Kapitel 3

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Erschrocken klappte ich den Mund wieder zu und rutschte ein gutes Stück von ihr weg. Ihre blauen Augen funkelten wie Eiszapfen. Cole schüttelte den Kopf.

„Sie meint das nicht so, stimmts Sadie?", frage er.

„Doch.", knurrte sie.

„Nur weil Jamie ein Mal gesagt hat, dass er das witzig findet."

„Das war nicht nur Jamie!"

„Wie du meinst." Er zuckte die Schultern.

„Wieso bist du eigentlich hier auf dem Schiff? Du bist doch ein Mädchen?", rutschte es mir heraus. Soweit ich gewusst hatte nahmen die meisten Seefahrer keine Mädchen auf. Vor allem die Oceanwalker nicht.

„Das geht dich einen Scheiß an, Ungeziefer!", fauchte Sadie und sprang auf. Sie rannte über das Deck und zu den Männern, die gerade eine Kiste in den Frachtraum absenkten. Sie griff an der Kiste mit an, wurde aber schließlich von einem der Männer weggeschickt und verschwand schließlich durch die Tür zwischen den zwei Treppen, die auf das Oberdeck führten. Erschrocken starrte ich ihr nach. Dann wandte ich meinen Kopf zu Cole.

„Habe ich...? Was?", stotterte ich heraus. Er schüttelte wieder den Kopf.

„Sie ist da empfindlich. Sie und Faye sind die einzigen Mädchen hier und die Männer machen ihnen das Leben nicht leicht. Vor allem ihr nicht wegen...", er stockte. „Ist ja auch egal. Kannst du Knoten machen?" Lächelnd hielt er mir das Seil hin.

Zögernd nahm ich es ihm ab und machte einen der wenigen Knoten hinein, die ich je gelernt hatte. Einen einfachen Knoten eben. Wie man ihn in Alles machte. Ich reichte ihm das Seil wieder zurück.

„Hier. Nur der." Er grinst etwas belustigt und löste ihn wieder.

„Du hast noch eine Menge zu lernen, mein Freund. Zumindest einen Schotstek, Webleinstek, Kreuzknoten und Achterknoten solltest du kennen."

Ich blinzelte. „Hä?"

„Es heißt ‚wie bitte'. Die Basisknoten. Also, zumindest einen Palstek sollest du können, ohne den überlebst du hier nicht." Er legte das Seil zwischen uns auf die Bank. „Du machst hier eine Schlaufe. Dann-" Ein lauter Ruf unterbrach ihn.

„Fertig machen zum Ablegen! Alle Mann auf Position!" Zach stand auf dem Oberdeck und brüllte Anweisungen.

„Vergiss es. Später dann." Cole hängte sich das Seil um den Hals und knotete die Enden zusammen.

Männer liefen auf anscheinend angestammte Positionen. Letzte liefen über die Planke an Deck, bevor diese nach oben gezogen wurde und mit einem ohrenbetäubenden Donnern auf Deck landete. Es waren erstaunlich viele Männer. Große, kleine, dicke, dünne, aber alle schienen sie eine feste Aufgabe zu haben. Lange Zeit blieb mir nicht um sie zu beobachten. Eine Hand schloss sich um mein Handgelenk. Ich sah in Coles fast schwarze Augen.

„Ich brauch dich. Sonst macht Sadie das immer." Er zog mich vorne zur Spitze des Bugs.

Wenige Augenblicke später sauste ein Tau Haarscharf an meinem Ohr vorbei. Ich fuhr herum. Der Mann, der es geworfen hatte drehte uns schon wieder den Rücken zu.

„Als hättest du noch nie ein Schiff ablegen sehen. Hier, halten." Cole hatte das Ende des Taus durch einen Haken am Bug gefädelt. Erst jetzt fiel mir auf, dass an dem dicken Seil ein riesiges Stück hellblauer Stoff hing. Das Ende des Seils reichte bis nach oben zum ersten Mast. Mich von dem Anblick losreißend nahm ich ihm das Seil ab. „Focksegel spannen.", erklärte er mir, ohne dass ich gefragt hätte. „Macht das Wenden leichter. Zieh du oben, ich unten."

Wortlos stieg ich auf die Bank und zog am oberen Teil des Taus. Cole spannte die Leine und knotete sie schließlich fest. Dann setzte er sich auf der Backbordseite auf das Geländer des Bugs, die Füße auf der Bank und wies mich an, das Gleiche zu tun. Ich ließ mich auf der Reling der Steuerbordseite nieder und zwang mich dazu, keinen Blick hinunter zu werfen. Meine Fingernägel bohrten sich in das Holz. Meine Beine zitterten leicht. Bloß nicht nach unten schauen. Lieber nach vorne.

„Jetzt kannst du in Ruhe Leute beobachten. Wir müssen nur bescheid sagen, wenn wir zu nah an die Stege kommen." Na großartig. Ich hörte die Wellen unter mir bedrohlich rauschen und zwang mich dazu, lieber die Crew zu beobachten.

Zach erkannte ich auch vom Weiten. Er stand am Steuer und scheuchte Leute durch die Gegend. Über uns blähten sich die Segel leicht. Unten am Pier konnte ich gerade so erkennen, wie ein kleiner rundlicher Mann die Leinen löste, sie dem nach Fisch riechenden Mann an Deck zuwarf und sich dann am letzten Tau von ihm nach oben ziehen ließ. Mein Herz stolperte einen Moment, als ich sah, dass der nach Fisch riechende Mann keineswegs mehr normale Hände hatte unter den etwas schmuddeligen weißen Ärmeln ragten Scheren heraus. Scheren, wie die der kleinen Taschenkrebse, die unter den Steinen am Strand lebten, aber bei weitem nicht so klein, sondern länger als der Schürhaken aus der Schmiede. Mit den Scheren klemmte er das Seil ein und zog den Mann so Stück für Stück nach oben.

Das Schiff setzte sich langsam in Bewegung. Im Schneckentempo krochen wir aus dem Hafen. Jetzt musste ich mich doch wieder zwingen nach unten über die Reling zu schauen. Sofort ergriff ein unangenehmes Gefühl meinen Magen, aber ich hielt den Blick weiter auf den Abstand zwischen dem Schiff und den dunklen Planken des Piers gerichtet. An Deck wurden weiterhin Befehle und Kommandos gebrüllt. Mit einem Ruck, der mich fast nach hinten ins Wasser fallen ließ, wurden wir ein Stück schneller. Endlich konnte ich meinen Blick vom Pier lösen, der jetzt ein gutes Stück hinter uns lag. Das Schiff drehte sich. Wie verzweifelt klammerte ich mich an das Holz. Schwimmen konnte ich zwar halbwegs, aber sicher war ich mir nicht, ob mich irgendjemand hier wieder nach oben holen würde.

[Wie gesagt, die Updates werden vermutlich nicht so regelmäßig sein. Wenn's euch gefällt, dann gebt mir auf irgendeine euch erdenkliche Art und Weise Bescheid. Schönen Sonntag euch noch.]

Oceanwalker || Woodwalkers/Seawalkers FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt