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Mit verengten Augen musterte mich Alon, eine Hand an sein Kinn gelegt. "Es scheint, als wäre die Mission fehlgeschlagen. Sehr fehlgeschlagen.", schlussfolgerte er mit argwöhnischen Stimme und ich warf ihm einen genervten Blick zu. "Exakt, Herr Detektiv. Ich bin erschüttert von diesem gravierenden Rückschlag. Wie soll ich in seiner Nähe mein Gesicht in den nächsten zehn Jahren bloß zeigen? Ach, vergessen Sie es, ich kann ihn nie wieder unter die Augen treten.", seufzte ich theatralisch und breitete meine Arme aus. "Das würdest du nicht aushalten. Sieh dich nur an, deine Augenringe kann man sogar vom Mars aus sehen.", zischte Herbst grinsend und stieß ein Quieken aus, als ich in seine Seite kniff. "Unterschätze niemals deine Gegner, vor allem nicht, wenn dieser deine Schwächen kennt.", kommentierte ich und ein grimmiges Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, worauf Alon nur mit den Augen rollte.

Während ich mich von den verschiedenen Lehrern berieseln ließ, schweiften meine Gedanken immer zu zwei Dingen ab. Erstens, was wir nur mit Melody anstellen sollten, zweitens, welche meiner Klassenkameradinnen so doppelzüngig sein konnte, um Hochverrat zu begehen. Keine Frage konnte ich beantworten. Ich war froh, dass ich diesbezüglich meine Eltern hatte, denn sie kannten sich mit dem mehr oder weniger legalen Kram aus. Auch, wenn sie mir leidtaten. Ich wollte eigentlich keinen der beiden in mein Schlamassel reinziehen und ihre Hände meinetwegen schmutzig machen. Dem Schmutz, in welchem ich mich geradewegs zu suhlen schien. 

Mit hängenden Schultern ließ ich meine Füße über den vereisten Boden schleifen. Meine Augenlider waren so unendlich schwer, als bestünden sie aus Stein und würden jeden Moment zufallen. Ich blinzelte. "Beeil dich, sonst schläfst du noch im Stehen ein!", rief Alon, als ich den Blick hob, war er bereits bei der nächsten Straßenecke angekommen. Als Antwort stieß ich nur eine übertriebene Mischung aus Seufzen und Klagen aus, woraufhin er wieder zurückeilte und schlitternd vor mir zum Stehen kam.

Ich warf ihm einen leidenden Blick zu. "Ach, Anastasia, das wird schon. Der kriegt sich schon wieder ein, wird wahrscheinlich nur wegen dem Anschlag Unmengen zu tun haben.", munterte Herbst mich auf und ich nickte, doch weshalb tat es so weh? Für einen Moment starrten wir uns einfach nur an, ehe ich das Schweigen brach. "Ich werde noch in dieser Woche deine Haare schneiden. Weshalb hat deine Mutter das noch gar nicht erst gemacht?", beschloss ich und inspizierte ein weiteres Mal die braunen Strähnen, die bereits über seine Augen hingen. Er schüttelte sie und kämmte sie mit den behandschuhten Fingern auf die Seite. "Seit dem letzten Friseurtermin bei meiner Mutter hat sie mir geschworen, nie wieder etwas mit meinen Haaren anzustellen und meine Menschenrechte zu verletzen. Ach, ich bin noch immer nicht über das Trauma hinweggekommen.", erklärte der Junge mit theatralischen Stimme und ich musste zaghaft lächeln. "Wenn wir annehmen, dass du mir am Samstag oder so die Haare schneidest, wieso habe ich das Gefühl, nochmal davor sichergehen zu müssen, dass ich eine Risikolebensversicherung habe?", fügte er hinzu und ehe ich reagieren konnte, war er wieder losgelaufen. Mein Lächeln fror ein. Aus der Ferne konnte ich noch sein gackerndes Lachen hören. Genau genommen, konnte ich dieses auch noch hören, als ich abends im Bett lag und die weiße Decke über mir anstarrte. Was zur Hölle passierte nur mit mir?

꧁soundless snow꧂Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt