Kapitel 1

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Glänzender, rosaner Satin, der unter einer dünnen Schicht Seide lag und mit einigen Blüten aus Stoff verziert war, bildete das Kleid, welches für den ersten Ball der Saison gedacht war. Es war wunderschön. In die Mitte jeder Blüte war eine Perle eingenäht, die im Licht der Kerzen das Perlmutt reflektierte. Ich musste beim Anblick dieses Kleides Lächeln und zum ersten Mal seit Wochen empfand ich neben dieser erdrückenden Nervosität reale Vorfreude. Es passte zu mir. Das Rosa schmeichelte meinen haselnussbraunen Haaren und meinen dunkelblauen Augen. Es hätte nicht besser sein können.

„Gefällt es dir?" Ich zuckte kurz zusammen, da ich tief in meinen Gedanken versunken war und nicht damit gerechnet hatte, angesprochen zu werden. Als ich mich umdrehte, sah ich meine Mutter in der Tür stehen.

Ich nickte und strich vorsichtig mit meiner Hand über den Stoff. „Es ist wundervoll. Das Kleid muss ein vermögen wert sein."

Meine Mutter kam auf mich zu und umarmte mich. „Liebling, für dich kommt nur das Beste in Frage. Dein Vater und ich, wir wollten, dass du wunderschön an deinem Abend aussiehst. Du sollst doch erfolgreich sein."

„Vielen Dank Mutter." Ich betrachtete mich kurz im Spiegel. Gerade trug ich mein Nachthemd, denn es war schon spät. Ich konnte nicht schlafen und bin deshalb in das Ankleidezimmer gegangen. Doch vor dem Ball in zwei Tagen mussten sich die Debütantinnen erst einmal der Queen vorstellen. Dafür würde ich ein weißes Kleid tragen. Als Kopfschmuck diente eine Feder. Dieses Kleid, dass ich dafür bekam, war auch schön, doch mein Ballkleid konnte von nichts übertrumpft werden. „Ich bin so nervös wegen morgen. Ich konnte nicht schlafen. Was wenn... Wenn die Queen mich hässlich findet? Dann werde ich keinen Anwärter finden. Ich habe Angst, Mutter."

„Oh Liebling das brauchst du nicht. Sie wird in dir die Schönheit erkennen, die du von Gott geschenkt bekommen hast. Jeder wird das erkennen. Du wirst das Juwel der Saison. Genauso wie die Duchess of Hastings als makellos bezeichnet wurde. Ich werde Amanda bitten dir einen Baldriantee zu bringen, damit du schlafen kannst." Meine Mutter gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dann verließ sie das Ankleidezimmer, um wohl den Tee bei Amanda zu bestellen. Ich warf noch einen kurzen Blick auf das Kleid, dass ich morgen tragen würde, dann verließ ich selbst das Zimmer und ging zu meinem.

Der Mond schien so hell durch mein Fenster, dass ich nicht einmal eine Kerze anzünden musste, um etwas zu erkennen. Ich hatte die Gardinen noch nicht geschlossen. Da ich sowieso noch auf den Tee wartete, ging ich hinüber zum Fenster und betrachtete den Himmel, der von hunderten Sternen geschmückt war. Der Anblick jagte mir einen warmen Schauer über den Rücken. Ich liebte die Aussicht von unserem Anwesen. Von meinem Zimmer aus konnte ich auf unseren Garten mit dem kleinen Teich und den Blumenbeeten blicken. Wir hatten sogar ein paar Obstbäume auf die ich als Kind immer geklettert bin. Damals musste ich mir noch keine Sorgen darum machen eine vorteilhafte Ehe zu finden. Meine Eltern hatten kein weiteres Kind, weshalb die Verantwortung auf mir lastete die Linie weiter zu führen. Als ich klein war, hatte ich mir selbstverständlich noch keine Gedanken darüber gemacht, aber jetzt wo ich älter wurde, wurde ich mir dieser Last bewusst. Unsere Grafschaft hielt schon viele Jahrhunderte an und ich wollte nicht verantwortlich daran sein, dass diese mit mir zu Ende gehen würde.

„Lady Moray, euer Tee." Amanda stand mit einem kleinen Tablett im Türrahmen. Ich eilte zu ihr, um ihr das Tablett abzunehmen, doch sie wollte es selbst auf meinem Tisch abstellen. Letztendlich schaffte ich es jedoch, es ihr abzunehmen.

„Vielen Dank, dass sie mir den Tee gebracht haben." Ich bedankte mich lächelnd und setzte mich auf meine Bettkante.

„Oh Lady Moray, das ist doch mein Job. Außerdem mache ich das gerne für euch." Amanda lächelte und ging zur Tür. Bevor sie durch diese verschwand, drehte sie sich noch einmal zu mir um. „Ich wünsche euch eine angenehme Nacht."

Ich blickte noch einem Moment auf die Tür, die hinter ihr ins Schloss fiel. Dann nahm ich einen Schluck von meinem Tee. Amanda war meine Zofe und das schon seit einigen Jahren. Dabei war sie nicht viel älter als ich. Wir verstanden uns wohl auch deshalb so gut und für mich war Amanda eine sehr gute Freundin und ich konnte ihr alles anvertrauen. In dem Leben, das ich führte, mit all den Oberflächlichkeiten, war es wirklich schön so einen Menschen im Leben zu haben.

Natürlich wollte ich mich keineswegs beklagen über mein Leben. Ich hatte wirklich Glück in einer vermögenden, adligen Familie zu Leben, die zusätzlich hohes Ansehen hatte und bei so gut wie allen beliebt war, doch war mir bewusst, dass bei weitem nicht alle, sogar nur die wenigsten diese Privilegien genossen. Und das Ansehen einer Familie konnte auch so schnell verloren gehen, durch nur ein falsches Wort oder einen Skandal. Ich konnte nur hoffen, dass sowas unsere Familie nicht erschüttern würde.

Another Season / Bridgerton FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt