(2) Zwischen Weinen und Lachen

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»Ey, man. Alles klar bei dir?«

Die Stimme des Blonden reißt mich aus meiner Schockstarre. Ich fahre zu ihm herum, viel zu schnell und offensichtlich verschreckt, als dass ich seine Frage noch glaubwürdig mit ja beantworten könnte.

Jetzt, wo mein Adrenalinpegel langsam wieder absackt, kommt mir seine Stimme vage bekannt vor, aber angesichts meines Zustands versuche ich gar nicht erst, sie einzuordnen.

»Äh, ja. Schätze schon.« Ich senke meinen Blick gen Boden, um meine zitternde Unterlippe zu verbergen. »Ist ja alles gut gegangen. Danke fürs Dazwischengehen auf jeden Fall.«

Ich gebe mich so lässig ich kann, werde aber von meiner brüchigen Stimme verraten.

Scheiße, ich will auf keinen Fall auf offener Straße zu heulen anfangen.

Stattdessen beginne ich, an meiner Winterjacke herum zu zuppeln - ich habe das spontane Bedürfnis, mich irgendwie zu bedecken und somit den Schauplatz des eben Geschehenen vor den Blicken der umstehenden Männer zu verbergen.

»Klar, ist doch eine Selbstverständlichkeit. Sollte es jedenfalls sein.« Im Gegensatz zu mir klingt mein Gegenüber tiefenentspannt; ganz so, als gehöre diese Szene genauso sehr zu seinem Alltag wie das morgendliche Zähneputzen oder Brötchenholen. »Kanntest du den Affen?«

Ich schüttele nur den Kopf, immer noch aus Angst, ich könnte beim nächsten Satz in einen Heulkrampf ausbrechen.

Mein Gegenüber seufzt. »Naja, das hätte es wohl auch nich' wirklich besser gemacht, wa?«, kommentiert er seine eigene Frage.

Er hat Recht, trotzdem antworte ich nicht - immer noch in der Befürchtung, ich könnte zu weinen anfangen.
Stille tritt zwischen uns ein. Die Augen weiterhin niedergeschlagen beobachte ich, wie er sein Gewicht von der einen Seite auf die Andere zu verlagern beginnt. Seine Füße stecken in teuer aussehenden Marken-Sneakern.

Er scheint nicht recht zu wissen, wie er mit mir umgehen soll. Erst nach ein paar Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, erhebt der junge Mann seine Stimme wieder.

»Äh, ja. Kann ich irgendwas für dich tun, vielleicht? Wo willst du denn hin? Soll ich dich einfach schnell nach Hause fahren?«

Ich schlucke. Nichts liegt mir in diesem Moment ferner, als zu einem fremden Mann in ein Auto zu steigen.
Nichts für Ungut.

Grade räuspere ich mich, um sein Angebot höflich abzulehnen, da trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag. Plötzlich weiß ich wieder, warum mir die Stimme so bekannt vorkommt.

Um mich zu vergewissern, lasse ich meine Augen am Körper meines Gesprächspartners entlang zu seinem Gesicht gleiten.
Und tatsächlich: Die stechend blauen Augen, die mir eben schon aufgefallen waren, das markante Gesicht, der kurze Boxerschnitt.

Ich schnappe nach Luft. So langsam drängt sich mir der Gedanke auf, ich bin in einem total verrückten Traum gefangen.

»F..felix Lobrecht?«

Anstatt ihm auf seine Frage zu antworten, bringe ich nur diese zwei Wörter heraus.
Zwei wirklich dumme Wörter, wie mir postwendend auffällt: Vorausgesetzt ich kann meinem alkoholisierten Hirn vertrauen, dann ist das vor mir ziemlich offensichtlich Felix Lobrecht, eine Bestätigung seinerseits ist absolut nicht nötig.

Davon abgesehen klettert meine Stimme bei diesen Worten mindestens eine ganze Oktave in die Höhe. Das ist weniger einem Fangirl-Moment als viel mehr der Überforderung des Abends geschuldet, aber es ist wohl nicht davon auszugehen, dass er das ebenfalls entsprechend zu interpretieren weiß.

(zivil-) courage - felix lobrechtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt