Nur ein Traum

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„Hey Ciel, soll ich dich mitnehmen?"

Der Angesprochene sah verwirrt in das schwarze Auto und antwortete nicht. Erst als Sebastian nochmal ein fragendes „Ciel?" nachwarf, schüttelte er kurz seinen Kopf, um sich wieder zu sammeln.
„Äh, ja gern! Danke." Daraufhin öffnete er die Beifahrertür und stieg ein.

Sebastian ließ den Wagen wieder anrollen und war im Begriff den Parkplatz zu verlassen, als er nochmal zu Ciel rüber sah und fragte, wo er denn hinwollte. „Einfach zur nächsten Bar, wenn es dir nichts ausmacht.", antwortete er mit einem zuckersüßen Lächeln. Etwas verwirrt von der Antwort zog Sebastian die Augenbrauen zusammen, nickte dann aber gleich bestätigend.
„Ich bin so aufgekratzt, dass ich jetzt sicher noch nicht schlafen kann.", erklärte sich Ciel, weil ihm der verwirrte Blick seines Gegenübers natürlich nicht entgangen war. Und wieder lächelte er dabei sein wunderschönes Lächeln... also wirklich, wenn das so weiterging würde Sebastian zu Hause sicher auch nicht ans Schlafen denken. Während er sich schon wieder über sich selbst ärgerte, weil sich seine Gedanken heute absolut nicht mehr unter Kontrolle bringen lassen wollten, antwortete er: „Da hast du recht. Mit seinen Nacht- und Nebelaktionen wird der Regisseur unseren Schlafrhythmus noch komplett durcheinanderbringen." Beide lachten bei diesem Satz und setzten dann ihren Weg fort.

Es vergingen ein paar Minuten, in denen die beiden nicht miteinander sprachen. Es war allerdings keine unangenehme oder peinliche Stille, sondern eher eine entspannte, die Sebastian sogar sehr genoss. Er mochte es in Ciels Nähe zu sein – vor allem, wenn sie allein waren.
Plötzlich wurde die Stille gebrochen, als Ciel relativ kleinlaut fragte, ob Sebastian vielleicht noch mit ihm auf ein Feierabend-Bier kommen wollen würde.
Natürlich stimmte er zu. Allerdings verbarg er die nervöse Vorfreude in seiner Stimme und brachte eher ein monotones „Ja, warum nicht. Wirklich müde bin ich sowieso auch nicht mehr." hervor.
Und schon wieder schlich sich dieses zuckersüße Lächeln auf Ciels Lippen, welches Sebastian noch um den Verstand bringen würde.

Sebastian hielt vor einer kleinen Bar, von der er wusste, dass sie bis spät nachts geöffnet hatte.
Drinnen angekommen setzten sie sich an einen kleinen Tisch, der etwas abgelegen in einer Ecke stand – sie waren immerhin trotz allem Schauspieler und wurden oftmals auf offener Straße erkannt, wo beide jetzt weniger Lust darauf hatten.
Als sie ihre Jacken abgelegt hatten meinte Sebastian er würde Getränke holen gehen. Er bestellte zwei Bier an der Theke und brachte sie zurück zum Tisch. Ciel nahm dankend an und meinte, er würde die nächste Runde bezahlen. Sie unterhielten sich über die verschiedensten Dinge und bestellten eine Runde nach der anderen, ohne zu merken, dass es immer später und ihre Gedanken vom Alkohol immer vernebelter wurde.

Als Ciel aufstehen wollte, um zur Toilette zu gehen, musste er sich nochmal hinsetzen, da er durch die zu schnelle Bewegung den Alkohol deutlicher zu spüren bekam, als er gedacht hätte. Sebastian, der zwar bestimmt nicht mehr nüchtern war, sich aber trotzdem noch ziemlich gut auf den Beinen halten konnte, eilte sofort zu ihm und hielt ihm seine Hand hin, um ihm aufzuhelfen.
„Vielleicht sollten wir doch nach Hause fahren, oder?", meinte er und konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen. Ciel nickte nur und ließ sich von dem Schwarzhaarigen etwas stützen, als sie die Bar verließen.

Sebastian hielt ein Taxi an half dem Kleineren dabei auf dem Rücksitz einzusteigen, bevor er sich selbst in das Auto setzte – ebenfalls hinten. Er nannte dem Fahrer eine Adresse und dieser fuhr los.
„Sebastian, das ist aber nicht meine Adresse.", nuschelte Ciel, während er seinen Kopf auf die Schulter neben ihm fallen ließ. „Das stimmt, aber so betrunken lasse ich dich nicht allein nach Hause fahren. Du schläfst heute bei mir.", meinte Sebastian nur. Die Hälfte des Satzes bekam der Kleinere schon nicht mehr mit, da er bereits auf Sebastians Schulter eingeschlafen war. Die Fahrt verlief sonst relativ ruhig und nach einer kurzen Weile kamen sie auch schon an.

Obwohl er ihn eigentlich nicht wecken wollte, stupste Sebastian Ciel an, damit dieser aufwachte. Er bezahlte den Fahrer und stieg aus, um die Autotür auf der anderen Seite zu öffnen. Er half dem Grauhaarigen aus dem Wagen und stützte ihn an der Schulter, bis sie in seiner Wohnung angekommen waren. Er setzte ihn auf einen Stuhl in seiner Küche und half ihm aus seinen Schuhen und seiner Jacke, die er dann in seiner Garderobe versorgte. Er bot Ciel noch ein Glas Wasser an, welches dieser dankend annahm und gleich ein paar Schlucke nahm.

„Ich hol' dir noch schnell etwas zum Anziehen und würde dann unter die Dusche steigen. Du kannst dann natürlich auch noch, wenn du möchtest.", meinte er dann, als er schon auf dem Weg zu seinem Schlafzimmer war, um sich selbst und Ciel Wechselkleidung und außerdem ein zweites Bettzeug zu holen, welches er auf der Couch zurechtlegte. „Ja, vielen Dank! Das Angebot mit der Dusche nehme ich gerne an.", grinste er etwas verschlafen. Wie süß er dabei aussah.... Komm schon Sebastian, nicht schon wieder!

Die heiße Dusche ließ bei Sebastian den restlichen Alkohol verfliegen und er fühlte sich angenehm schläfrig. Nachdem er sich abgetrocknet hatte, zog er sich ein T-Shirt und eine Jogginghose an und trat aus dem Bad, wo er Ciel sah, der interessiert in seiner Küche stand und die modernen Geräte betrachtete. „Du kannst jetzt ins Bad, wenn du möchtest.", bot er ihm an, mit einem Lächeln auf den Lippen, was für ihn ganz untypisch war. Ciels Wangen umspielte ein roter Schimmer, als er den ungewohnten Ausdruck auf Sebastians Gesicht sah. Er nickte kurz, murmelte ein „Danke.", griff sich die Sachen, die ihm Sebastian zurechtgelegt hatte, und verschwand im Bad.

Währenddessen machte es sich Sebastian auf der Couch bequem und sah noch auf den Bildschirm seines Handys, da er warten wollte, bis der Kleinere fertig war. Nur um sicher zu gehen, dass ihm nicht nochmal schwindlig wurde und er sich verletzen würde.
Nach einiger Zeit wurde die Badezimmertür geöffnet und Ciel trat mit halbnassen Haaren, einem viel zu großen T-Shirt und einer Boxershorts bekleidet, heraus. Als er sah, dass in der Nähe der Couch Licht schien, tapste er dorthin. „Ich möchte dir aber nicht dein Bett stehlen. Ich bin sowieso viel kleiner als du, ich sollte lieber auf der Couch schlafen.", sagte er an Sebastian gerichtet.
Dieser hatte ihn aus dem Augenwinkel bereits beobachtet, als er aus dem Bad gekommen war, und sah ihn jetzt richtig an. Er hatte alle Mühe, nicht zu zeigen, wie heiß er Ciel mit seinen tropfenden Haaren und dem viel zu großen Shirt fand und versuchte so monoton wie möglich zu antworten: „Ist schon gut, ich schlafe oft aus der Couch ein, wenn ich bis spät abends fernsehe. Meine Manieren würden es nicht zulassen, dich hier einzuquartieren. Du kannst gern im Bett schlafen, es ist gleich diese Tür". Er zeigte auf das Zimmer links von sich. Ciel wollte widersprechen, doch Sebastian kam ihm mit einem Kopfschütteln und einem „Nein, keine Widerrede!" zuvor.
Ciel gab sich geschlagen und bedankte sich nochmal. Er wünschte seinem Gastgeber eine gute Nacht und verschwand hinter der Tür zum Schlafzimmer.

Müde legte Sebastian sein Handy auf den Couchtisch und zog sich die Decke über die Schultern, um einige Augenblicke später schon ins Reich der Träume zu gleiten.

Plötzlich wachte er allerdings wieder auf, als er aus seinem Schlafzimmer einen lauten Schrei hörte. Sofort sprang er auf und eilte durch die Tür, wo er einen total verschwitzen, weinenden Ciel vorfand. Ohne nachzudenken ging er auf ihn zu, nahm ihn schützend in den Arm und strich ihm beruhigend über den Rücken. „Hey, hey alles gut! Es war nur ein böser Traum."

Unmei~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt