(5) Chips und Kaviar

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Mit einem Selbstbewusstsein, das seinesgleichen sucht, baut sich Mabou  vor dem Türsteher auf. Wenn sie sich zu voller Größe aufrichtet, erreicht sie eine Körpergröße von schätzungsweise einem Meter achtzig.
Die Assoziation mit einer Amazone kommt wirklich nicht von ungefähr.

Unter ihrem Blick schrumpft ihr Gegenüber um ein paar Zentimeter, während Milo und ich hinter ihrem Rücken in Deckung gehen.

Vor dem Oblomov steht bereits eine ansehnliche Schlange an trinkenden und lachenden Leuten, an denen wir soeben schnurstracks vorbeimarschiert ist - Mabou natürlich voraus; uns im Schlepptau wie eine Entenmama ihre Küken.

Bleibt nur zu hoffen, dass uns das Publikum von „Chips und Kaviar" friedlich gesinnt ist und sich nicht weiter an unserer Dreistigkeit stört.

»Wir stehen auf der Gästeliste.« Mabous Stimme klingt genervt. Sie hört sich an, als wäre es bereits eine bodenlose Unverschämtheit, dass der Türsteher uns nicht schon bei ihrem bloßen Anblick die Tür aufgehalten hat.

Der Mann ist wie vor den Kopf gestoßen. Völlig perplex fängt er an zu stottern und braucht einen Moment, bis er überhaupt etwas Verständliches herausbringt.
Er ist mir sofort sympathisch.

»Ä..ähm, Verzeihung b-bitte. Sie d-dürfen das nicht mit rein nehmen, entschuldigen Sie        b-bitte.«

Mabous herablassender Blick fällt auf die Cola-Flasche, in der sie und Milo sich auf dem hinweg eine Wodka-Mische geteilt haben.
Kurzerhand drückt sie sie dem Türsteher in die Hand.

»Bitteschön. Der Rest ist für Sie. Also, was ist jetzt?«

Wortlos, die Augen groß wie Tennisbälle, hält uns der Mann die Tür auf. Die Gästeliste - vorausgesetzt, es gibt überhaupt eine - würdigt er keines Blickes.

Schmunzelnd schlüpfen Milo und ich hinter Mabou in den stickigen Raum. Armer Kerl.

»Du bist super, Mabou!«, zischt Milo, was sie mit einem kleinen Lachen beantwortet.

Es ist laut und bereits ziemlich voll. Bässe wummern so laut, dass ich mein Brustbein vibrieren spüre. Wie von allein schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen.
Ich liebe dieses Gefühl.

Während Milo uns kalte Getränke besorgt, schlängeln Mabou und ich uns durch die dicht gedrängte Menge bis an den Rand der Venue, von wo aus wir einen großartigen Blick auf die Bühne haben.

Der macht sich spätestens bezahlt, als Felix etwa eine halbe Stunde später endlich auf die Bühne tritt.

Während das Publikum um mich herum regelrecht ausrastet, genieße ich insgeheim die Möglichkeit, ihn in den kommenden Minuten vollkommen unbemerkt anhimmeln zu können. Und zwar live und in Farbe.

Wenn ich vorher behauptet habe, ich sei kein Fan von Felix Lobrecht, dann muss ich meine Aussage jetzt wohl oder übel offiziell revidieren.
Es scheint, als würde das vierzehn-jährige Mädchen im einem nie so ganz verschwinden.

Wie sich dummerweise schnell herausstellt, tarnt mich die Menschenmenge schlechter als gedacht. Es dauert genau drei Sekunden, bis Felix mich unter den Leuten ausfindig gemacht hat und meinen Blick auffängt - nur, um mich beim Glotzen zu erwischen.

Hallo?! Wo ist das verdammte Gegenlicht, wenn man es braucht?

Er hält den Augenkontakt für einen Sekundenbruchteil und jagt mir damit einen wohligen Schauer über den Rücken.

(zivil-) courage - felix lobrechtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt