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Endlich war es so weit! Dolly hatte sich schon ihr schönstes Kleid zurecht gelegt, und ihr Herz klopfte vor Aufregung- alles schien so zu laufen, wie sie es sich vorgestellt hatte- zumindest in ihrem Kopf, wo sie die gesamte Party jetzt zum fünften Mal ablaufen ließ. Sie überlegte, ob sie sich Kontaktlinsen einsetzten sollte, um "normaler" zu wirken. Dann, zögerlich setzte sie sich eine zweite braune Linse ein, blinzelte ein wenig, und fragte sich, ob sie sich gleich im Spiegel noch erkennen würde- und sie tat es nicht.

(Hier muss jetzt die typisch cringige Beschreibung ihrer Augen folgen, um den "Trashpegel" aufrecht zu halten.) Dolly hatte von Geburt an ein tigeraugenbraunes und ein aquamarinblaues Auge, die jeweils wie Edelsteine funkelten. Und auch, wenn man Leuten generell in die Augen schauen sollte, so konnte sich niemand von ihren Augen lösen, so einzigartig waren sie. In ihrem linken braunen Auge waren, wie bei benanntem Edelstein, goldene Reflexe, vor allem, wenn sie ihre Augen von einem weg bewegte, und doch lag in diesem Auge eine Tiefe, die fast schon bedrohlich war. In ihrem Anderen währenddessen lag im kalten Blau eine Leere- ein Blau bei dem Dolly fand, dass es ihr inneres Gefühl gut beschrieb- wie die Farbe von Gletschereisschollen, geisterhaft. Deswegen fokussierten sich die meisten Menschen während sie mit ihr redeten auf das braune Auge.

Dolly hasste eigentlich nicht ihre Augenfarben, und das war erstaunlich, denn diese brachten ihr immer den ganzen Ärger ein. Ihr Herz krampfte sich zusammen bei dem Gedanken, sich so zu verstellen, wahrscheinlich würden sie Leute so oder so an den Haaren ziehen, versuchen in den Pool zu ziehen oder sich über sie lustig machen. Sie konnte es sich bildlich vorstellen. In dem sechsten geistigen Durchgang, den sie nun tat, stellte sie sich den Tatsachen. Sie stellte sich den Tatsachen, bis sie zitternd in sich kauernd schon nicht mehr wusste, ob sie wirklich zur Feier gehen wollte.

Als sich Dolly wieder in den Spiegel blickte, sich selbst musterte, stolperte Lara ins Bad. Sie schnaubte kurz, und schaute sie dann verwirrt an.

"Wo willst du so hin, Dorothea?"- Sie hatte anscheinend noch nicht erfahren, dass Dolly wegen den abstrusen Ängsten ihres Freundes auch zur Poolparty kommen durfte.

Dolly, die es eigentlich nicht mochte Dorothea genannt zu werden, war noch immer in etwas gefangen in ihrer Entscheidung, ob nun mit Kontaktlinse oder ohne gehen sollte. Deswegen fiel ihr nicht einmal ein, mit ihrer üblichen Schlagfertigkeit zu antworten, die sie sich so angewohnt hatte, und zuckte nur etwas zusammen, als sie Laras Stimme hörte.

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Sie sah fragil aus, wie sie das so stand, das fiel ihr jetzt auf, und auch zuckte sie ein wenig. Lara fasste sich ein Herz, denn es war ihr unangenehm, dass ihre Zimmernachbarin in solcher Verfassung sehen, es tat ihr fast schon... leid. Aber nein, sie hatte ja jahrelang zugesehen, wie sie getreten worden war und wie über sie gelästert worden war, es war ihr immer mehr oder weniger egal gewesen. Das konnte es nicht sein- nein, sie wollte sich bloß nicht die Laune verderben lassen, und überhaupt als eine ethische Person dastehen. Deswegen entschloss sie sich, einen sanfteren Ton anzuschlagen.

"Alles gut, Dorothea? Ich glaube, du musst dein blaues Auge nicht überspielen, wir wissen alle dass du es hast."

"Haha, viel Erfahrung beim Trösten hast nicht, oder?", fuhr es jetzt doch Dolly über die weinerlich fast bibbernden Lippen, etwas zynisch vielleicht. Wahrscheinlich wurde sie jetzt wieder zu doll wie der Autor- Lara mochte es nicht, wenn das geschah.

"Wow, du bist also auch nicht so herzlich", meinte Lara jetzt etwas kühler, das sie aber sah, dass es Dolly immer noch nicht besser ging, machte sie weiter wo sie angefangen hatte;

"Willst du zu der Poolparty? Dann würde ich das Kleid da nicht anziehen, das wird sowieso ruiniert. Zieh dir lieber was robusteres an, so ne Jeans und ein T- Shirt." Sie ging aus dem Bad und griff in Dorotheas Schrank, fischte herum, während Dorothea sie vom Bad her noch beobachte.

"Was machst du da?"

"Ich helfe dir, merkst du das nicht?", doch nun fragte sie sich, ob es angemessen war.

Dorothea rappelte sich auf, und stellte sich etwas neben Lara vor ihren Kleiderschrank. Lara hielt ihr eine Jeans hin- "Die passt doch ganz gut. Aber T-Shirts... ich glaube, da muss ich dir eins leihen, sind die alle von deiner Mutter?"

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Dollys Klamotten waren tatsächlich so zusammengestellt, dass sie nicht auffällig wirkte- niemand sollte wissen, dass sie reich war, das war nämlich ein geheimes Geheimnis weil... das wollte sie nicht sagen.

"Ich habe keine Mutter mehr."

"Oh. Tut mir leid, sollte nur ein Witz sein. Wie gesagt, hier guck mal, ich leih dir eins, keine Sorge", dabei reichte sie ihr nebenbei ein T- Shirt das sie ungewöhnlich schnell zur Hand hatte. "Also, wirklich, mein Beileid mit deiner Mutter, das war ein blöder Witz, wirklich."

Jetzt musste Dolly etwas lachen. "Nein, ich hatte auch nie eine Mutter, wir kennen uns nicht wirklich, ich glaube, sie sitzt in irgendeinem Steuerparadies, in ihrem Pool gerade und trinkt Cocktails, aber woher soll ich das wissen".

"Hat sie Geld, oder was?"

Ah, Scheiße, sie hatte zu viel gesagt.

"Wir kriegen nichts von dem Geld ab, sie hat meinen Vater betrogen, aber ja."

"Oh."

"Egal. Danke für die Hilfe, ich glaube, du willst nicht mit mir gesehen werden.", meinte Dolly jetzt. Sie brachte ein kleines Lächeln hervor. Dann schloss sie die Tür hinter sich, Lara hinter sich lassend, und schritt mit besserem Gefühl ihrer ersten richtigen Party entgegen, die sie in neunzehn Jahren hatte.

And they were roommates! | girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt