Besichtigung

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Am nächsten Morgen machen Clemens und ich uns schon früh auf den Weg nach Berlin. Wir haben gestern schon ewig fantasiert, wie unser neues Leben wohl aussehen wird. Wir sind beide zu dem Entschluss gekommen, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, denn uns hält einfach nichts mehr in unserer momentanen Heimatstadt. Bei Clemens' Eltern ging es immer nur um das Geld, niemals um Familie. Selbst Weihnachten hat er als Kind bei uns verbracht. Meine Eltern sind leider beide früh verstorben. Ich hatte, was die Familie angeht nur noch Nick. Meine Freunde behalte ich ja, ich bin ja nicht aus der Welt. Auch wenn es mir schwer fallen wird, sie seltener zu sehen. Trotzdem freuen wir uns beide auf den Neustart und sind mehr als nur gespannt auf die Praxis und die Wohnung. Berlin ist eine tolle Stadt. Schon als Jugendliche habe ich mich in diese Stadt verliebt und mir vorgestellt, wie es denn sein würde, eines Tages dort zu leben. Komisch, wenn ich dran denke, dass dieser Traum wohl bald in Erfüllung geht.

Schon bald erreichen wir die Hauptstadt. Unser Navi führt uns nach Mitte. Bald erreichen wir das Mehrparteienhaus und parken unser Auto ganz in der Nähe. Das Haus war schon von außen ein Traum. Die Praxis liegt im Erdgeschoss. Die Wohnung ist direkt daran angeschlossen, das sind wohl weitere zwei Stockwerke. Wir klingeln an der Tür, die sich direkt öffnet.
"Herzlich Willkommen, Herr Dr. Winter!" Ein älterer, sehr sympathisch wirkender Herr spitzt aus der Praxistür heraus. Er streckt erst Clemens die Hand hin und dann mir.
"Sarah Miller", stelle ich mich vor. "Freut mich sehr."
"Die Freude ist ganz meinerseits. Ich bin Hans Kupfer", stellt er sich vor. "Haben sie gut hergefunden?"
"Ja, das haben wir", antwortet Clemens. "Eine tolle Lage!"
"Das stimmt", antwortet Dr. Kupfer. "Kommen sie rein, ich zeige ihnen alles. Wollen sie etwas Trinken?"
"Ein Glas Wasser wäre toll", sagt Clemens.
"Für mich auch, danke", sage ich, als er auch mich anschaut.
Er bedeutet uns, ihm zu folgen.
"Das hier sind die Praxisräume. Folgen sie mir, erstmal in den Aufenthaltsraum. Er führt uns in ein hell eingerichtetes Zimmer, mit einer kleinen Küchenzeile und einer bequemen Sitzgruppe. Er schenkt uns beiden ein Glas Wasser ein, welches wir dankend annehmen. "Hier unten in der Praxis können sie natürlich sämtliches Mobiliar übernehmen", sagt der Arzt. Er führt uns durch die Praxis. Sie verfügt über zwei voll ausgestattete Untersuchungszimmer, ein Labor, ein großes Wartezimmer und ein großzügiger Empfangsbereich, sowie den bereits genannten Aufenthaltsraum. Insgesamt ist die Praxis wirklich hell, freundlich und einladend gestaltet. Clemens sieht sich interessiert um, und die beiden Ärzte fachsimpeln ganz viel. Die Praxis hat auch die modernste Ausstattung, die man sich vorstellen kann.
Nach einer Weile, sagt Dr. Kupfer: "Ich zeige ihnen jetzt, wo sie wohnen werden." Hinter dem Labor führt eine Wendeltreppe hinauf. Er schließt die Tür auf, und wir kommen in einen hellen, lichtdurchfluteten Flur. Die gesamte Wohnung ist schon mit Kisten zugestellt, da sich der Arzt und seine Frau mitten im Umzug befinden. Er führt uns durch die Wohnung, beginnend in einer riesigen Wohnküche. Die Einbauküche, welche riesig und topmodern ist können wir gegen Ablöse übernehmen. Der Wohnbereich war Lichtdurchflutet, ein großer Balkon ist angegrenzt. Auch das Schlafzimmer, mit angrenzendem begehbaren Kleiderschrank sieht sehr einladend aus. Die Wohnung verfügt auch über ein geräumiges Arbeitszimmer, zwei Zimmern für hypothetische Kinder und zwei wirklich große Badezimmer, welche beide mit Badewanne und Dusche ausgestattet sind. Kurz gesagt: Es war traumhaft schön.
"Sie können theoretisch sofort einziehen, die Patientinnen fragen auch schon nach meinem Nachfolger, man kann es kaum erwarten, sie kennen zu lernen!"

Dr. Kupfer und Clemens kümmern sich nun um das "geschäftliche", und es wurden Verträge unterzeichnet. Wir machen dann einen Termin aus, für Umzug und Schlüsselübergabe. Es ist tatsächlich schon in drei Wochen soweit. Dann verabschieden wir uns. Vor der Tür küssen wir uns.
"Ich kann das noch gar nicht glauben", sagt er und lächelt mich an.
"Mir geht es ähnlich, aber ich freue mich so sehr!"
"Das wird toll! Wir werden eine Firma engagieren, die unseren ganzen Kram hierher befördert. Und ich glaube, wir statten Nick jetzt einen Besuch ab."
"Lass uns fahren", sage ich. Nicks Wohnung war nur einen Katzensprung entfernt.
Wir klingeln an der Tür und er drückt direkt auf. Wir schleichen uns nach oben zu ihm. Er streckt den Kopf aus der Tür.
"Was um alles in der Welt macht ihr denn da?"
"Überraschung!", rufe ich und falle meinem Bruder um den Hals.
Er drückt nun auch Clemens, bevor er uns rein bittet. Er war tatsächlich sehr überrascht. Wir setzen uns ins Wohnzimmer. "Ist euch daheim alleine langweilig geworden?"
"So ähnlich. Wir müssen dir was erzählen", sage ich euphorisch.
"Werde ich Onkel?"
"Nein", sage ich schmunzelnd.
"Wir haben gerade einen Vertrag unterzeichnet. Ich übernehme die Wohnung und die Praxis 4 Straßen weiter."
Nick schaut uns beide an. Er wusste gar nicht mehr was er sagen sollte.
"Was zum..." Er lächelte, dann drückte er erst ihn, dann mich. "Krank. Herzlichen Glückwunsch. Wann geht es los?"
"In drei Wochen", sagte ich. "Wir können langsam schonmal anfangen Kisten zu packen."
"Wahnsinn, wie schön. Das nenn ich mal Wiedervereinigung!"
"Aber hallo", sagt Clemens. Wir feiern zusammen den Neuanfang und essen schön zusammen, bevor Clemens und ich wieder nach Hause fahren. Dort schrieben wir dann beide unsere Kündigungen und beginnen den Umzug zu planen. Außerdem rufe ich Chris und Sullivan an. Ich wollte, dass sie es von mir erfahren, nicht von jemand anderem. Beide waren natürlich traurig, aber sie freuen sich auch für uns, und versprechen uns zu unterstützen und verstehen meine Beweggründe. Erschöpft fallen wir abends ins Bett.

Vom Pech und der NotaufnahmeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt