Kapitel 2

1.8K 64 1
                                    

Bedrohlich ragte die hohe, doppelte Holztür vor mir auf. Ich verfolgte die goldenen Linien auf der weißen Tür mit meinen Augen, um mich etwas abzulenken und zu beruhigen. Mir blieb nur eine einzige Chance, um einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Mein Herzschlag verschnellerte sich und plötzlich fühlte sich mein Mieder noch viel enger an, als es ohnehin schon war. Es schnürte mir die Luft ab und ein paar dunkle Punkte begannen vor meinem Blickfeld zu tanzen. Meine Mutter bemerkte meine Nervosität wohl, den sie tippte mich kurz an und lächelte mir ermutigend zu.

Ich drehte meinen Kopf leicht zu ihr, ohne die Tür aus den Augen zu lassen. "Meinst du sie werden etwas merken?" Nun drehte ich meinen Kopf doch zu ihr und schaute sie beunruhigt an.

"Was meinst du, Liebes?" Einen Moment lang erwiderte sie fragend meinen Blick. Dann stockte sie kurz und schaute unauffällig um sich. "Es ist alles normal. Atme tief durch. Alles wird gut laufen."

Während von der anderen Seite der Tür eine verkündende Stimme durchdrang, atmete ich noch einmal tief durch und schüttelte innerlich meine Bedenken ab. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Zweifeln. Dann hörte ich ein Klicken und die Türen öffneten sich direkt vor mir. Einige Meter entfernt, direkt gegenüber von der Tür saß die Queen auf ihrem Thron. Um sie herum stand ihre Gefolgschaft und links und rechts neben dem Teppich, über den ich gleich schreiten würden, standen die Familienmitglieder der Debütantinnen oder andere Adlige. Ich erkannte meinen Vater den Earl of Moray in einer der vorderen Reihen. Er schaute mit einem erwartungsvollen Blick zu mir.

Mir begann das Blut in den Ohren zu rauschen. Wie automatisiert setzten sich meine Beine in Bewegung. Mit leichten Schritten und einem sanften Lächeln näherte ich mich der Queen. Als ich vor den Stufen zum Stehen kam, knickste ich mit gesenktem Kopf. Ich spürte, wie ihr kritischer Blick auf mir lag und mich musterte.

Nach einigen Sekunden blickte ich vorsichtig auf. Die Queen war aufgestanden und kam zwei Stufen herunter. Dann schaute sie zu mir "Ihr seid wahrlich eine makellose Erscheinung." Dann schaute sie zu der Countess of Moray. "Gut gemacht." Sie drehte sich um und ließ sich elegant auf ihrem Thron nieder.

Immer noch benommen von diesem Kompliment drehte ich mich um und schaute dabei auf die Menschen, deren Blick auf mir lag. Die meisten, darunter auch mein Vater schauten mich bewundernd an. Es freute mich, dass ich dieses hohe, wenn nicht sogar das höchste Kompliment von der wichtigsten Person in diesem Land bekommen hatte. Die Queen höchst persönlich hatte mich gelobt. Das war unheimlich viel wert.

Meine Eltern und ich wurden rausbegleitet, als wir den Saal verlassen hatten. Das war ziemlich gut, denn den Weg aus diesem riesigen Schloss hinaus zu finden, schien für mich fast unmöglich. Als wir dann endlich zu dem riesigen Eingang des Schlosses kamen, fühlte ich, wie die Anspannung etwas nachließ. Zwei Wachen öffneten die massiven Eingangstüren und wir gingen zu unserer Kutsche, die auf dem Vorplatz vor dem Schloss gewartet hatten. Auf dem Weg dorthin atmete ich die frische Luft erleichtert ein. Dieser erste Schritt war geschafft und ich war erfolgreich dabei.

Der Kutscher öffnete die Tür der Kutsche. Zuerst stieg mein Vater ein, dann reichte der Kutscher meiner Mutter die Hand, damit sie einsteigen konnte und zuletzt betrat ich die Kutsche. Zufrieden ließ ich mich auf der Sitzbank gegenüber von meinen Eltern nieder.

"Ich bin sehr stolz auf Euch, Juliette. Ihr werdet sicherlich erfolgreich sein in dieser Saison." Mein Vater lächelte und schaute dann glücklich zu meiner Mutter, die seinen Blick erwiderte. Dann schaute sie zu mir, nahm meine Hände und drückte sie leicht. "Liebling, du hast es geschafft. Du hast sie alle überzeugt. Und morgen wirst du jeden Mann überzeugen und jeden wünschen lassen, an deiner Seite sein zu dürfen. Da bin ich mir sicher."

"Meinst du? Ich bin so aufgeregt und nervös, aber auch voller Vorfreude. Das Kleid ist hinreißend und morgen kann ich mich endlich allen darin präsentieren." Die Kutsche setzte sich in Bewegung und verließ das Gelände des Schlosses. Ich schaute aus dem Fenster und sah zu den vielen arrangierten Gewächsen, die am hohen Zaun des Schlosses hochgewachsen waren. Alles sah so perfekt aus und nach diesem Kompliment fühlte ich mich zum ersten Mal wieder etwas sicherer. Es freute mich, dass ich in diese Gesellschaft passte und gute Chancen hatte. Das war von hohem Wert.

Die Kutsche bog nach einiger Zeit, in der ich in Gedanken versunken aus dem Fenster geblickt hatte, auf unser Grundstück ein. Dann hielt sie an und der Kutscher öffnete die Tür. Erst verließ mein Vater wieder die Kutsche, diesmal stütze er meine Mutter selbst und ich verließ die Kutsche nach ihnen.

"Mir ist zu Ohren gekommen, wie spät Ihr gestern zu Bett gegangen seit. In Anbetracht des morgigen Tages und seiner Wichtigkeit werdet Ihr doch heute früher nächtigen, oder?" Der Blick des Earls wurde etwas strenger und ich senkte den Kopf.

"Es lag an meiner Nervosität. Ich werde es heute nicht dazu kommen lassen, seit Euch versichert." Mein Vater war strenger als meine Mutter und er pflegte es bei den Höflichkeitsformen zu verbleiben. Vor allem seitdem ich älter geworden war, hörte er auf, mich mit du anzusprechen. Anfangs war es ziemlich ungewohnt, aber ich verstand schnell, dass es etwas mit der Öffentlichkeit zu tun hatte und damit, dass der Ehemann der einzige Mann sein sollte, für den diese persönliche Ansprache gelten sollte. Bei Brüdern war es sicherlich anders, aber da meine Eltern keine Söhne hatten, galt das auch nicht.

Um jedoch dem Wunsch meines Vaters gerecht zu werden, ging ich bald nach dem Dinner in mein Zimmer. Zwar blieb ich wieder einige Zeit an meinem Fenster stehen und sprach ein kurzes Gebet, während ich zu den Sternen blickte, doch dann legte ich mich in mein Bett. Etwas beruhigt davon, dass mein Debut erfolgreich gewesen war.

Another Season / Bridgerton FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt