Kapitel fünf. Luca

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„Sie erinnern sich vielleicht an unser Schulmotto. Gelassenheit, die Geschichte hinzunehmen, die man nicht ändern kann, den Mut, die Gegenwart zu formen, wo es geht. Aber auch die Weisheit, für die Zukunft zu lernen. Darauf werden sie heute einen Eid schwören. Um den Kern der Aussage genauer zu verstehen. Nun sind sie als die Studenten der Fachschaft theoretische Physik nicht diejenigen, die aktiv in die Vergangenheit reisen. Trotzdem ist es sehr wichtig...", hallte die Stimme des Professors durch den Hörsaal.

Seinen Namen hatte ich ehrlich gesagt schon wieder vergessen. Es war nicht besonders voll in den Bänken. Die Fächerkombis, bei denen man nicht direkt in die Vergangenheit reisen durfte, waren nicht so beliebt. Ich hatte gerade den Saal betreten, und scheiterte kläglich an dem Versuch, die schwere Flügeltür möglichst leise hinter mir zu schließen.

Einige Köpfe drehten sich zu mir um, aber ich wurde nicht weiter beachtet. Auch der Professor fuhr unbeirrt seinen Vortrag vor. Man hatte uns früh zu verstehen gegeben, dass wir hier selber für uns verantwortlich waren. Wer zu spät kam, musste schon selber herausfinden, was er verpasst hatte. Nur einige wenige Vertreter der alten Brigade machten einen noch hin und wieder darauf aufmerksam, dass man sich unhöflich aufführte.

Wegen der Vorlesung war ich eh nicht gekommen. Erstens, falsches Fach, zweitens falsches Semester.

Der Grund, warum ich hier war, saß alleine im Hörsaal, etwas abseits und relativ weit hinten. Perfekt, damit hätte ich nicht gerechnet. Aber es spielte mir in die Karten. Ich warf noch einen schnellen Blick auf die Uhr. Noch fünf Minuten. Ein Gespräch mit Matteo war eigentlich nicht eingeplant gewesen, aber dummerweise hatte sich keine Gelegenheit andere ergeben, in Ruhe mit ihm zu reden. Ungestört, unter vier Augen. Aber wie das so ist in einer WG- man hat nie seine Ruhe. Erst ist mir Joon, dann unser kleines Kampfweib mit ihren Burgern, und schließlich meine eigene Müdigkeit in die Quere gekommen

Ich huschte zu ihm rüber, diesmal wirklich auf Samtpfoten, ohne dass meine Schritte durch den großen Raum hallten. Nicht mal die alte Holzbank knarrte, als ich mich neben meinem Cousin schob. Sein Blick war dezent verwirrt, er musterte mich misstrauisch, und wand seinen Blick nicht von mir ab. Ich hingegen schaute betont nach vorne, und nahm das lediglich verschwommen aus den Augenwinkeln wahr.

Auch wenn ich mich in einem vollkommen unrelevanten Ersti-Seminar befand, und ich niemanden erspähen konnte, war Vorsicht geboten. Meine Erfahrung mit denen von CHRONOS sagte mir, dass sie überall ihre Augen hatten. Vielleicht war der Typ zwei Reihen vor uns ihr neuster Rekrut, oder das Mädchen mit dem dicken Schal links von uns. Sie saßen zwar beide außer Hörweite aber die Wände hatten Ohren an dieser Fakultät.

Einige Momente des Schweigens verstrichen. Ich musterte Matteo eindringlich. „Was machst du hier?", zischte ich ihm schließlich zu. „Was ich?", fragte er mit gespielter Überraschung. „Siehst du hier sonst noch wen? Also los, raus mit der Sprache.", schoss ich zurück, in einem fordernden, aber gleichzeitig sehr leisem Tonfall. Dabei sah ich ihn nicht mal nicht an, sondern tat so, als würde ich dem Dozenten lauschen. „Studieren, was denn sonst?", entgegnete er mit gespielter Unschuld. „Ja genau. Das kannst du sonst wem erzählen, aber nicht mir.", meinte ich verärgert. Hielt er mich für dumm? Diesmal schaute ich ihn sogar flüchtig an.

Matteo holte tief Luft. Um uns herum nahm niemand Notiz von unserem Gespräch, die anderen Studenten saßen alle sehr weit weg. „Ist das so?", fuhr er in normaler Lautstärke fort. Er hatte ja keine Ahnung, wieso ich überhaupt so leise mit ihm gesprochen habe. „Weißt du, eigentlich könnte ich dich auch fragen, warum du dein Studium so kurz vor dem Abschluss abgebrochen hast, und jetzt hier bist." Mein Cousin sah mich herausfordernd an. „Warum fängst ausgerechnet du jetzt an, Fragen zu stellen?", konterte ich prompt.

Das Geheimnis der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt