunkel und kalt. Seine Flügel konnte er nicht bewegen, jemand hatte sie zusammengebunden, genauso wie seine Hände und Füße. Wahrscheinlich wollte man dieses Mal sichergehen, dass der junge Mann nicht wieder fliehen konnte und ihnen weitere Scherereien bereitete.

Er blinzelte. Trotz seiner guten Augen konnte er kaum etwas erkennen. Doch eines war sicher: Er war allein. Allein in einen Käfig eingesperrt, ohne auch nur eine Chance auf Flucht. Die Menschenhändler lernten eindeutig dazu, ganz zu seinem Unglück. Was war eigentlich geschehen? Nachdem er vor gut einem Monat aus den Fängen der Händler entkommen war, hatte er sich ständig auf der Flucht befunden. Und nun saß er erneut hier.

Als wäre das Leben nicht schon schwer genug mit diesen riesigen, roten Schwingen auf dem Rücken. Nein, die Flucht und das ständige Versteckspiel brachten ihn an seine Grenzen. Sein Körper war ausgemergelt, er konnte sich kaum daran erinnern, wann er zuletzt etwas Vernünftiges gegessen hatte oder richtig ausschlafen konnte.

Seine Erinnerungen kamen langsam wieder. Irgendwann war er einfach zusammengebrochen, seine Kräfte waren aufgebraucht gewesen, die Erschöpfung und der Hunger hatten ihren Tribut gezollt. Man konnte sagen, dass es ein Wunder war, dass er es überhaupt in sein Versteck geschafft hatte und doch hat es nichts gebracht.

Allem Anschein nach hatte man ihn längst aufgespürt und die Gunst der Stunde ausgenutzt. Keigo fühlte sich seltsam benommen, es lag nah, dass sie ihn betäubt hatten, bevor er in diesem Loch gelandet war.

Ein tiefer Seufzer entfloh seiner Kehle und erschöpft ließ er den Kopf wieder hängen. Wer wusste schon, was ihn noch erwarten würde. Kraftlos sackte er zur Seite. Es war egal, dass ihm alle Glieder schmerzten, oder dass sein Magen sich vor Hunger krampfhaft zusammenzog.

In dem Moment war einfach alles egal. Ein paar Tränen kullerten seine Wange entlang, ob es nun der Schmerz in seinem Herzen oder der Körperliche war, konnte selbst Keigo nicht sagen. Doch zum Nachdenken kam er ohnehin nicht, denn kurz darauf übermannte ihn die Finsternis und er fiel wieder in Ohnmacht.

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Eine dunkle Gestalt bewegte sich die Straße hinab, verschmolz beinahe mit der längst angebrochenen, sternlosen Nacht. Sie hatte nur ein Ziel: Es war eine dieser Auktionen, bei denen mit Menschen gehandelt wurde. Jedoch nicht nur mit gewöhnlichen Menschen. Nein, die Hauptattraktionen in diesen perversen und perfiden Geschäft waren jene, die besondere Fähigkeiten hatten.

Die Gesellschaft hatte viele Namen für diese Menschen, sie wertete sie ab und schloss sie aus der Gesellschaft aus. Andere wiederum bereicherten sich an ihnen, denn es gab tatsächlich welche, die sich eben solche Menschen als Haustiere oder sogar Schlimmeres hielten.

Wie er diesen Ort verabscheute – doch dieses Mal war er aus freien Stücken auf dem Weg dorthin. Der Grund war nicht die Einladung, die sich in seiner Jackentasche befand und ohne die er ohnehin keinen Zutritt bekommen würde. Nein, es war die beigefügte Information über ein ganz besonderes Exemplar. Ein junger Mann mit roten Schwingen und außergewöhnlichen Fähigkeiten.

Als er den Zettel in der Hand gehalten und die Zeilen gelesen hatte, erinnerte er sich unweigerlich an etwas aus einer längst vergangenen Zeit. An jemanden, der ihm besonders wichtig war und das, obwohl sie sich nur kurz gekannt hatten. Es war unwahrscheinlich, dass jener Junge von damals gemeint war – und doch trieb ihn etwas an.

Das Gesicht des Mannes verzerrte sich zu einer Grimasse. Etwas entfachte in seinen Augen eine Flamme. War es ein Hoffnungsschimmer? Dabei hatte er schon vor langer Zeit aufgehört zu hoffen. Kurz blieb die dunkle Gestalt stehen, zückte seine Zigarettenschachtel und fischte die letzte Kippe heraus. Zusammengedrückt landete die leere Schachtel achtlos auf dem Boden.

𝖲𝗈𝗅𝖽 || 𝖵𝖾𝗋𝗄𝖺𝗎𝖿𝗍Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt