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Jisung PoV

Ich zwang mich so gut es ging durch den Tag, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass ich langsam paranoid wurde. Jede Sekunde hatte ich das Gefühl, dass Minho hier wieder auftauchen könnte und das machte mich verrückt.

Trotzdem konzentrierte ich mich so gut es ging darauf, weiter zu tattoowieren. Einfach Schluss machen, wann ich wollte oder erst gar nicht anfangen, kam überhaupt nicht in Frage.

"Baby?"

Ich drehte mich um, doch da war niemand. Kein Minho.

"Könnten Sie vielleicht weiter machen? Mir wurde gesagt, hier wäre ein professionelles Studio, aber ich bekomme langsam einen ganz anderen Eindruck.", beschwerte sich meine Kundin und wären wir kein professionelles Studio, hätte ich sie mit dem halb fertigen Tattoo wieder rausgeworfen, einfach weil sie mir schon die ganze Zeit über so auf die Nerven ging.

"Tut mir leid. Ich dachte, man hätte nach mir gerufen.", entschuldigte ich mich und machte weiter.

"Haben Sie mir gerade auf die Brüste gestarrt?!", fragte sie entrüstet. Ich hasste anstrengende Kunden so sehr. Sie wollte sich das Tattoo doch seitlich am Brustkorb stechen lassen, also sollte sie sich hier nicht so aufspielen. Zumal ich wirklich nichts gemacht hatte.

"Nein, habe ich nicht. Ich bin voll und ganz auf Ihr Tattoo konzentriert und außerdem bin ich schwul."

"Sie sehen überhaupt nicht schwul aus.", entgegnete sie. Zum Glück war ich gleich fertig. Noch viel länger würde ich das nicht aushalten.

"Das sieht nach Ihren Vorstellungen vermutlich keiner von uns dreien.", meinte ich, denn nicht nur ich und Changbin hatten Interesse an Männern, weshalb in unserer Küche auch ein "Eat the straights"-Schild seinen Platz gefunden hatte. Eigentlich wollte Changbin es im Studio aufhängen, sich davon konnten wir ihn glücklicherweise noch abhalten.

"Wie... Die anderen, die hier arbeiten sind auch...?"

"Jap, alle beide."

"Also leben Sie drei in einer Dreierbeziehung?", fragte sie und allmählich wechselte ihre leichte Abneigung zu Interesse.

"Nein, nein. Wir haben alle unsere Interessen bei Personen außerhalb des Studios."

"Was ist mit Ihnen? Haben Sie einen Freund?"

"Das ist ein bisschen komplizierter im Moment.", erklärte ich.

"Also haben Sie jemanden, den Sie mögen?"

"Ja, das habe ich."

"Mögen Sie mir von ihm erzählen?"

"Wie wäre es, wenn Sie sich stattdessen Ihr Tattoo ansehen?", fragte ich und legte die Tattoowiermaschine beiseite.

"Ist es fertig?"

Ich nickte, woraufhin sie aufstand und zu dem großen Spiegel ging, um es ansehen zu können.

"Woah... Das ist wirklich hübsch geworden."

"Vielen Dank."

Ich erklärte versorgte das ganze noch, erklärte ihr, was sie damit machen könnte und was nicht, und ging dann mit ihr zum Tresen mit der Kasse, auf den Changbin gestern Minho's Blumen gestellt hatte, wo sie bezahlte. Direkt daneben stand heute ein neuer Karton, auf dem fein säuberlich mein Name geschrieben stand. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich es sah. Minho meinte es also ernst.

"Uhh die sind aber schön.", meinte meine Kundin und sah sich die Blumen an. "Wo haben Sie die denn her? Vielleicht schaue ich da auch mal vorbei."

"Die waren ein Geschenk.", antwortete ich. "Ich weiß nicht, wo er sie her hatte. Tut mir leid."

"Etwa von einem heimlichen Verehrer? Wie romantisch..."

"Nicht ganz. Die sind von meinem... Was auch immer wir sind.", antwortete ich.

"Verstehe schon. Ihnen noch einen schönen Tag und viel Erfolg mit Ihrem Freund.", verabschiedete Sie sich.

"Ihnen auch noch einen schönen Tag.", verabschiedete ich mich und verschwand mit dem Paket wieder in meinem Zimmer. Ich fragte mich, was ich außer einem Brief finden würde, denn dieses Mal waren es offensichtlich keine Blumen.

Ich öffnete das Paket und mir kam der angenehme Geruch von Hähnchen entgegen. Was sollte ich zuerst machen? Essen oder den Brief lesen? Mein Magen gewann diese Entscheidung und ich ging in die Küche, um in Ruhe mein Hähnchen zu essen. Es war sogar noch warm, also konnte ich Minho nur ziemlich knapp verpasst haben.

"Darf ich auch was?", fragte Chan, als er mich bei meinem Abendessen sah, doch ich schüttelte den Kopf.

"Komm schon, Ji. Das ist mein Lieblingsessen..."

"Meins auch. Deshalb hat Minho es mir ja auch gebracht."

"Minho hat dir Hähnchen gebracht?", fragte er und suchte sich stattdessen selbst etwas zu Essen im Kühlschrank.

"Ja. Er hat auch einen Brief dazu gelegt, aber den hab ich noch nicht gelesen. Ich musste erstmal was essen."

"Sind von ihm auch die Blumen, die seit gestern unten stehen?"

"Ja, er hat sie mir mit der Vase und einem anderen Brief zusammen gegeben. Ich glaube, dass er sich wirklich entschuldigen will."

"Also würdest du ja sagen, wenn er dich jetzt fragen würde, ob ihr wieder zusammen sein wollt?"

"Nein, noch nicht.", antwortete ich. "Ich will sicher sein, Chan. Ansonsten habe ich zu sehr Angst, dass es nochmal passiert."

"Das wird er schon nicht. Ich bin mir sicher, dass Minho auch aus seinen Fehlern gelernt hat.", meinte er und machte sich schnell drei Packungen Ramen.

"Trotzdem will ich sicher sein, dass er es ernst meint.", sagte ich und aß den Rest meines Hähnchens. "Sei mir nicht böse, dass ich nicht mit dir esse, aber ich will wirklich wissen, was er mir geschrieben hat."

"Das geht schon klar. Bin kommt auch gleich und isst mit mir. Was denkst du warum ich drei Portionen gemacht habe?"

"Vielleicht hattest du ja einfach Hunger oder so.", antwortete ich und räumte dabei den Müll weg, den ich gemacht hatte.

"Ließ lieber schnell deinen Brief, Ji. Bevor Changbin ihn findet."

"Mach ich."

Ich verschwand in meinem Zimmer und setzte mich mit dem Brief auf mein Bett. Den gestrigen hatte ich in meinen Nachttisch getan, damit ich ihn jeder Zeit wieder finden konnte.

Jisungie.

Es tut mir leid, dass ich mich im vergangenen Jahr nicht um dich gesorgt habe. Ich hätte mit dir auf Dates gehen sollen, dir etwas kochen sollen, nur damit du mich am Ende auslachst, weil es nicht besonders gut geworden ist und mich das frustriert, weil ich immer nur das Beste für dich will. Ich weiß, dass das Hühnchen kein Ausgleich ist, um das alles wieder gut zu machen, aber ich weiß auch, dass du es zumindest damals noch über alles geliebt hast. Du hast mich schon aus dem Bett gezerrt, weil du unbedingt dieses Hühnchen essen wolltest, und auch wenn es drei Uhr morgens war, hab ich es genossen, weil es dich glücklich gemacht hat. Egal wie beleidigt du danach noch warst, weil ich dir nicht auch noch Eis geholt habe. Deshalb hoffe ich, dass es dir immer noch schmeckt und dass es nicht allzu kalt geworden ist, bis du es bekommst. Ich hab extra versucht, es möglichst nah an deinen alten Abendessenzeiten vorbei zu bringen, damit es noch möglichst gut schmeckt, denn Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Lass es dir gut schmecken.

In Liebe,
Minho

"Es war mein Lieblingsessen, weil wir es immer zusammen gegessen haben..."

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Under our skin || MinsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt