Kapitel 5

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Kapitel 5

Raphael Ragucci

Die kühle Morgenluft strömte durch meine Lungen, der Waldboden klang dumpf unter meinen Füßen während ich lief. Zu meiner Linken erhob sich der Wald auf einem Hang, ein kleiner Bach floss davor in Richtung Stadt. Stadtwasser hatte mir eine Infotafel an der Quelle circa einen Kilometer zuvor verraten.

Zu meiner Rechten lag ein Tal, gespickt mit Wiesen und Feldern. Es war früh, der Morgentau lag noch auf dem Gras und es war angenehm kühl. Ohne es wirklich zu bemerken war ich bergauf gelaufen, war nun auf einer Höhe mit dem kleinen Gebirge auf der anderen Seite des Tals, dort wo ich zuvor noch gewesen war. Ich hatte bereits einige Kilometer gemacht, meine Kondition war gut aber der Anstieg hatte mir etwas Puste gekostet.

Aus dem Wald führte ein weiter Weg auf den, auf dem ich lief, eine kleine Bank stand dort und kurz machte ich Pause, um den Schnürsenkel wieder zuzubinden, der mir eben aufgegangen war.

Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr, etwas Weißes lief an mir vorbei und ich sah auf.

Wenn mich nicht alles täuschte war es Selena, in Sportleggins und weißem Top, Kopfhörer auf den Ohren. Sie kam aus dem Waldweg heraus und bog auf meinen Weg ein. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Ich drehte mich herum, so, dass ich ihr im Weg stand. Sie war so konzentriert, dass sie zusammenzuckte, ehe sie stehen blieb. Ihre Augen wurden groß, sie fasste sich an die Brust. Sie nahm die Kopfhörer ab.

„Oh mein Gott.", entfuhr es ihr. Ihre Atmung ging schneller vom Joggen zuvor.

„Raphael reicht." Ich grinste. „Guten Morgen."

„Der war schlecht.", antwortete sie mir und sah schüchtern weg. „Guten Morgen."

„Du bist die Kellnerin von gestern.", stellte ich fest und ich sah, wie ihr Gesicht sich tomatenrot färbte.

„Das tut mir unendlich leid, sowas passiert mir eigentlich nicht aber...ich war so aufgeregt.", platzte es aus ihr heraus.

„Stopp mal kurz.", fuhr ich dazwischen. „Das war ein Unfall und mir tut es leid, dass ich so ausfallend geworden bin. Gehen wir ein Stück zusammen?"

Überrascht sah sie mich an. „Du willst ein Stück mit mir gehen? Ich meine...du bist...Raf...", stotterte sie sich zusammen und ich kam nicht drum herum, sie irgendwie niedlich zu finden. Ob sie RAF Camora Fan war? Wirkte zumindest so. Dann tat es mir doppelt leid. Wie blöd musste es sich anfühlen, wenn man die Person traf, von der man Fan war und die Person benahm sich wie das Letzte?

„Gerade bin ich nur Raphael. Komm.", forderte ich sie auf und sie nickte, ehe sie zu mir aufschloss.

„Selena heißt du, oder?"

„Ja. Woher weißt du das?" Ihre Atmung beruhigte sich ein wenig aber noch immer schaffte sie es nicht, mich anzusehen.

„Habe mitbekommen, dass Mara dich so angesprochen hat.", antwortete ich. „Also nochmal. Sorry, dass ich dich gestern so angebrüllt habe. Eigentlich bin ich nicht so aber manchmal steigt mir der Erfolg zu Kopf und ich vergesse meine gute Erziehung."

„War nicht nett. Du hast mir die Illusion über dich genommen.", meinte sie. „Aber es ist okay. Ich hoffe, du nimmst meine Entschuldigung auch an."

„Natürlich.", gab ich zurück. Eine merkwürdige Stille baute sich zwischen uns auf. Worüber redete man mit einem Teenager? Ich stellte fest, keine Ahnung zu haben. Wenn ich nach den Konzerten welche traf, übernahmen die meist die Gesprächsführung, erzählten mir, wie sehr meine Musik ihnen in schweren Zeiten geholfen hatte oder so etwas. Da war es leicht, Standartfloskeln zu antworten. Aber ein richtiges Gespräch mit einem jungen Mädchen?

Call me Mary / RAF CamoraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt