Kapitel 6

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Die Sonne verschwand langsam hinter den gegenüberliegenden Häusern. Ich beobachtete sie dabei, während ich an der Fensterbank lehnend meinen Kopf auf meinem Arm abstützte. Auf der Straße fuhr eine Kutsche vorbei und zwei Mädchen gingen mit ihrer Mutter den Weg neben der Straße entlang. Sie waren noch so jung, dass sie sich noch nicht um eine Heirat sorgen mussten. Ich seufzte.

Collin war den ganzen Tag über nicht vorbei gekommen. An Stelle von ihm aber noch zehn weitere Gentlemen, die alle Blumen oder andere kleine Presente brachten. Das Wertvollste war ein feines Armband aus Roségold. Kurz blickte ich zu meinem Handgelenk, an dem es hing. Ich mochte es und der Gentleman, der es mir schenkte war von allen Besuchern der Annehmlichste. Denn Lord Ishton, Sohn des baron of Ishton, zeigte Höflichkeit und mehr Interesse an meiner Person, als an meinem Titel. Allein das machte ihn schon sympathisch, denn die anderen Gentlemen fanden den Titel meines Vater sehr schmeichelhaft. Zwar konnte ich es ihnen nicht verdenken, da ein Count viel Ansehen in der Gesellschaft genießt, doch trotzdem wünschte ich mir eine Ehe in der man sich wenigstens nicht verachtete.

Aber genug dieser Gedanken. Ich brauchte Gesellschaft, die mich ablenkte. Ich brauchte die Unterstützung meiner guten Freundin Melody Wiseguard. Sie konnte dem Ball am gestrigen Abend nicht beiwohnen, da sie sich nicht fühlte. Doch mittlerweile müsste es ihr doch besser gehen. Ich hoffte es, also stieß ich mich von der Fensterbank ab und ging nach unten. Dem Bediensteten, der vor der Haustür stand, teilte ich mit, dass ich noch bei Melody sein würde. Dann verließ ich das Haus und ging die Straße entlang. Melody wohnte zum Glück nicht weit entfernt.

Nach etwa zehn Minuten kam ich vor dem Anwesen der Wiseguards an. Die weiße Fassade strahlte im Licht der Abendsonne. An der unteren Hälfte säumten sich Efeuranken, die vereinzelt nach oben wuchsen. Es wirkte jedoch keineswegs unordentlich, sondern stimmig.

Noch bevor ich an der Tür ankam, wurde sie von einem Bediensteten geöffnet, der mich freundlich grüßte. "Guten Abend Miss Moray. Ihr wollt zu Miss Wiseguard, richtig?"

"Ja genau. Ist sie oben?" Ich blickte zur Treppe hoch, die, wie bei uns, gegenüber vom Eingang lag. Der Bedienstete bejahte dies und ging zu Melodys Zofe, wohl um ihr Bescheid zu sagen, dass ich wartete.

Es dauerte nicht lange, da ertönte Schritte von oben. Ich ging etwas näher zur Treppe und entdeckte Melody, die fast unten angekommen war. Als sie mich erblickte, erhellte sich ihr Blick. Sie hob ihre Hand, in der sie ein gefaltetes Blatt hielt. So wie ich es erkennen konnte, musste es sich um Lady Whistledown's Schrift handeln.

"Juliette, ich freue mich, dass du da bist!" Sie brachte die letzten Stufen hinter sich und schloss mich hastig in eine Umarmung. "Lady Whistledown hat dich erwähnt. Ich muss gestern wohl so viel verpasst haben. Du bist auf die Hastings getroffen und hast mit Collin Bridgerton getanzt!"

Ich löste mich aus der Umarmung und grinste. Gestern war viel passiert und nicht alles positiv, aber ereignisreich war der Abend auf jeden Fall gewesen."Du hast wirklich gefehlt, Melody. Mit dir hätte ich den Abend sicher besser durchgestanden. Geht es dir denn besser?"

"Ja. Zum Glück kann ich dann beim nächsten Ball dabei sein. Das war echt schade gestern, aber mir war irgendwie schlecht und schwindelig. Das wollte ich dann nicht. So hätte man doch keinen guten Eindruck hinterlassen können bei den Gentlemen." Sie lächelte leicht, aber sah immer noch blass aus und sofort fing ich mir an Sorgen zu machen. Mit den anderen habe ich mich nie gut verstanden, aber bei Melody war es anders. Das war auch gut so, denn ohne eine Freundin wäre es wirklich nicht einfach in der High Society Londons zu überleben.

"Dann ist es umso besser, dass es dir jetzt wieder gut geht. Beim nächsten Ball kannst du dann alle erstaunen mit deinem auftreten. Aber dir geht es doch besser, oder?" Besorgt musterte ich Melody. Ich wollte nicht, dass sie eine ernsthafte Krankheit hatte.

"Ja es geht schon wieder. Mir geht es besser. Der nächste Ball ist ja auch erst in zwei Tagen. Bis dahin sollte es gehen. Aber ist auch nicht so wichtig. Was viel wichtiger ist: Wie tanzt Collin Bridgerton?" Melody schaute mich erwartungsvoll an.

Plötzlich war ich gedanklich wieder beim gestrigen Abend und fand mich in den Armen Mister Bridgertons wieder. Er hatte mich über das Parkett getragen und mir ein so leichtes Gefühl gegeben. "Es war einfach zauberhaft. Er kann so gut tanzen und hat mich über das Parkett schweben lassen und dann... Dann hat er mir ein Kompliment gemacht, dass mich völlig aus der Situation geworfen hat. Aber ich hoffe wirklich, dass ich beim nächsten Ball noch einmal die Gelegenheit bekomme mit ihm zu tanzen. Das wird dann sicher nicht so enden."

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(Es tut mir leid, dass die Veröffentlichung dieses Kapitels so lange gedauert hat. Ich habe die Bridgerton FF ganz sicher nicht vergessen, aber für mich geht es gerade auf das Abi zu und der pandemiebedingte Heimunterricht vereinfacht diese Situation nicht wirklich, weshalb ich es nicht schaffe oft etwas neues hochzuladen. Also bitte denkt nicht, dass ich gerade nicht mehr weiter schreiben möchte. Ich habe nur andere Prioritäten. Trotzdem vielen lieben Dank für all eure Reads,  Likes und die Kommentare. Das bedeutet mir viel.)

Another Season / Bridgerton FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt