Nur ein Job

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Gerade als Sebastian sich zu seinem Bett aufmachen wollte bemerkte er ein schwaches Vibrieren auf seinem Couchtisch vor ihm. Wer würde ihn denn um diese Zeit noch anrufen?
Es war der Regisseur. Er wollte erst gar nicht antworten, doch dann dachte er sich, dass es sicher etwas Wichtiges gehen musste, da er ihn sonst nie zu so später Stunde kontaktieren würde. Er drückte auf den grünen Knopf und murmelte ein leises „Ja?" in sein Telefon.

„Sebastian! Wundervoll, du bist noch wach! Komm bitte zum Studio in der Innenstadt. Die Muse hat mich gerade geküsst und ich möchte noch eine weitere Szene in den Kasten bekommen! Wir treffen uns dann in einer Stunde dort." Ohne auf eine Antwort zu warten legte er einfach wieder auf.

Sebastian kannte solche Scherze bereits und machte sich deshalb nicht mal die Mühe sich zu ärgern. Er seufzte kurz auf und zog sich dann seine Alltagskleidung wieder über. Seine bequemen Sachen legte er wieder fein säuberlich auf den Stuhl neben seinem Bett. Da es ein weiter Weg von seinem Apartment bis in die Innenstadt war, ging er dann gleich zu seinem Auto. Er steckte den Schlüssel hinein und startete es.

Endlich angekommen sah er auch schon Lizzy, Grell und einen verschlafen aussehenden Agni. Das waren die Leute, bei denen sich Ciel meist aufhielt. Fast schon traurig stellte er fest, dass dieser allerdings nicht hier war. Ob er auch kommen würde? Vielleicht war sogar eine Szene mit ihnen beiden geplant? Ob er es schaffen würde ihn unauffällig zu berühren?

Er parkte sein schwarzes Auto vor dem Studio, stieg aus und versuchte sich diese Gedanken aus dem Kopf zu schlagen. Allerdings war er ziemlich müde, wodurch es ihm relativ schwer fiel sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als die Vorstellung Ciel nahe zu sein.

Heute Abend hatte er Glück – oder auch nicht, er war sich nicht so sicher. Es war tatsächlich eine Szene zwischen ihm und Ciel geplant. Eine Bade-Szene... Das hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt. Natürlich war es genau das, was er sich gerade erst gewünscht hatte. Aber er war wirklich übermüdet und wusste nicht, ob er sich würde zusammenreißen können. Es wäre ja noch schöner, wenn er Ciels nackten Oberkörper während des Drehs anstarren würde, oder ihn auf eine Weise berührte, die ihm nicht zustand. Das Ganze festgehalten auf Kamera natürlich.

Wenigstens, dachte sich Sebastian, stand er für die Szene hinter Ciel. So sah er nur seinen Hinterkopf und den nackten Rücken. Zuerst sprachen die beiden nur einen Dialog, der nicht weiter schwierig war. Den Text kannten die beiden ja schon seit langem, deshalb war es überhaupt kein Problem. Allerdings wusste Sebastian, was danach kommen würde.
Für Butler im viktorianischen England war es üblich ihre Herren in der Badewanne zu waschen und das ausgiebig. Nun ja... genau so einen Butler spielte er. Und Ciel seinen Herren.

Normalerweise wäre es überhaupt kein Problem für Sebastian diese Szene mit Eleganz zu spielen und sein Verlangen, Ciel etwas länger zu berühren, als es geplant war, zu unterdrücken. Allerdings machte der fehlende Schlaf sogar einem gefühlskalten Schauspieler wie ihm zu schaffen und so wirkte der erste Take eher unbeholfen und steif, weshalb vom Regisseur sofort ein lautes „Cut!" gerufen kam. Auch der zweite und der dritte Take waren ein ziemlicher Reinfall.

Nach dem vierten Take, der nichts werden wollte, stand der Regisseur auf und meinte: „Na kommt schon ihr beiden, macht euch locker! Sebastian, du verkörperst zwar einen Dämon, aber ein wenig Zuneigung darf trotzdem rüberkommen! Wir wollen doch auch die kreischenden Fangirls nicht verschmähen, oder? Ciel, du darfst das Bad gerne mehr genießen. Schau doch nicht so verkrampft."

Das war eine ziemlich eindeutige Ansage. Sebastian hatte also keine andere Wahl, als den Anweisungen des Regisseurs zu folgen. Er hätte es sich zwar sicher nie eingestanden, aber er betrachtete das Ganze als eine wertvolle Chance Ciel endlich so berühren zu können, wie er es schon lange wollte. Hätte ihn jemand gefragt, hätte er aber natürlich immer felsenfest behauptet, dass er nur seinen Job gemacht hatte.
Er krempelte die Ärmel seines weißen Hemdes nochmal hoch und tauchte den Schwamm, den er in seiner linken Hand hielt unter Wasser. Er stützte sich mit der rechten am Wannenrand ab, während er ganz dicht hinter Ciel in die Knie ging.
Er konnte seinen frischen Duft einatmen und merkte, wie gut der Junge roch. Er verharrte einen Moment länger in dieser Position, als es hätte sein müssen. Dann begann er mit leichtem Druck den nassen Schwamm am Körper des Kleineren vor ihm kreisen zu lassen. Da das Bad mit Schaum gefüllt war konnte Sebastian nur Ciels Schultern und den nackten Rücken des Jungen sehen. Doch auch das genügte schon, um ihn derart zu erregen, dass er sich wirklich bemühen musste diesen nicht mit verlangenden Küssen zu bedecken. Am liebsten hätte er seine Finger unter das Kinn des Jüngeren gelgt und ihn zu sich herangezogen, um ihn in einen leidenschaftlichen Kuss zu verwickeln, während er mit seiner anderen Hand...

Bevor Sebastian wirklich noch sein Gesicht hätte verlieren können wurde er von einem lauten „Cut!" aus seinen Gedanken gerissen. „Na geht doch! Genau so wollte ich das sehen! Wir machen dann Schluss für heute!"
Naja wenigstens der Regisseur schien mit diesem Abend zufrieden zu sein.

Sebastian stand auf und wollte schnellstmöglich in der Umkleide verschwinden, da die nicht allzu kleine Beule in seiner Hose doch noch hätte verraten können, dass er die Leidenschaft in seinen Berührungen gerade doch nicht nur gespielt hatte, als er im Vorbeigehen kurz in Ciels Gesicht sah. Die Wangen des Jungen hatten eine rosa Farbe angenommen und er blickte beschämt zu Boden. Hatte Sebastian ihn denn an Stellen berührt, die ihm unangenehm waren? War er zu weit gegangen, weil er sich doch nicht so sehr zurückhalten konnte, wie er dachte?

Er hatte den letzten Gedanken noch nicht ganz zu Ende gedacht, als Lizzy ihm schon entgegenkam. „Oh Sebastian, du und Ciel habt heute wirklich großartige Arbeit geleistet! Und das obwohl ihr beide sicher auch so übermüdet wart wie wir anderen! Hast du schon gehört, wir bekommen dafür den morgigen Tag frei! Das heißt wir können endlich wieder mal ausschlafen! Das hab ich schon sooooo lange nicht mehr! Ich wünsch' dir eine gute Nacht und einen schönen freien Tag!"

Unmei~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt