Tyron sah mich erwartungsvoll an. Mir war nicht klar, was ich tun sollte, doch ich folgte seinem Befehl und machte weiter "Lass uns hier raus, Dark!", kommandierte ich und ehe ich mich versah, griff er nach seinen Schlüsseln. Sein Blick lag grimmig auf mir und alles in ihm sträubte sich dagegen, doch er übergab sie mir trotzdem und ich riss sie ihm schnell aus den Händen, bevor er es sich anders überlegte. Obwohl es nicht wirklich danach aussah, als hätte er eine Wahl. Dann schubste ich ihn zur Seite, er fiel, schnappte noch nach meinen Haaren und wollte mich aufhalten, doch er erwischte mich nicht. Ich entkam seinen Fängen nur knapp und hastete zur Tür meiner Zelle, schloss sie auf und konnte Dark entfliehen. Daraufhin rannte ich zu Tyron und wollte auch ihn befreien, aber ich konnte erkennen, wie Dark hinter mir aufstand und zu mir hechtete. Die Zeit reichte nicht, um Tyron aufzuschließen, sonst würde er mich fangen und wir wären beide verloren. "Fang!", rief ich Tyron zu und warf den Schlüssel durch die Gitter in seine Zelle. Er fing ihn auf, gab kurz einen schmerzerfüllten Ton von sich und ließ ihn dann schnell fallen. Dark hatte uns fast erreicht, ich lief davon und versteckte mich. Ich konnte sehen, wie Tyron die Schlüssel vom Boden aufhob, die Zähne zusammenbiss und mit zittrigen Händen seine Zelle aufschloss. Doch Dark stand auf einmal vor ihm und wollte ihn abfangen. Tyron schlug ihn mit dem Ellbogen heftig ins Gesicht, woraufhin Dark kurz etwas benebelt war und Tyron so lange die Flucht ergreifen konnte. Er rannte zu mir, nahm mich an der Hand und zog mich mit ihm um die Ecke. Wir liefen die knarzenden Treppenstufen hinauf, und blieben an der nächsten Tür, die uns den Weg nach draußen blockierte stehen. Denn sie war verschlossen und Tyron hatte den Schlüsselbund schnell weggeworfen, nachdem er sich befreit hatte. Dark folgte uns immer noch und wir saßen nun endgültig in der Falle. Game over, dachte ich mir, doch ich lag falsch. Tyron ging einige Schritte zurück, legte seine Hand an meinen Arm und schob mich zur Seite. Dann nahm er Anlauf, rannte auf die Tür zu, die wie eine Barrikade vor uns prangte, sprang dagegen und durchbrach sie mit einem starken Tritt in die Mitte der Holztür. "Komm!", rief er in meine Richtung, packte mich wieder an meinen Arm und wir liefen weiter in die Freiheit. Ich blinzelte erst einmal, bevor ich mich an das grelle, blendende Tageslicht gewöhnt hatte, auch wenn hier nicht viel davon übrig war. Hohe Mauern und gigantische Hochhäuser, sowie monströse Gebäude, Fabriken und Lagerhallen erstreckten sich über dutzende von Kilometern und bedeckten den Großteil der Fläche. Dadurch waren die Straßen zwischen den Gemäuern, eigentlich keine Straßen, sondern eher enge, bedrängende Gassen und Schleichwege, die man nur zu Fuß passieren konnte. Als ich mich umsah, entdeckte ich auch nirgendwo Autos - nicht mal ein Einziges. Dafür standen eine Menge Motorräder an fast jeder Ecke. Wenn es auch keine normalen, anständigen Straßen gab, war es auch kein Wunder, dass sie keine Autos nutzten. Überall lag Müll auf den dreckigen, schlammigen Wegen und alles wirkte grau, düster, erdrückend und verkümmert. Viele Schrotthaufen türmten sich an den wenigen freien Grünflächen und jede Menge Bauteile von eingestürzten Häusern, lagen in Trümmern am Boden. Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich niemals gedacht, dass das Sombra ist. Eine kaputte Stadt, nur aus bedrohlich wirkenden Hochhäusern und dunklen Twieten bestehend. Außerdem sah ich auch keine Wentigos. Die Stadt, die eigentlich das Hauptzentrum und somit die überfüllteste und belebteste sein sollte, war einsam und verlassen. Wie musste erst der Rest der Verbotenen Zonen aussehen, wenn es hier schon so zuging. Ich hatte immer gedacht, Sombra wäre beeindruckend, nahezu überwältigend. Doch das Gegenteil war der Fall. Das machte mich ziemlich unsicher, daher fragte ich ungläubig "Das ist Sombra?". Tyron nickte und antwortete "Ja, ich weiß. Ein monumentaler Haufen Schrott. Du hast es dir bestimmt anders vorgestellt. Aber so ist es. Elend und Tod wo man nur hinsieht." Erst jetzt bemerkte ich das Blut, das an den Hauswänden klebte und wurde auf die Einschusslöcher in den zerstörten Gebäuden aufmerksam. Wir rannten weiter und Tyron erklärte mir "Bei den Wentigos gibt es keine Regeln, keine Gesetze, Vorschriften, Verbote, Rechte, keine Ordnung oder Strafen für Kriminalität. Sie tun was sie wollen und das endet dann meistens in einer Schießerei oder einem Massaker, wodurch sie hauptsächlich ihre Städte und sich selbst gegenseitig vernichten. Was ich damit sagen will ist, dass sie nicht zivilisiert sind und die meisten von ihnen sind Kriminelle. Und so wie hier, sieht es überall in den Verbotenen Zonen aus. Sie tragen nicht umsonst diesen Namen. Aus dem Grund, was du hier siehst, sind die Zonen für Menschen tabu und das ist auch gut so. Überall Leichen, Verderben und Blut. Die meisten Gebäude sind zerstört worden, deshalb lebt der Großteil der Wentigos auf der Straße. Siehst du das Lager da drüben?", fragte er und deutete zu einer großen Halle, dann redete er weiter "Sie haben nicht viel, aber Waffen haben sie im Überfluss. In der Halle werden Waffen gelagert. Es ist das größte Waffenlager, das es in den Zonen gibt. Und zwar so richtige Waffen, nicht nur Spielzeugpistolen für Kleinkinder. Da drin liegen einfach so unbewacht Revolver, Flinten, Sturmgewehre, Pistolen, Laser, Gasflaschen, Bomben und sogar Sprengstoff, wie Dynamit herum. Darum ist Sombra wohl die Stadt, die am meisten zerstört wurde und natürlich will sie keiner wieder neu aufbauen. Was würde es auch bringen? Die Wentigos können Sombra immer und immer wieder vernichten. Ihre Heimat interessiert sie nicht." Ich schluckte verkrampft. Das war wirklich schrecklich. "Du sagst, die meisten Wentigos leben nun auf den Straßen, aber hier herrscht eine Totenstille und ich sehe auch keine.", stellte ich fest. "Es sind fast alle von ihnen tot und die, die es noch nicht sind, wurden festgenommen und Dark übergeben. Er wollte nie, dass seine prächtige, glanzvolle Stadt, die seinen Namen ehrt, zu Grunde geht. Dark war immer stolz auf seine großen Bauwerke, bis seine Untertanen sie zerstörten. Nun sieht er es zwar immer noch nicht ein, Regeln und Systeme in die Zonen einzuführen, aber er will trotzdem, dass die Wentigos seine Stadt wieder neu errichten. Danach wird er sie töten. Und zwar alle Schatten in Sombra, um zu verhindern, dass sein Meisterwerk nochmal von ihnen zertrümmert wird.", erzählte er, als wäre es nur eine Gute-Nacht-Geschichte. "Ist dir das egal?", wollte ich ernsthaft wissen. Tyron lachte leise und meinte dann "So kann man es auch sagen. Wieso sollte ich mir für diese Idioten interessieren?" Ich sah ihn mit großen Augen an "Dir ist es also scheißegal, dass die sich gegenseitig abschlachten und, dass dabei Unschuldige und Kinder sterben?". Wieder huschte ein amüsiertes Lächeln auf seine Lippen "Unschuldige gibt es bei den Wentigos nicht und Kinder werden auch mal erwachsen und zu Mördern.", verkündete er. Ich blieb stehen. Tyron sah mich verwundert an und ich antwortete "Was bist du nur für ein Mensch? Du verurteilst jeden Einzelnen von ihnen und steckst alle in eine Schublade. Aber sie sind nicht alle gleich, es gibt bestimmt auch gute Wentigos, so wie es auch böse Menschen gibt. Das kann man nicht verallgemeinern, Tyron, weil jeder auf seine Weise einzigartig ist." Tyron schüttelte den Kopf "Nein, nicht bei Wentigos. Die sind alle nur barbarisch, mörderisch und böse. Das kannst du mir glauben. Ich hatte viel Kontakt mit Wentigos und kenne sie ziemlich gut, ich weiß, wie sie ticken, wie sie sich verhalten und was ihr Instinkt ist: Zu Töten. Das ist es was sie alle wollen und in meinem ganzen Leben hab ich noch nie einen Wentigos getroffen, der anders war, der mich nicht töten wollte oder der auch nur annähernd gut war. Je früher du das einsiehst, desto besser. Denn wenn du weiterhin Mitleid für sie empfindest oder sie nicht als Feinde ansiehst und nicht weißt, auf welcher Seite du stehst, wird das noch fatale Konsequenzen haben, denn hier heißt es kämpf um dein Leben, traue nur dir selbst, du kannst dich auf niemanden verlassen und zögere nicht für dein Überleben zu töten, denn das steht an oberster Stelle. Darum geht es hier und wenn du dich daran hältst, dann werden wir hier beide lebend rauskommen, das verspreche ich. Wir werden Sombra verlassen und am Ende werden nicht wir es sein, die untergehen, sondern die Schatten.", versicherte er mir und legte seine kalte Hand an meinen Oberarm. Ich schüttelte sie sofort ab, dann liefen wir weiter und schwiegen eine Weile, ich musste nachdenken und einen klaren Kopf bekommen, doch dafür war ich viel zu durcheinander. Dark hatten wir längst abgehängt und auch sonst begegnete uns kein Wentigos. Tyron lief ziellos, mit hängendem Kopf und betroffenem Blick nach unten, neben mir her und schien auch nachzudenken. Irgendwie war ich froh, dass ich ihn hatte. Wäre ich nun allein in Sombra, gäbe es für mich kein Entkommen, doch Tyron schien sich hier auszukennen, er war schon einmal in Sombra gewesen. Doch ich spürte seine negativen Gefühle und die schlechten Erinnerungen, die in ihm aufstiegen, wenn er daran denken musste, also löcherte ich ihn nicht mit unnötigen Fragen. Er war schon pessimistisch genug. So viele Fragen brannten mir auf der Zunge, doch ich wollte sie nicht stellen, da ich wusste, dass es ihm unangenehm war. Und ich wollte nicht, dass er sich schlecht fühlte. "Wieso nehmen wir eigentlich keine Waffen aus dem Lager mit, wenn sie unbewacht sind?" fragte ich verwirrt. "Überwachungskameras, die von Dark persönlich überwacht werden. Dann weiß er sofort, wo wir sind.", antwortete er knapp. "Aber wir brauchen etwas, um uns zu verteidigen.", beharrte ich stur. Tyron grinste "Wofür hast du denn, den coolsten, besten und schlausten Schattenjäger aller Zeiten an deiner Seite?"
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Wentigos - Wächter der Schatten *pausiert*
ParanormalSeit sie denken kann, ist Amara dafür ausgebildet worden, Schattenjägerin zu werden, doch was wenn sie gar nicht dafür bestimmt ist und merkt, dass sie einige dunkle Geheimnisse verfolgen. Und dann trifft sie auch noch Tyron, einen Schattenwächter...