Im Wyrm, meinem zweiten Zuhause seit solanger Zeit, ist die angespannte Stimmung deutlich zu spüren. Die Serpents sind in zwei Lager geteilt. Die, die hinter meinem Vater stehen und darauf vertrauen, dass die Ganggeheimnisse sicher verwahrt sind, und dann die Anderen, die dem ganzen nicht trauen und daher auch mir kaum Beachtung schenken, mich aber wohl sehr genau mustern. Es scheint, als suchen sie nach dem Schild auf meiner Stirn, was mich und meinen Vater als Verräter brandmarkt. Doch noch ist auf meiner Stirn nichts zu sehen. Im Gegensatz zu meiner Gewohnheit, lasse ich mich nicht an der Bar nieder, sondern suche mir einen Tisch am äußersten Ende. Sweet Pea setzt sich neben mich und auch Fogarty und Toni nehmen bei mir Platz. Toni ergreift als erste das Wort. "Was willst du jetzt machen." Ich bin dankbar, dass sie mich nicht nach dem Verhör fragt und sehe sie an. "Zuerst sollte ich mit jemandem reden, der alle Geheimnisse über die Gang weiß." "Tall Boy." Kommt es wie aus einem Munde. Ich nicke. Tall Boy, die rechte Hand meines Vaters. Er weiß sicher, was zu tun ist und noch viel mehr, was passierte. Doch die Stunde auf dem Revier hat meine Reserven aufgebraucht und ich würde liebend gerne in mein Bett fallen. Ich verschränke die Arme auf dem Tisch und bette meinen Kopf darauf. "Hey, das wird schon wieder." Ich spüre, wie Toni über meinen Rücken streicht. Ich schließe meine Augen, um einen erneuten Heulkrampf zu unterdrücken. Abrupt richte ich mich wieder auf. "Ich gehe ihn mal suchen." Damit lasse ich meine Freunde alleine. Während ich mich entferne, setzt Sweet Pea wieder bei seiner ewigen Hasstirade auf die North Side an. Ich grinse und nähere mich der Bar. Dort sitzen ältere Serpents, die ich wegen ihrem abschätzigen Blick gar nicht näher beachte. Hinter der Bar steht Josephine und trocknet Gläser mit einem schmudeligen Tuch ab. "Tall Boy?", frage ich sie. Sie nickt Richtung Treppe. "Er muss oben im Büro sein." Ich nicke. "Mäuschen, es tut mir so Leid mit deinem Vater. Ich weiß, dass er den Serpents gegenüber loyal ist. Wenn du was brauchst, musst du nur Bescheid geben." Den letzten Satz betont sie sehr laut, wahrscheinlich um dem Getuschel der Männer ein Ende zubereiten. Ich nicke wieder, lächle sie an. "Danke." Sie zwinkert in meine Richtung und wendet sich wieder den Gläsern zu. Ich nähere mich der Treppe, steige sie hinauf. Die Stufen sind aus Holz und knarren bei jeder Bewegung. Ich greife nach dem Geländer, lasse es wieder los, nachdem auch das gefährlich knarzt. Hier oben bin ich nie zuvor gewesen. Als ich oben auf der Galerie angekommen bin, sehe ich nach links und rechts. Hier oben gibt es drei Türen. Zwei führen in irgendwelche Zimmer, wahrscheinlich für Betrunkene, die den Heimweg nicht mehr antreten können. Meine Füße tragen mich zu der Tür gegenüber der Treppe. In der Wand ist ein Fenster eingelassen und ich sehe einen Mann hinter einem Schreibtisch sitzen. Oft saß an diesem Platz mein Vater und ich muss mich nach der kurzen Erinnerung sammeln. Chill mal, Cam. Er ist ja nicht tot. Komm runter. Ich hebe meine Hand und klopfe, trete dann ein. "Cam." Es klingt kühl. Er weiß warum ich hier bin. Der Mann ist geformt wie ein Schrank, groß, breite Schultern. Über sein Gesicht verläuft eine Narbe. Über sie gibt es die schauerhaftesten Geschichten. Er soll sie von einem durchgeknallten Ghoulie, der rivalisierenden Gang, haben und noch viele weitere waren im Umlauf. Der Spitzname Tall Boy passt daher ausgesprochen gut. "Störe ich?" Er schüttelt mit dem Kopf, steht auf. Als er auf mich zu kommt, bin ich überrascht. Als er seine Hand auf meine Schulter legt nur noch mehr. "Dein Vater ist ein guter Anführer. Ich selbst könnte es nicht so gut. Doch er weiß von allen Dingen die geschehen sind und noch geschehen werden. Ich kann ihm nicht helfen." Als ich etwas erwiedern will, hebt er die Hand. "Ich weiß nicht, was dran ist an dem Mord an Jason Blossom und FP als Mörder. Aber die Gang steht unter Beobachtung. Ich habe im Moment alles eingefroren. Und das obwohl ich nicht glaube das er uns verrät, denn er ist noch unser Leader, doch an erster Stelle ist er jetzt eine Gefahr. Es tut mir Leid." Er drückt meine Schulter. Ich nicke, drehe mich um und gehe. Enttäuscht, auch wenn ich kaum etwas anderes erwartet hatte. Mein Vater würde genauso handeln. An der Tür sehe ich nochmal zu ihm. "Wenn du etwas hörst, sags mir." Er hebt den Daumen als Einverständnis. Als ich mich wieder an den Tisch fallen lasse, stehen schon vier Biergläser an unseren Plätzen. Ich nehme einen tiefen Zug und schließe mich den Beschimpfungen über die North Side an. Jetzt kann ich mich auch genauso gut betrinken, mehr kann ich nicht mehr tun. Trinken und beten, mein neues Mantra für den Rest des Abends. Aber eigentlich habe ich keine Ahnung sie man betet, daher bleibt es hauptsächlich beim Trinken.
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Good Lie
FanficWas wenn es noch eine Jones gäbe? Eine Jones die für ihren Vater einsteht und eine Serpent ist? Wie würde ihr Leben aussehen? Wird sie die Liebe in der Southside oder Northside finden? Wie wird sie ihre Freunde wählen? Wird sie sich selbst finden kö...