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Noch Tage lang beschäftigten Dolly die Worte Laras; "Na gut, wir werden es sehen." Immer wieder ließ sie ihr Gesicht, das sie dabei gemacht hatte, vor ihrem inneren Auge ablaufen, wie es diese Worte wiederholte. Immer dichtete sie sich neue Gesichtszüge dazu, einen neuen Tonfall, doch wusste sie eigentlich- sie hatte es nicht so gemeint. Es war ein sarkastisches Statement, das vorherige Aufforderung unterstrich; sie sollte sie in Ruhe lassen. Es war ihr eine Qual, auch, wenn sie all die Jahre zuvor problemlos sie gemieden hatte, wann immer sie sah, in Kauerhaltung. Anders als viele andere verstand sie wohl ein Nein. Aber war es ein Nein gewesen? Sie musste es wissen, auch wenn sie...

Dolly hielt inne, merkte, wie ihre Gedanken immer und immer wieder den gleichen Bogen sponnen. Ihr Kopf tat von dem ganzen Karussell fahren schon weh. Deswegen versuchte sie sich auf den Unterricht zu konzentrieren, bis sie den Zettel saß. Er wanderte durch die Reihen, machte einen kleinen Bogen um sie herum, nachdem jeder andere einmal ihn in der Hand hatte, und kehrte schließlich wieder zum Absender zurück. Während Dolly versuchte, dem Zettel nicht mit ihren Augen zu folgen, was ihr nicht sonderlich gelang, wurde sie nun von der Seite angerempelt. Jay, der zu ihrem größten Leiden nur einen Sitz von ihr entfernt war, also neben ihrem Sitznachbarn saß, hatte einen ungewöhnlich langen Arm. So lang, dass es ihm ein leichtes war, sie von einem Meter her anzurempeln. Dolly fragte sich, weshalb Jay nie dafür aufgezogen wurde und weshalb der Autor so schlechte Anatomiekenntnisse hatte, und überhaupt, was er sich dabei gedacht hatte.

"Was glotzte so?", zischte Jay, "willste auch zur Poolparty? Die wollen aber keine Loser wie dich, tut mir ganz doll leid! Schließlich hat Charlotte Magarete von Hohenstein keine Zeit für Fehlmenschen, und Homos obendrein nicht". Dann stand er auf, und verließ der Unterrichtsraum, das es nun Pause geworden war. Dolly hörte das Gespräch Beas und Sophias, die Nebencharaktere, die als einziges Sprechrollen bekamen.

"Diggi, hast du gehört, Poolparty Mann!"

"Aber erst um 10, ich weiß nicht, ob mich meine Väter rauslassen werden."

Um 10 also... und bei Charlotte Magarete von Hohenstein- den Namen kannte sie gut. Ihre Väter kannten sich geschäftlich, und im gleichen Kindergarten waren sie auch gewesen. Bei ihr könnte Dorothea, die Reiche hinter den Kulissen sich sicher einschleimen, dass sie doch auf die Party könne. Auch, wenn natürlich niemand erfahren durfte, dass sie reich war, denn das war nämlich geheim, weil dann wäre Dolly nicht mehr in der Opferrolle, und damit wäre sie nicht mehr die überdurchschnittlich Hübsche, die trotzdem gemobbt wird, und die alle Leser sympathisch finden, weil sie Mitleid haben. Note to self: mehr Mobbingszenen einbauen.

Na ja, auf jeden Fall würde Dolly alles tun, um auf diese Poolparty zu kommen- alles um Lara im Bikini zu sehen. Deswegen fasste sie Mut. Sie ließ ihren Blick über den Schulhof schweifen, bis sie Charlotte erblickte. Sie stand fernab und rauchte, anders als das Bild, das ihr Name abgab, trug sie ein kurzes gelbes Trägerkleid mit blauer Lewis- Jacke. Ihr Haare hatten orange Spitzen, die ihr sanft sich in kleinen Locken kräuselnd über die Schultern fielen. Ein wunderschöner Kontrast. Das war nicht Dollys üblicher Beobachtungssinn, sondern eher ihr sapphischer (lesbischer) Beobachtungssinn. Aber das war aber jetzt egal, denn sie lief schnurstracks und unüberlegt auf die Gruppe von Rauchern zu.

"Ha- Hallo", stammelte sie, doch niemand schenkte ihr Aufmerksamkeit. Sie versuchte es nochmal; "Hi?"

Jared- Spencer erschrak, er wich auf drei Meter Abstand, ein löblicher Abstand, würde diese Geschichte während der Corona- Pandemie ablaufen, Jared- Spencer jedoch hatte Angst schwul zu "werden", weil man das ja auch wurde. (Das ist Ironie, für die Blöden, die das tatsächlich glauben. Wenn jemand generell keine Ironie versteht, dann tut es mir leid für euch, nein, ehrlich, ihr habt es schwer in der Gesellschaft, und besonders in meiner Gegenwart.)

"Was willste? Komm mir bloß nicht zu nah!", meinte der Jared- Spencer. Zwar hatte Dolly überlegt, das ganze einfach zwischen sich und Charlotte zu klären, jetzt jedoch bot sich eine bessere Gelegenheit, um doch noch auf die Poolparty zu kommen.

"Was gebt ihr mir dafür, dass ich ihm nicht näher komme?"

Charlotte zuckte mit den Schultern. "Eigentlich nichts, oder?", dann blickte sie in die kleine Runde. Celine lachte leise; "Ich würd' dir sogar was geben, dem näher zu kommen. Vielleicht wird er dann weniger verklemmt."

Jetzt redeten sie. "Was könntet ihr mir denn dafür geben?"

"Chill, das war doch nur n' Witz.", meinte Celine.

"Nee, jetzt mal ehrlich? Oder wollte ihr, dass Lara single wird?"

Charlotte runzelte die Stirn. Dann trat sie einen Schritt an Dolly heran, und meinte mit gesenkter Stimme; "Ich habe da so ein Gefühl, dass du genau das willst. Du kannst mich nicht täuschen, ich weiß, genau wie-" Da wurde sie unterbrochen von einem spitzen Schrei Jared- Spencers. "AAAHH, komm der bloß nicht zu nahe, sonst werde ich auch noch so!"

Charlotte kicherte wieder so künstlich, als sie das hörte. "Ja ja Spencerlein." Dessen Gesicht glättete sich wieder, als sie den Schritt zurücktrat. Doch Dolly spürte noch seine Panik. Dann wandte sich Jared- Spencer an die anderen, und meinte in die Runde;

"Also ich würde ihr wirklich viel geben, damit sie fern von mir bleibt." Und während ein betroffenes und leises Lachen umherging, dass alle sich mindestens in diesem Moment zugeben hätten, dass sie mit ihm befreundet waren, da er im Football- Team und beliebt war, und nicht, weil sonderlich klug.

Doch gerade Celine gab dann schließlich nach; "Lasst sie schon kommen, dann hört Jared- Spencer auf zu maulen." Und als Dolly überglücklich die Truppe verließ, hörte sie nicht mehr den tiefen Seufzer der Erleichterung, den Jared- Spencer ausstieß.

And they were roommates! | girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt