Chapter 2

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Den ganzen Weg zum Flughafen schwieg ich. Ich meine es gab ja auch nichts mehr zu sagen zwischen mir und meiner Mutter. Natürlich hätte ich gerne mit meinem Vater gesprochen, denn der war schließlich schuld daran, dass ich mich nicht einmal mehr von meiner besten Freundin hatte verabschieden können. Aber der war natürlich schon am Morgen vorgeflogen, mit den Worten:

"Damit ihr euch auch auf was freuen könnt wenn ihr kommt!"

Ja klar. Hallo?! Erde an Richard May: Deine Tochter ist nicht mehr 5!

Am Flughafen angekommen, stieg ich sofort aus dem Wagen und ging zum Schalter, um dort mein Gepäck abzugeben. Meine kleine schwarze Handtsche nahm ich mit. Dann wartete ich noch gefühlte 10.000 Stunden auf meine Mutter. Okay, sie brauchte nur 30 Minuten, schlimm genug. Als sie endlich ankam, musste ich sie weiter drängen, mal ein bisschen schneller zu machen. Unglaublich, wo sie doch vorher gar nicht schnell genug wegkommen konnte.

Im Wartebereich mussten wir dann nochmal eine gefühlte Ewigkeit warten, bis unser Flug endlich aufgerufen wurde. Ich stand langsam auf um mich in Richtung Gangway zu bewegen, ohne in den Massen zu verschwinden, die es offenbar alle eilig hatten nach Deutschland zu kommen.

Plötzlich fiel mir aus dem Augenwinkel etwas auf. Naja, besser gesagt war es das, was einem eher nicht auffiel. Ganz am Rand und ohne auch nur Anstalten zu machen mit den restlichen Leuten im Flugzeug zu verschwinden, stand ein Mann, mittel groß, weiß und normal gekleidet(zu normal), und starrte mich direkt an.

Das glaubte ich jedenfalls, denn als ich mch umdrehte und nochmal hinschaute, war er nicht mehr da.

Ich beschloss mir keine Gedanken darüber zu machen, stattdessen sagte ich mir:  Du stehst unter Stress. Da kann das schon mal vorkommen, dass man Sachen sieht, die nicht da sind und starrte die nächsten zehn Stunden, mit meinem pinken Beats auf den Ohren, den Sitz vor mir an.

 Doch eigentlich wusste ich schon zu dem Zeitpunkt, dass ich mir den Mann nicht nur eingebildet hatte und, dass ich ihn nicht zum letzten Mal gesehen hatte.

                                                                                *

23 Stunden, fünf Toilettengänge, zwei lauwarme Toasts und zwei Taxifahrt-Stunden später, ließ ich mich völlig erschöpft auf mein neues Bett fallen (in meinem neuen Zimmer, in unserem neuen Haus). Also jedenfalls sollte es wohl mein Bett sein. Oder mein Zimmer. Oder unser Haus. Aber es fühlte sich alles nicht so an wie meins oder unseres. Kein Wunder, denn das Zimmer wurde mir ja auch einfach zugeteilt, genauso wie mein Bett, welches wahrscheinlich mein Vater für mich ausgesucht und für eine gute Idee gehalten hatte. War es aber nicht. Das Bett war weiß, was an sich gar keine üble Farbe ist. Nur war das ganze ein Himmelbett, das heißt darüber hing ein Tuch mit rosafarbenen Rosen.

Jepp. Richtig gelesen, rosafarben. Dazu muss man jetzt erstmal sagen, dass Rosa so überhaupt nicht zu mir passt. Ich war nämlich überhaupt kein Rosa-Typ. Meine Haare waren knall Rot gefärbt, ich trug grundsätzlich dunklen Liedschatten und dich schwarze Mascara, meine Klamotten beschränkten sich im Grunde auf Hosen, T-Shirts, Pullis und Jacken, die meistens ins Grau-, Schwarz- oder Lilatönen gehalten waren und ich lebte fürs Tanzen. Das ganze klingt nicht sonderlich nach jemandem, der zuhause Rosenmuster auf irgendwelchen Möbelstücken hat, oder?

Dazu konnte man nicht gerade behaupten, dass ich etwas anderes von meinem Vater erwartet hätte. Der kannte mich nicht besonders gut. Das war nämlich noch so eine Sache: Mein Vater war zu 97 Prozent nicht zu Hause. Dem entsprechend kannte er seine Tochter, also mich, auch nur zu 3 Prozent, was nicht gerade viel ist. Ich kann mich zwar noch vereinzelt an eine ferne Vergangenheit erinnern, in der ich mit meinem Vater auf Spielplätze gegangen bin und Sachen gemacht habe, die eine drei oder vierjährige halt so mit ihrem Vater macht. Aber das war alles bevor mein Vater durch sein Unternehemen reich geworden war, von dem ich, wenn ich ehrlich war, noch jicht einmal wusste was es denn überhaupt macht.

Tatsache war also, dass ich ihn nicht besser kannte als er mich. Sehr bitter, wenn andere Leute, wie Manager und Vizedirektoren, jemanden besser kennen, als dessen Tochter.

Ein leises Klopfen an der Tür leiß mich in die Wirklichjeit zurückkehren

"Ja?"

"Hallo, Jill, Schatz. Ich wollte dir nur sagen, ich hab dir ein bisschen was zum Essen gemacht. Maccaroni ´n' Cheese, wie du sie am leibsten magst."

Ich leibet Maccproni ´n' Cheese, besonders, wenn meine Mutter sie machte. Meine Mutter war früher mal eine sehr berühmte Köchin, in einem sehr berühmten Restaurant gewesen, bis sie mit mir schwanger wurde. Dementsprechend gut schmeckten dann auch ihre Maccoroni ´n' Cheese. Außerdem wurde mir jetzt auch bewusst, dass ich den ganzen Nachmittag auf dem Bett gelegen hatte und gegrübelt hatte und jetzt war ich tatsächlich ziemlich hungrig.Ich folgte meiner Mutter und genoss es einfach mit ihr da zusitzen und nicht zu reden, wie wir es schon immer gern gemacht haben.

Später am Abend ging ich hoch und versuchte zu schlafen. Denn noch etwas hatte sich mit dem Umzug nach Stuttgart geändert: Meine Schule. Ich sollte jetzt an ein Stuttgarter Gymnasium gehen und das bedeutete für mich: schlafen, schlafen, schlafen, wenn ich mich nicht an meinem ersten Tag gleich dadurch blamieren wollte, zu spät zu kommen.

Jill MayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt