Kapitel 84

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In unmittelbarer Entfernung bewegte sich ebenso Noah auf uns zu. Ich versuchte ihn zu ignorieren. Die Aktion vom vorherigen Tag machte mir schon klar, dass es besser war ihn loszuhaben, doch als er zum Stehen kam, legte ihm die Tochter des Alphas einen Arm um die Schulter. Nicht nur ich wirkte verblüfft, doch ich probierte mir nichts anmerkten zu lassen und um ehrlich zu sein, spürte ich selbst, dass das eindeutig klappte, was Natalie ziemlich wütend zu machen schien. Trotzdem wandte ich den Kopf ab.

Ich war mir sicher, dass ihr etwas zu Ohren kam, dass zwischen Noah und mir zuvor etwas lief. Oder erzählte er ihr, dass ich in dieser Nacht...? Nein. Sie weiß es nicht. Denn wenn, hätte mich ihr Vater gleich geschnappt. Als mein Blick jedoch auf ihn fiel, schaute er meine Mutter, Taylor und mich der Reihe nach an. Im Anschluss drang aus seinem Mund: »Ich bin nicht der Alpha, der lange redet. Je nach Alter bekommt ihr eure Aufgaben zugewiesen. Umso Jünger, umso stärker.« Dabei schaute er mir geradewegs in die Augen. »Bei dir muss ich keine Ausnahme machen. Ihr arbeitete um hier sein zu dürfen; wie der Rest des Rudels.«

»Was Elliott meint ist, dass ihr noch mehr arbeiteten werdet. Ihr bekommt nichts geschenkt«, mischte sich seine Frau ein. Kurz schaute ich über ihre Köpfe, in der Hoffnung Sebastian irgendwo zu entdecken. Vergeblich. Meine Enttäuschung versuchte ich zu verstecken und ich suchte den Schalter, der meine Gefühle abstumpfen ließ. Das brauchte ich in diesem Moment. Was mich jedoch wunderte, dass sich Judith in der Nähe befand. Ein vertrautes Gesicht.

Sofort erinnerte ich mich an das blonde Mädchen. Wenn sie bei ihr aufwuchs und nur halb so nett war, dann war es gut, wenn sie sich in unserer Nähe aufhalten durfte. Aus diesem Grund war ich fast erleichtert darüber, als der Alpha meine Mutter aufforderte mit ihr zu gehen. Sie sollten sich um die Hausarbeiten, wie das Essen und die Tiere kümmern. Ein großer Stein fiel mir vom Herzen. Taylor hingegen war für das Grobe zuständig. Er sollte sich um die Häuser kümmern, das Abtragen von Gestein in der Höhle der Quelle, um diese zu erweitern und Dinge, die zwar hart für einen Mann waren, aber für einen Wolf zu schaffen.

Erwartungsvoll schaute ich den Alpha an, als sein Blick schlussendlich auf mich fiel. »Du wirst für das Feuerholz zuständig sein!« Auch, wenn ich lieber etwas anderes getan hätte, wollte ich nicht zögern und antwortete: »Okay!« Ich versuchte dabei das Gefühl zu unterdrücken die Augen zu verdrehen. »Ich bin mir sicher, dass du noch keine Axt in den Händen hieltest.« Zugleich schüttelte ich mit dem Kopf. »Bisher war das nicht von Nöten.« Ich bemerkte, dass Taylor etwas sagen wollte, doch er wurde von einem Fremden zu sich gewunken und folgte diesem.

Es war ihm nicht geheuer, dass ich niemand vertrauten bei mir hatte. Um ehrlich zu sein, mir auch nicht. Hinzukommend war ich nun allein und noch immer stand Elliott mit seiner Frau, dahinter seine Tochter und Noah da, dem es egal zu sein schien, was wir machen mussten. Es war traurig. Traurig, dass er auf dieser Seite stand und nicht bei uns, nicht bei dem Beta seines Rudels, seinem eigentlichen Freund. War ich so blind gewesen? War er schon immer so? Waren meine Gefühle so stark, dass ich nicht mehr wahrnahm, wie er eigentlich tickte.

Schon von vorn herein war mir bewusst, dass Noah in sich eine tiefe Last trug, die ihn unberechenbar machte. Vielleicht sah ich auch in jedem etwas Gutes, wo gar nichts war. »Du wirst jetzt gleich beginnen«, holte mich der Alpha aus meinen Gedanken und aus dem Wald hörte ich ein Geräusch. Erst hoffte ich, dass es Sebastian war, doch ich täuschte mich. Ein großer breiter Mann kam auf uns zu. Ich sah ihn schon einmal. In dieser Nacht. Und zwar in dem Haus von Elliott. »Das ist mein Beta. Er wird dich einweisen. Du wirst tun, was er von dir verlangt.«

Seine dunklen Augen bohrten sich in meine und ein unangenehmes Gefühl durchflutete mich. Warum bekam ich nicht irgendein Mädchen? Oder wenigstens eine Frau? Oder jemand, der nicht gleich aussah, als würde er mich jeden Moment zerfleischen? Im Haus vom Alpha sah er einen Moment gar nicht so aus. Kurz dachte ich an seine Worte. Für ihn war ich etwas Besonderes. Trotzdem wusste ich gleich: Er wird mich nicht mit Samthandschuhen anfassen. Trotz alledem nickte ich und beschloss ohne Aufforderung zu ihm zu gehen. Im Rücken bemerkte ich jedoch den Alpha, der zugleich sprach: »Man wird euch heute Abend etwas zu essen bringen, wenn ihr eure Aufgaben erledigt habt.«

Schatten des WaldesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt