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Juan

Das Rauschen der Flugzeugturbinen dröhnte mir ins Ohr. Stöhnend wachte ich auf und rieb an meine Schläfen. Meine Hand hatte Abdrücke von einzelnen Strähnen. Langsam rieb ich meine Augen und setzte meine Kopfhörer ab.
Der Flug nach Deutschland war definitiv nicht meine Entscheidung, aber irgendwie hatte ich in meiner Familie kaum was zu entscheiden.
Ich hatte bereits angefangen zu lernen und konnte schon die Grundkenntnisse, trotzdem reichten diese nicht aus um meine Sitznachbarin zu fragen, wie weit es noch war. Aber zum Glück konnte ich ja noch Englisch. „I'm sorry, but do you know when we will arrive in Germany?", fragte ich heiser. Sie schaute mich an und lächelte. „Well we'll probably arrive in ten minutes!"  Ich lächelte sie ebenfalls an und legte meine Kopfhörer wieder auf. Noch zehn Minuten und ich werde endlich meine neue Gastfamilie kennenlernen.
Ich bin zwar nicht so heiß darauf, aber es ist besser als unter der Brücke zu leben.

Nach fünfzehn Minuten landeten wir endlich und ich konnte endlich aus dieser engen Maschine aussteigen. Seufzend begab ich mich in einem Raum wo ich mein Koffer abholen konnte und verließ es dann schnell und hielt Ausschau nach meiner Gastfamilie. Sie hießen mit Nachnamen Winter.
Plötzlich entdeckte ich ein kleines Mädchen die ein Schild hochhielt, auf dem  mein Name stand. Zögernd ging ich auf sie zu und fragte:" Bist du Liane Winter?" Sie nickte und umarmte mich. Eher ungewohnt, aber ich ließ es über mich ergehen. Sie war recht aufgeschlossen und sehr nervös, da sie nicht wusste was sie tun sollte. Dann forderte sie mich aber auf ihr zu folgen und ich tat es ohne etwas zu sagen. Auf dem Weg war es sehr still, bis wir ins Auto einstiegen. Zwei Erwachsene saßen ganz vorne und hinten saß ein Junge, der aber in sein Handy vertieft war. Ich musterte ihn genau an, denn er war sehr attraktiv. Liane packte meinen Koffer in den Kofferraum und setzte sich ebenfalls ins Auto. Ich saß in der Mitte. Das ist das einzige was ich bei Autofahrten hasse. Der Junge schaute kurz hoch, musterte mich an und schaute wieder auf seinem Handy. Ich konnte in seine Augen sehen. Er hatte wunderschöne blaue Augen. Ich könnte mich sofort in ihn verlieben, wenn ich an Liebe auf den ersten Blick glauben würde und keine Freundin in Spanien hätte. Auf der Fahrt schaute ich ab und zu auf seinem Handy. Auch wenn ich nicht alles verstehen konnte, wusste ich das er mit jemanden schrieb, den er offensichtlich liebte. Vielleicht seine Freundin. Naja, wenn er sie als "Baby" eingespeichert hatte, dann konnte es nur seine Freundin sein. Wenig später holte ich mein Handy raus um mit Julia meiner zu schreiben, bis mich Liane ansprach. „Wie war der Flug?",fragte sie. „Muy bien", antwortete ich. Sie lächelte. Sie hatte mich also verstanden!? „In welcher Klasse gehst du?", fragte ich neugierig. „In die zwölfte. Wir sind in der Q2b. Mein Bruder Marvin ist in der Q2d, sagte sie. Wow, ich hätte nicht gedacht, dass sie in meinem Alter wäre.
Die Fahrt war sehr lang und still, was für mich angenehm war. Liane schlief und Marvin schrieb immer noch mit seiner Freundin. Ich hatte mein Handy beiseite gelegt und hörte nur noch Musik. Die Eltern ware auch sehr still und machten ihr eigenes Ding.

Als wir endlich ankamen, war es schon dunkel. Es war zwar fünf, aber dafür Winter sodass es früher dunkel wurde. „So Kinder wir sind da. Aussteigen!", rief die Mutter. Die Eltern waren sehr introvertiert. Ich hatte das Gefühl, dass sie keine Lust auf diesen Tausch hatten. Aber dieser Missverständnis löste sich schnell auf, nachdem mich die Mutter in den Arm nahm und mich Willkommen hieß, während der Vater mir nur die Hand schüttelte. Anscheinend wird in Deutschland viel umarmt.
Die Mutter öffnete die Tür und trat ein. Ich folgte ihr und zog meine Schuhe aus, da es in Deutschland sehr üblich war. Marvin und Liane folgten mir und zum Schluss betrat der Vater mit meinem Koffer das Haus. Es war sehr groß und gemütlich. Das Foyer führte ins Wohnzimmer und das Wohnzimmer war sehr groß. Die Wände und Möbel waren weiß, welches mir ein Krankenhaus Gefühl gab. "Juan wir haben schon das Gästezimmer für dich eingerichtet. Liane wird dir gleich das ganz Haus zeigen", sagte sie und ging in die Küche. Marvin ging zur Treppe und ging auf seinem Zimmer. Er wollte wirklich nicht reden...
Liane nahm meine Hand un führte mich ebenfalls nach oben. Schnell schnappte ich nach meinem Koffer und zog es hinter mir her. Als wir oben angekommen waren, sah ich Marvin der am Ender der Flur auf seinem Bett lag und schrieb. Ich konnte nicht anders, als hin zu schauen. Er bemerkte dies und knallte die Tür zu. Von unten hörte ich wie der Vater Marvin Namen schreit. Das macht er anscheinend öfters. Liane bemerkte dies und schmunzelte. "Nimm es nicht persönlich. Marvin ist generell introvertiert. Er redet nur mit Lydia", murmelte sie. Ich schaute sie fragend an. "Seine Freundin", ergänzte sie. Ich rollte mit den Augen.

Nachdem sie mir das Haus zeigte, ging ich auf mein Zimmer und schmiss mich aufs Bett. Das Bett war schon bezogen. Schlafen könnte ich nicht mehr, da ich schon im Flugzeug geschlafen hatte. Wenig später kam Liane ins Zimmer und setzte sich auf meinem Drehstuhl. Ich schaute sie an und zog eine Augenbraue hoch. "Mir ist langweilig und ich dachte ich könnte dich eben ein bisschen kennelernen", sagte sie. Langsam setzte ich mich hin und legte mein Handy weg. "Na gut! Erzähl was über dich!", forderte ich sie auf. "Also ich bin Liane Winter, aber das weißt du ja. Ich bin 17 Jahre alt und gehe in deiner Klasse. Aber an sich sind das banale Informationen. Ich habe noch keinen Freund, aber ich bin auch gerade nicht auf der Suche nach einem Freund", redete sie vor sich hin. Ich weiß, dass es nicht höflich war, aber ich hörte nicht hin. Sie meinte es zwar gut, aber ich rede generell nicht viel. "Und was ist mit dir?", fragte sie. "Ehm, ich bin Juan Diaz. Ich bin aus Spanien und habe dort eine Freundin", sagte ich etwas desinteressiert.
Schließlich stand sie auf und verließ mein Zimmer. Vielleicht habe ich sie mit meinem Verhalten verscheucht, denn ich sah deutlich wie das Lächeln auf ihrem Gesicht erlosch. Es war zwar kein guter Start, aber ich konnte mich nicht von einem Tag auf den anderen ändern.

Can I trust you?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt