16. Oberteile und Unterwäsche

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Ich höre wie meine Mutter zur Tür huscht. „Hallo Tyler." erklingt die freundliche Stimme meiner Mum.
Mein Herz klopft höher.
Ich strecke mich auf der Couch, um die Tür in mein Sichtfeld zu erhaschen, aber es ist aussichtslos. Also steige ich auf und husche in die Küche, um dort um die Ecke luschern zu können.
Tyler hat eine kleine schwarze Sporttasche bei sich, die er vor der Treppe abstellt.
„Hallo, Frau-"
„Nana." unterbricht ihn meine Mutter. „Jetzt kannst du mich Sophie nennen." Sie zwinkert ihm zu.
„Hallo, Sophie." er lächelt sie höflich an.
Tyler sieht sich mit einem musternden Blick um, dann fällt dieser auf mich. „Hailey." ist das einzige was er sagt. Danach wandern seine Augen weiter durchs Erdgeschoss, bevor er seine Tasche nimmt und fragt, wo denn sein Zimmer sei.
„Komm mit, ich zeige es dir."
Damit verschwinden meine Mutter und Tyler nach oben.
Gut, die Begrüßung hätten wir dann auch hinter uns gebracht. Ich schnaufe.

****

Ich liege auf dem Bett mit einem Buch in der Hand, als Tyler an meinem Zimmer vorbeigeht. Ein paar Sekunden später höre ich ihn zurückkommen. Er stellt sich in die Türschwelle und guckt mich an. „Suchst du was?" frage ich und ziehe eine Augenbraue hoch.
Seine Augen formen sich zu Schlitzen. Er hebt seinen rechten Arm und hält sich am oberen Türrahmen fest. Seinen Oberkörper lehnt er ein wenig nach vorne. Unter seinem T-Shirt sehe ich seine Muskeln spielen. „Was machst du?" fragt er.
Ich schaue auf mein Buch. „Lesen."
„Ah ok." Er löst sich aus seiner Pose und ohne sich noch einmal umzudrehen geht er aus meinem Zimmer. Ein paar Sekunden später höre ich wie die Tür seines neuen Zimmers ins Schloss fällt. Den Rest des Tages kommt er da auch nicht wieder heraus. Sonntags sehe ich ihn auch nicht. Ich lege meine Sachen für morgen raus. Nach langem Überlegen entscheide ich mich für eine weite Jeans und ein Top mit Leoparden-Print. Der Ausschnitt ist zwar tiefer als gewünscht, aber ich habe eh vor eine Sweatjacke drüber zuziehen.
Müde krabbele ich unter meine Decke und schlafe innerhalb drei Sekunden ein. Tyler kümmert mich nicht.

Am Montagmorgen treffe ich ihn am Frühstückstisch. Er sitzt schon unten über seiner Schüssel Cornflakes gebeugt, als ich runterkomme. Er guckt auf und es sieht für einen kleinen Augenblick so aus als würde er sich an der Milch verschlucken. Er starrt auf meine Oberweite. Vielleicht sollte ich mir doch ein anderes Oberteil anziehen.

„Seid ihr noch nicht los?" fragt meine Mutter, die in diesem Moment die Küche betritt. „Du meintest doch heute wäre irgendeine Veranstaltung an der Schule."
„Fällt eh niemandem auf, wenn-"
„Tyler! Ich will sowas nicht hören." unterbricht ihn meine Mutter.
Er stellt die leere Schüssel mit einem Grinsen in die Spüle und geht mit harten Schritten aus der Haustür. „Wenn du mit willst, schwing dein Arsch ins Auto." ruft er mir noch zu.
Perplex schaue ich meine Mum an, die sich allerdings schon wieder abgewandt hat.
Ich schnappe mir den Pulli, der auf der Kommode im Flur liegt und eile hinaus zu Tyler ins Auto.

„Du solltest dir was überziehen." murrt er nach zehn Minuten stiller Fahrt. Sein Blick ist immer noch starr nach vorne gerichtet.
„Übertreib mal nicht." Ich verdrehe die Augen und schaue aus dem Fenster.
„Ich meins ernst. Lange kann ich mich nicht beherrschen."
Mein Kopf schnellt herum. „Was?"
Nun wendet er sich mir zu. „Ich sagte ich kann mich so nur schwer beherrschen. Und du willst doch keinen Unfall bauen."
Mein Atem geht schwer. Doch bevor ich was erwidern kann schaut er schon wieder auf die Straße. Ich starre ihn nur von der Seite an.
„Ok, chill. War jetzt auch kein großes Ding."
Den Rest der Fahrt sitzen wir schweigend aus.

Als ich aussteige kommt mir ein kalter Luftzug entgegen. Es ist doch kälter als ich dachte. Ich schüttele den Pulli, den ich im Hinauslaufen gegriffen habe, aus, um ihn mir überzuziehen.

Ich merke wie sein Blick auf mir ruht.

Als die Gruppe an uns vorbeikommt, bleibt Tyler bei mir stehen und beugt sich leicht zu mir herunter. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass das mein Pulli ist, den du da trägst." flüstert er mir ins Ohr. „Auch wenn mir der Gedanke gefällt, dass deine Brüste ihn von innen so wunderbar füllen, hätte ich ihn doch gerne zurück." Er stellt sich wieder gerade hin und seine Mundwinkel heben sich. Ich schaue mich um, ob uns irgendjemand zuhört oder sieht, aber niemand scheint uns zu beachten.
„Oh, also soll ich doch in meinem Oberteil rumlaufen?" Ich stelle mich aufrecht hin und schaue ihm tief in die Augen.
Er mustert mich mit mürrischem Blick.
„Ach fick dich." sagt er und geht zu seiner Freundesgruppe.

Die Veranstaltung vergeht schnell und ohne Vorkommnisse. Tyler hat sich in den hinteren Teil der Aula verzogen, während ich mit Celine weiter vorne sitze. Ab und zu drehe ich mich unauffällig um, um nach Tyler Ausschau zu halten. Einmal kreuzen sich unsere Blicke. Ich wende meinen schnell wieder ab, merke aber, dass seiner noch auf mir ruhen bleibt.

Am Nachmittag gehe ich noch kurz in die Stadt. Meine Mutter hat mich gebeten ein paar Dinge zu besorgen. Und wo ich gerade dabei bin, kann ich mir auch etwas gönnen. Ich betrete einen Unterwäscheladen. Die alte Frau hinterm Tresen mustert mich eindringlich, setzt dann aber ein freundliches Lächeln auf.
Ich schnappe mir ein paar Kleidungsstücke in rot, rosa und schwarz.  Ich habe zwar niemanden der sie sieht, aber dennoch sollte jede Frau sich auch ohne die Bestätigung eines Mannes sexy fühlen können. An der Kasse schmerzt mein Herz, als die Kassiererin mir den Preis mitteilt. Wenn sich das nicht irgendwann mal lohnt.

Wieder zuhause räume ich die Einkäufe in den Kühlschrank und verschwinde in meinem Zimmer.
Celine und ich haben uns für heute Abend zu einem Mädelsabend verabredet, also richte ich alles her und setze mich schließlich an die Hausaufgaben.
Ich will mich gerade der Matheaufgaben widmen, als sich die Tür öffnet.

Tyler.
Er steht im Türrahmen und mustert mich. „Ist was?" frage ich leicht nervös. Er sagt nichts. Nach ein paar Minuten Stille wandert sein Blick durchs Zimmer. Als er an meinem Bett angelangt, werden seine Augen größer und seine Pupillen weiten sich. Es sieht fast so aus als würde in seinem Blick aufblitzen. Was hat er? Als ich mich auf meinem Stuhl umdrehe, schnappe ich nach Luft. Meine neu gekauften Unterwäsche-Sets liegen verstreut auf dem Bett rum. Sag was, Hailey. Doch ich stammele nur ein paar zusammenhanglose Silben vor mich hin. Tyler scheint sich wieder gefasst zuhaben. „Zieh das rote mal an." er lächelt mich verschmitzt an. „Raus." sage ich in einer erstaunlich ruhigen Tonlage. Er schaut mich an und leckt sich über die Unterlippe bevor er sich aus dem Türrahmen zurückzieht.
Mir steigt das Blut in den Kopf. Schnell huschte ich zur Tür, um sie zu schließen.
Zum Glück müsste jeden Augenblick Celine vorbeikommen und dann muss ich heute nicht mehr raus aus meinen vier Wänden.

Don't do it again. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt