Ich konnte immer noch nicht ganz fassen. Zeitreisen, dafuq. Aber um mich herum lief alles ganz normal weiter, während ich etwas neben mir stand. Sollte ich das tatsächlich glauben? Mittlerweile glaubte ich nicht mal mehr an einen Scherz. Vielleicht waren die hier alle einfach wahnsinnig. Konnte doch sein, dass sie sich den ganzen Zeitreisen- Quatsch nur einbildeten? Ich glaube ja prinzipiell nicht an etwas, was ich nicht selber gesehen habe. Trotzdem wollte ich mir das ganze mal genauer ansehen. Wenn es doch stimmen sollte...
Wir wurden in kleinere Gruppen aufgeteilt und ein paar der Orientierungshelfen sollten uns das Campusgelände zeigen. Trisha und Ich wurden mit ungefähr dreißig weiteren Studenten von einem gelangweilt wirkenden Typen durch die Uni geführt.
Es gab ganze zwölf Hörsäle. Jeder von ihnen sah anders aus. Manche waren rund, andere ganz normal eckig, einige waren groß, andere hatten eher die Größe eines Klassenzimmers, wieder andere hatten gepolsterte Sitze wie im Kino, oder zwei verschiedene Ebenen, auf denen sich die Studenten verteilen konnten. Es gab sogar einen mit einer riesigen Glasfront in den Innenhof. Die Räume waren so verschieden, als kämen sie aus unterschiedlichen Epochen. Hätte man mir Bilder von ihnen gezeigt, hätte ich im Leben nicht geraten, dass sie sich alle in einem Gebäude befinden. Erst recht nicht in einem Plattenbau. Erneut hatte ich den Eindruck, dass dieses Unigebäude eigentlich viel zu klein von außen aussah, dafür dass es hier so viele riesige Räume gab.
Besonders beeindruckt war ich aber von der Bibliothek, die sich auf drei Etagen erstreckte. Sie hatte ein gläsernes Kuppeldach und eine runde Galerie, sodass das Tageslicht sanft in den Raum fiel. Ohne diese hätten die Räumlichkeiten ziemlich erdrückend gewirkt, denn die dunklen Mahagoniregale waren bestimmt doppelt so groß wie ich, und das will was heißen. Winzige Staubkörnchen tanzten im Licht, und ein Raunen ging durch die Gruppe, als wir unter der Kuppel standen. Auch ich legte meinen Kopf in den Nacken und blickte empor. Dabei formte ich meinen Mund erstaunt zu einem O. Es sah schon majestätisch aus! Feine Streben aus Metall durchzogen das gläserne Konstrukt. Dahinter funkelte der blaue Himmel. Eine schmale Stiege aus Gusseisen schlängelte sich an der Galerie hoch. An den Geländern der Galerie hingen kleine Pflanzen, die sich nach unten schlängelten wie Lianen. Es war glaube ich Efeu oder so, aber ich bin auch keine große Botanikerin.
Unzähligen Ecken luden mit Sessel und Sitzecken zum Lesen ein, und ich ahnte bereits, dass dies mein Lieblingsort werden sollte. Man konnte sich bildlich vorstellen, wie hier sonst alles voll war mit Grüppchen von Studierenden, die gemeinsam alles andere taten außer lernen, und hier und da ein paar Nerds wie ich, die tatsächlich die Nase in einem Buch vergraben hatten.
Was der Typ gerade über Ausleihfristen und Büchereiausweise erzählte, interessierte mich in diesem Moment herzlich wenig. Um ehrlich zu sein glaube ich, dass ihm kaum jemand zuhörte. Er war so eine Schlaftablette, dass selbst eine weiße Wand spannender war, als was er von sich gab. Mir war gar nicht klar, wie er das schaffte. Lag es daran, dass es so langsam sprach? Schwer zu sagen. Ich hatte das Bedürfnis, mich ein wenig auf eigene Faust umzusehen. So unauffällig wie möglich verschwand ich hinter einem Regal. Dahinter befand sich ein Labyrinth aus Büchern. Den Bücherrücken nach zu urteilen war ich in der Antiquitätenabteilung gelandet.
Es roch tatsächlich ein bisschen nach Druckerschwärze und Pergament. Spinner hin oder her, diese Bibliothek war ein Ort, an den man sein Herz verlieren konnte, das musste man dieser Uni lassen. Ich fühlte mich sofort wohl dort. In einer ausgeleuchteten Vitrine entdeckte ich sogar einige Schriftrollen. Je weiter ich mich hinter die Regalreihen begab, desto dunkler wurde es. Aber von irgendwo kam ein matter Lichtschein. Neugierig folgte ich ihm, angezogen wie eine Motte von einer Laterne.
Hinter gut sortierten Bücherreihen, auf denen schon eine Staubschicht lag, fand ich schließlich seine Quelle. Es war eine Art Pult, ein schlichter Schreibtisch aus Metall, der schon älter aussah. Darauf stand eine dieser typischen, grünen Leselampen und erleuchtete die Seiten eines Manuskriptes. Ich sah mich um, und trat ein paar Schritte heran. Diese lose Zettelsammlung, die sich mir präsentierte, war anscheinend mit der Schreibmaschine verfasst, wie mir die Schriftart mit den geraden Serifen verriet. Gerade als ich beginnen wollte zu lesen, hörte ich auf einmal ein hastiges Klappern hinter mir. Es klang nach Stiefeln mit Absatz. Das waren Schritte, die sich direkt auf mich zu bewegten. Und sie waren schon sehr nah. Ich spürte, wie sich meine Nackenhaare aufstellten.
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Das Geheimnis der Zeit
Ficción históricaWenn Zeitreisen wirklich möglich wären, was würden die Menschen dann damit anstellen? Sicher nicht nur Gutes... "Das hier ist total albern", sagte Nouk." Ich meine, wir sind doch keine Team oder so. Wir sind...", sie machte eine unbestimmte Geste. "...