>> Vorstellungsgespräch <<

172 43 83
                                    

Donna versuchte während der Fahrt mit der Bahn ihre flatternden Nerven durch die Musik zu beruhigen. Es gelang der jungen Frau jedoch wenig.

Sie war auf der Fahrt in Richtung Hölle - nein, in Richtung ihrer persönlichen Hölle. Vorstellungsgespräche. Sie sind einfach immer unangenehm und aufgesetzt. Das sind zwei Eigenschaften, die sich in Donnas Charakter nicht wiederfanden. Sie war eher natürlich und introvertiert. Neue Situationen, auf die sie wenig Einfluss nehmen konnte, forderten die junge Frau selbst jedes Mal aufs Neue heraus.

Der Zug hielt und sie seufzte. Die Menschen hasteten bereits zum Ausgang, während Donna noch sitzen blieb und wartete, dass sich das Gedränge auflöste. Sie war mal wieder überpünktlich - eine weitere Schwäche von mir.

Langsam nahm sie ihre Tasche und stand auf, setzte gemächlich einen Fuß vor den anderen und stieg aus. Donnas Herz raste, ihre Hände waren feucht und ihre  Gedanken waren ein Ball ausgefüllt mit Chaos. Sie versuchte sich an die Präsentation, die sie die letzten Tage vorbereitet und einstudiert hatte, zu erinnern und jedes Wort zu wiederholen. Leise sprach sie es sich selbst vor:

"Guten Tag,

mein Name ist Donna Wood. Ich bin 28 Jahre alt und habe mein Jurastudium gut abgeschlossen. Meine Hobbies sind..." Plötzlich stieß sie mit jemanden zusammen. Schnell sah Donna hoch und merkte, wie sich etwas Warmes über ihre Brust ergoss. Es lief herunter bis zu ihrem Bauchnabel. Donna versuchte einen Schrei zu unterdrücken. Es tat höllisch weh, als das heiße Gebräu an ihr herunterlief.

"Mein Gott! Könne Sie nicht aufpassen?", sagte der Mann genervt und blieb stehen. Wortlos sah sie an sich herunter und konnte nicht atmen. Schmerz und Scham breiteten sich in ihr aus und vermischten sich. Verdammt, über ihre rosafarbende Bluse breitete sich gerade ein brauner Fleck seines Kaffees aus. Ihr Mund stand offen. Was mache ich denn jetzt nur? Verdammt, so kann ich doch nicht dahin gehen. Was soll ich jetzt machen?, dachte die junge Frau immer wieder verzweifelt. Das erste Ereignis - unvorhersehbar und ungeplant. Donnas Gedanken rasten mit ihrem Herz um die Wette. Sie hasste es, wenn etwas ihre sonst so sicheren Pläne durchkreuzte. Der Fremde sah Donna mit hochgezogener Augenbraue belustigt an und sah auf seine Uhr. Sie blickte verzweifelt zu ihm. "Sie haben gerade mein Leben ruiniert!", sagte sie theatralisch und war sichtlich überfordert mit der Situation. Sie schlug sich die Hand vor dem Mund, das wollte sie gerade nicht laut sagen. Er blickte nun fassungslos drein. "Ich habe bitte was?", fragte er ungläubig. Wieder folgte der Blick auf seine Uhr. "Was mache ich nur jetzt?", fragte Donna ihn. Er zuckte mit den Schultern und sagte: "Das interessiert mich nicht. Ich muss los ins Büro. Nur leider jetzt ohne Kaffee - dank Ihnen!" Danach rauschte er davon. "Idiot!", rief sie und blickte ihm hinterher und überlegte nun fieberhaft, was sie tatsächlich tun sollte.

Ein Glück war sie so früh hier, dachte Donna. Suchend nach einem Klamottenladen blickte sie sich auf dem Bahnhof um und sah tatsächlich einen. Schnell stürmte sie hinein und suchte nach einer ansatzweise passablen Lösung. Tatsächlich stach ihr sofort eine Bluse ins Auge. Sofort nahm sie sie mit und probierte sie an. Donna sah in den Spiegel und stöhnte. Die Bluse war zu weit ausgeschnitten und viel zu kurz, also zog sie sie hastig wieder aus und stürmte aus der Umkleide. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer geschminkten Stirn. Stress ließ Donna immer anfangen zu schwitzen. Ein weiteres Ereignis, was sie durch ihre Überpünktlichkeit, versucht hatte zu verhindern.

"Kann ich Ihnen helfen?", fragte eine unnatürlich geschminkte Dame mit aufgespritzten Lippen. Das sollte ich sie wohl fragen, so wie sie aussah, dachte Donna belustigt. Sie sah aus wie ein Panda im Clownskostüm. Donna grinste. Schnell schob sie den Gedanken beiseite, dafür hatte die junge Frau schließlich keine Zeit. "Haben Sie noch weitere Blusen oder Kleider, die man zu einem Vorstellungsgespräch anziehen könnte?", fragte sie atemlos. Sie setzte sich sofort in Bewegung und zeigte auf ein echt kurzes schwarzes Kleid und sagte: "Ich denke, dass sich das hier wohl neben der Bluse in ihrem Arm am ehesten zum Vorstellungsgespräch eignet. Ansonsten sind die anderen Teile zu leger!"

Donna nahm ihr das Kleid ab und zog es an. Wieder ein verzweifelter Blick in den Spiegel. Das Kleid ging ihr gerade bis zur Mitte der Oberschenkel und auch der Ausschnitt war ein Tickchen zu weit. Sie steckte ihren Kopf durch die Vorhänge der Umkleide. "Etwas anderes haben Sie sicher nicht?", fragte Donna die Verkäuferin nochmal verzweifelt. Sie schüttelte den Kopf. Hastig sah sie erneut in den Spiegel, betrachtete sich nochmals eingehend und wägte ab. Es wird wohl gehen, wohl fühlte Donna sich jedoch nicht darin.

Ein wenig später saß sie nun völlig verschwitzt und außer Atem in der U-Bahn und beobachtete die vorbeifliegenden Wände aus puren Schwarz. Neben ihr sprachen Menschen in ungewohnter Lautstärke und ein Typ gegenüber von ihr beäugte sie immer wieder eingehend. Widerlich. Stur blickte sie geradeaus und versuchte ihr Herz und ihre Gedanken unter Kontrolle zu bringen und zog immer wieder am Saum ihres neu gekauften Kleides, um ihre Beine ein wenig mehr vor den Blicken des Typen zu verdecken. Die nächste Haltestelle wurde durchgesagt und Donna musste auch schon aussteigen. Ein Glück.

Nun stand die junge Frau vor der Tür des hoffentlich neuen Arbeitsplatzes und drückte auf das Klingelschild - LANKFORD und Partner. Der Summer ertönte, sie stieß die Tür auf, stieg in den Fahrstuhl und wiederholte erneut ihre auswendig gelernten Worte. Außerdem versuchte sie ihr Schwitzen und ihren Atem unter Kontrolle zu bringen. Sie erhaschte noch einen Blick in den Spiegel, den Donna lieber nicht hätte machen sollen. Ihre Wangen waren wirklich rot und man erkannte den Stress, dem sie bis eben ausgesetzt war.

Die Türen gingen auf und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Aufregung pulsierte durch ihren Körper und sie fühlte sich als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Erneut klingelte sie und erneut erklang der Summer. Nun zog Donna an der Tür, kam in den Empfangsbereich der Rechtsanwaltskanzlei und setzte ihr bestes Lächeln auf. Eine mollige junge Frau stand auf und seufzte. "Guten Tag, was kann ich für Sie tun?", fragte sie nett. "Guten Tag, ich bin Donna Wood und habe ein Vorstellungsgespräch bei euch!", sagte Donna mit fester Stimme. Ihr Lächeln war nun weniger aufgesetzt. "Schön, dann dürfen Sie mir einmal in diesen Raum folgen!", sagte sie. Dies tat Donna auch. Die junge Frau fragte sie nach Kaffee und Donna gab ihr auf, ihr einen Latte Macchiato zu bringen.

Als die Tür ins Schloss fiel, setzte sie sich hin. Dann stand Donna aber wieder auf und tigerte durch den Raum. Sie merkte, wie sie vor Aufregung errötete und die Aufregung sich ins Unermessliche steigerte. Wieder nestelte sie am Saum ihres Kleides herum und setzte sich dann wieder hin. Als es an der Tür klopfte, stand sie sofort wieder auf. Es war jedoch die Angestellte und brachte Donna lediglich ihren Kaffee. Donna bedankte sich bei ihr und fragte nach ihrem Namen. "Ms Ladewig", sagte sie und strahlte sie an. "Vielen Dank nochmal, Ms Ladewig!", sagte Donna und setzte sich hin. Wieder fiel die Tür ins Schloss. Ruhe und Stille im Raum, Chaos und Hektik in Donnas Kopf.

Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wartens wurde erneut an die Tür geklopft. Schnell stand Donna auf und drei Männer und eine Frau kamen in den Raum herein. Sie gaben ihr jeweils die Hand und stellten sich kurz vor. Es handelten sich bei Ihnen um die Anwälte dieser Kanzlei. Mr. Lennox Lankford, Christian Sternberg, Kay Lopez und Leah Nightingale. "Der letzte Partner, Mr. Dietrich, verspätet sich ein wenig!", teilte Frau Nightingale mit. Donna nickte.

Mr Lankford übernahm das Wort und stellte ihr genau die Fragen, auf die sie sich vorbereitet hatte. Als Donna dies erkannte, ging die Aufregung nach und nach in Selbstbewusstsein über. Als sie bei der letzten Frage angekommen waren, klopfte es wieder an der Tür und ein weiterer Mann kam hastig herein. „Entschuldigt bitte die Verspätung. Es ist leider etwas dazwischen gekommen!", rief er atemlos.

Sie wollte sich gerade umdrehen und erstarrte sofort als sie ihn an seiner Stimme erkannte, denn sie konnte kaum glauben, wer gerade in den Raum kam.

Cursed Tenderness | ForbiddenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt