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Mein Wecker riss mich abrupt aus dem Schlaf. Scheisse, dachte ich mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck. Es war Montag morgen. «Stell das ab!», schnauzte mich Castiel genervt an. Sofort war ich hellwach und sprang förmlich aus dem Bett. Völlig in Gedanken versunken nahm ich das Handy aus meiner Jackentasche und schaltete den Wecker aus. «Ist es in Ordnung, wenn ich kurz duschen gehe?», fragte ich, etwas zu schrill. Doch Castiel wedelte nur mit seinem Arm. Ich nahm das als ja auf, verschwand in der Dusche und knallte aus Versehen die Tür hinter mir zu, was Castiel mit einem weiteren Stöhnen kommentiere. Schnell schloss ich ab und lehnte mich gegen die kühle Badezimmertür . Was um Himmels Willen war gestern geschehen? Ich atmete dreimal tief durch, zog mich dann aus und stellte mich unter die Dusche. Das Wasser prasselte auf mich herunter, ich schloss die Augen und dachte nach. Ich bin schon am Abend zum Entschluss gekommen, dass ich die Schule nicht schmeissen kann. Egal, was später aus mir werden würde, ich brauchte den Abschluss. Kurz dachte ich daran, mit dem Vertrauenslehrer darüber zu sprechen, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Ich wollte nicht schlecht über meine Eltern reden. Schliesslich war ich die Schuldige; Ich war nicht gut genug, ich hätte mehr üben müssen. Mit jedem Tag, an dem ich ihnen vormachte, ich würde sie später stolz machen, enttäuschte ich sie mehr und mehr. Sie haben so viel für mich geopfert, ich konnte ihnen das doch nicht antun, ich kann doch nicht einfach weglaufen. Panik kam in mir hoch und ich schluchzte auf. Ich wollte das alles nicht, ich musste wieder nach Hause... Ein Hämmern an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. «Wie lange brauchst du eigentlich? Stress mal ein bisschen, ich muss aufs Klo!», dröhnte es von aussen. Der ist ja gut drauf, dachte ich mir augenrollend, schaltete aber das Wasser ab und zog mir schnell neue Sachen an. Als ich die Tür aufschloss um ihn reinzulassen, drängelte er sich grummelnd an mir vorbei und schlug die Tür vor meiner Nase zu. Einige Sekunden lang starrte ich die Tür an. Er hatte mir gestern durch das Haar gestrichen! Wieso hatte er das getan? Wieso war er überhaupt dort gewesen und wieso war er betrunken? Ich fuhr mit den Händen durch meine Haare; dafür hatte ich jetzt keinen Nerv. Ausserdem waren wir spät dran. Schnell machte ich uns beiden einen Kaffee, trank meinen sofort, spülte die Tasse aus und packte meine Sachen zusammen. Ich war kurz davor zu gehen, als mir auffiel, dass Castiel immer noch im Bad war. «Scheisse», dachte ich nur und klopfte wild an die Tür. «Hey, alles in Ordnung? wir sollten los...» Die Zeit drängte echt, wenn er in drei Minuten nicht fertig vor der Tür stände, wären wir zu spät für die erste Stunde. Zähneknirschend wartete ich auf eine Antwort, bekam aber nur ein genervtes Knurren zu hören. Schliesslich zuckte ich mit den Schultern und verliess das Loft.

Natürlich hatte ich die Zeit unterschätzt, und so schaffte ich es kurz vor Ms. Delanay ins Chemiezimmer. Ich setzte mich schnell an meinen Platz und schlug mein Notizheft auf. Es war eine spannende Stunde, doch ich war nicht wirklich fokussiert. Bei jedem kleinen Geräusch zuckte ich zusammen und blickte verängstigt zur Tür. Jeden Augenblick würde die Direktorin ins Zimmer kommen und mich bitten, ihr zu folgen. Doch die Stunden vergingen, und als die Glocke und drei Uhr klingelte, atmete ich erleichtert aus. Er hatte die Chance dazu gehabt, vorbei zu kommen und mich mitzunehmen, aber es ist nicht dazu gekommen. Gerade wollte ich aufstehen und meine Sachen zusammenpacken, als ich aus den Augenwinkeln erblickte, dass Mr. Faraize auf Debrah zuschritt und ihr etwas zu erklären versuchte. Plötzlich schreckten alle zusammen, denn sie erhob ihre Stimme und brüllte den armen Mr. Faraize förmlich an. «Ich bin kein Laufbursche, sie haben doch seine Nummer, nicht? Regeln Sie ihre Sachen gefälligst selbst!», und mit diesen Worten stürmte sie aus dem Zimmer. Ach ja, fiel mir plötzlich auf, Castiel hatte wohl beschlossen, wieder mal zu schwänzen, denn er ist den ganzen Tag nicht aufgetaucht. Auch Debrah benahm sich komisch, sie hatte nicht viel gesagt und tippte die ganze Zeit, auch während dem Unterricht, an ihrem Handy herum. Doch mich scherte es nicht weiter, ich war nur froh, dass sie ausnahmsweise nicht an mir herumhackte.

Schweigend lief ich an den anderen Schülern vorbei und machte mich auf den Weg in den Park. Diese Woche hatten wir zwei Prüfungen vor uns und ich konnte es mir nicht leisten, schlecht abzuschneiden, auch so hatte ich schon genug Ärger am Hals. Der Park war ein sicherer Ort, es waren so gut wie immer ein paar Leute da und trotzdem war es ruhig genug, um effektiv lernen zu können.

Ich blickte erst auf meine Uhr, als es schon langsam begann dunkel zu werden, packte meine Sachen zusammen und nach kurzen überlegen entschloss ich mich dazu, noch kurz einkaufen zu gehen. Schliesslich konnte ich nicht von Castiel erwarten, dass er mich zwei Wochen lang durchfütterte. Kurzer Hand entschloss ich mich zu Fajitas zum Abendessen, in der Hoffnung, dass es uns beide ein bisschen aufmuntern würde, denn mir gefiel der griesgrämige Castiel ganz und gar nicht. Er war zwar meistens ein Arschloch, aber auch er hatte seine Grenzen. Und heute morgen war er definitiv ungewohnt schlechter Laune gewesen.

Vorsichtig schloss ich die Tür zum Loft auf, doch ich erblickte niemanden. «Castiel? Bist du da?» fragte ich zurückhaltend, seufzte, als keine Antwort kam und begann damit, die Lebensmittel in den Kühlschrank einzuräumen. Ich wartete eine Weile, doch als Castiel um zehn Uhr immer noch nicht aufgetaucht war, fing ich an, das Abendessen vorzubereiten, stellte für ihn was auf die Seite mit einem Klebezettel drauf, spielte noch eine halbe Stunde, damit ich wenigstens behaupten konnte, ich hätte heute geübt, ging dann aber duschen.

Es wurde halb eins und ich machte mir langsam Sorgen, war sogar kurz davor Debrah zu schreiben, denn auf meine Nachricht, die ich ihm vor knapp einer Stunde schrieb, antwortete er nicht. Ich starrte auf mein Handy und versuchte dabei, die vielen unbeantworteten Anrufe zu ignorieren, als es plötzlich zu vibrieren anfing. Es war meine Mum, doch ich schaffte es nicht, den Anruf anzunehmen. Zweimal versuchte sie es und danach kam sofort eine SMS. «Meine Liebe, ich hoffe es geht dir gut. Ich weiss nicht, was gestern zwischen dir und Nihaku vorgefallen ist, aber bitte, ruf mich doch zurück, nur dass ich weiss, dass du in Sicherheit und wohlauf bist. Ich weiss, diese blöde Wette ist wichtig für dich, uns wäre es aber lieber, wenn du nach Hause kommen könntest, wir haben einiges zu besprechen. Bitte, melde dich! Ich mache mir grosse Sorgen» Ich musste schlucken und eine Träne landete auf dem Bildschirm. Schnell tippte ich eine Antwort, dass es mir gut ginge, dass ich das jetzt aber durchziehen müsse, und sie sich keine Sorgen zu machen brauche. Es hörte ich lächerlich und kindisch an, das war mir bewusst, aber mit der Zeit hatte ich wirklich Angst vor dem was mich zuhause erwarten würde und nichts konnte mich dazu bewegen, das Aufeinandertreffen so weit wie möglich hinauszuzögern.

Anscheinend war ich mit dem Handy in der Hand eingeschlafen, denn ich bekam müde mit, dass es zu Boden fiel, als ich aufschreckte weil die Tür zum Loft aufgeschlagen wurde.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 23, 2021 ⏰

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