• 1. Kapitel •

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Scarlett Pov

Nachdem die letzte Stunde an uns vorbeigekrochen war im Tempo einer Amöbe die von Berlin nach Ohio reist, lief ich schnell zu meinem Spind um ein paar Sachen mitzunehmen. Als ich mein Erdkundebuch hineinlegte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie Charlie einen Kaffebecher in der Hand hielt. Ich stellte meine Tabletten, die ich in der Hand hatte, wütend in den Spind und nahm ihr den Becher aus der Hand.

"Spinnst du?! Wieso trinkst du das?! Das ist Kaffe!", fuhr ich sie an und sie sah mich vernebelt an. "Ach, guck mal, Anita! Die Junkies werden zur Öko-Clique.", vernahm ich die quietschende Stimme der Schulbitch Zazou hinter mir. Seufzend drehte ich mich um und sah sie an. In ihren Händen hielt sie einen Becher. "Hier hast du deinen Kaffe.", meinte sie mit zuckersüßer Stimme und kippte ihren brühend heißen Kaffe über mir aus. Ich schrie auf und mein Aggressionspegel stieg viel zu schnell. Ich begann zu zittern. "Geh weg!", quetschte ich heraus und sie lachte höhnisch. Ich zitterte noch mehr und ich merkte, wie jemand meine Arme festhielt. Es war Charlie, die laut nach Cat rief, da sie mich allein nicht festhalten konnte. Und das war das Problem. Ich riss mich von ihr los und schlug Zazou ein erstes mal. Ein zweites mal. Beim dritten Mal wurde ich festgehalten. Ich spürte, wie mir jemand eine Tablette in den Mund drückte und ich beruhigte mich ein wenig. Zazou blutete aus ihrer Nase und Krokodilstränen glitzerten in ihren Augen. "Du Monster!", reif Anita und zog ihre besteFreundinvon mir weg. Ich sah ihnen mit offenem Mund hinterher und mein Blick wanderte zu meinen Händen. Sie hatte recht. Ich hatte die Kontrolle verloren. Ich war ein Monster.

Wortlos schlug ich meinen Spind zu, nahm meine Schultasche und rannte schnell aus dem Schulhaus. Natürlich hatte ich den Bus verpasst und so machte ich mich auf den langen Weg nach Hause durch die pralle Sonne. Wütend auf mich selbst stapfte ich den Weg entlang und ohne es zu merken, tat ich etwas, dass ich lange Zeit nicht getan hatte. Ich weinte.

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Als ich in unsere Straße einbog und zu meinem Haus lief, stockte mir der Atem und ich blieb abrupt stehen. Ein rothaariger Vollidiot stand auf meiner Veranda und sah mich an. "Was willst du hier? Hast du dir deine Gehirnzellen schon weggeraucht und dich in der Hausnummer geirrt?", zischte ich und er sah mich feindselig an. "Ich rauche nicht.", knurrte er und ich zuckte mit den Schultern. "Gut. Dann verpiss dich.", erwiderte ich und er seufzte. "Hör zu, Scarlett, dass mit Zazou tut mir leid." "Und davon hab ich jetzt was oder wie? Halt dich einfach aus meinem Leben raus, Clifford. Ich hasse dich.", zischte ich und lief an ihm vorbei zur Tür. Ich versuchte die Tür aufzuschließen, doch ich zitterte so sehr, dass ich das Schlüsselloch nicht traf.

Verzweifelt lehnte ich meinen Kopf an die Tür.

"Soll ich dir helfen?", fragte er und ich drehte mich sauer um. "Du bist immernoch da?! Verpiss dich, hab ich gesagt!", fuhr ich ihn an und er sah auf den Boden. Er sah noch mal zu mir und lief dann mit gesenktem Kopf zu seinem Haus nebenan.
Ich seufzte und schloss die Tür auf. "Scarlett, wo warst du so la-...", setzte meine Mum an und dann sah sie mich und riss entsetzt ihre Augen auf. "Was ist denn mit dir passiert?", wollte sie dann wissen und legte ihre Hand auf meine Schulter. "Nichts.", zischte ich geladen und beeilte mich, in mein Zimmer zu kommen. Dort warf ich meine Schultasche auf den Boden, nahm mir neue Sachen aus meinem Schrank und lief ins Bad, wo ich erstmal die letzten Spuren Zazous Chai Latte Mokka Zimt Bombe wegduschte. Anschließend setzte ich mich in meinem Zimmer auf meinem Balkon und hörte Musik. Auf dem Balkon gegenüber war schon lange niemand mehr gewesen, was ich gut fand. So konnte ich allein sein.
Plötzlich riss jemand die Tür auf und meine Mum stand mit roten Wangen vor mir. "SCARLETT! WAS HAST DU GETAN?!", schrie sie zornig und sah sie wütend an. "Sie hat es provoziert.", teilte ich ihr mit. War ja klar, dass die Schule sie benachrichtigen würde. "WARUM HAST DU DIE KONTROLLE VERLOREN? BIST DU ZU DUMM ZU BLICKEN, DASS DU DIR DAS NICHT LEISTEN KANNST?!", schrie sie weiter und mein Aggressionspegel stieg wieder. "DU WEISST DAS ICH DAS NICHT KONTROLLIEREN KANN!", schrie ich zurück. "KANNST DU NICHT EINFACH NORMAL SEIN?!", warf sie mir an den Kopf und verkrampfte meine Hände, sie sich bereits zu Fäusten geballt hatten. "Das, liebste Erzeugerin, lag nicht in meiner Hand, sondern in deiner. Und glaub mir, für mich ist es noch viel schlimmer. Ich muss damit mein ganzes Leben fertig kommen, während du mich nur ertragen musst, bis du mich rausschmeißen kannst. Du kannst jetzt gehen. Hopp, geh runter zu deinen zwei Söhnen, die total beliebt und cool sind und alles haben. Komm schon, geh runter. Anstatt deine Tochter zu trösten, die mit Kaffe überkippt wurde und vor der ganzen Schule bloß gestellt und ausgelacht wurde. Geh.", zischte ich, bemüht nicht auszurasten. Sie rührte sich nicht. "GEH!", schrie ich nun und sie merkte, dass ich kurz vorm durchdrehen war. Sie verließ den Raum, ohne sich nochmal umzudrehen.
Tränen brannten in meinem Augen, als ich auf den Boden heruntersank und einfach nur unendliche Leere fühlte. Ich wollte nicht so sein. Ich wollte nur normal sein und ein normales Leben führen. Wie Zazou oder Anita.
Und ich hoffte bei jedem Schnitt in mein verdammtes Handgelenk auf Besserung, die wahrscheinlich niemals kommen würde.
Ich war ein Outcast. Ein Nichtsnutz. Das Opfer der Gesellschaft.

psycHOTic • 5sos •  AbgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt