Unruhig wälzte ich mich hin und her. Meine Gedanken ließen mich nicht schlafen. Höchstens ein paar Minuten war ich eingenickt, bevor ich nachdenkend wieder aufschreckte. Die ganze Zeit musste ich an die Begegnung beim ersten Ball denken. Wenn das wirklich Johann war, dann musste ich ihn wieder sehen. Wenn er es war, dann hätte ich so viele Fragen, die er mir vielleicht beantworten könnte. Aber meine Eltern durften das nicht erfahren. Sie dürften nicht mal erfahren, dass er bei den Bluestarrs arbeitete.
Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, ob ich wirklich zu ihm gehen sollte, stand ich auf und eilte in den Ankleideraum, wo ich ein schlichtes, cremefarbenes Kleid überwarf. Die Schuhe nahm ich in der Hand mit. Auf Zehenspitzen schlich ich die Treppe hinunter und öffnete leise die Eingangstür. Niemand hatte mich bemerkt. Erleichtert atmete ich auf.
Erst als ich das Grundstück verlassen hatte, zog ich meine Schuhe an. Glücklicherweise war das Anwesen der Bluestarrs nicht weit entfernt von unserem. Ich konnte es also problemlos zu Fuß erreichen. Müsste ich jetzt noch einen Kutscher aufwecken, würde das Anlass zu ungewollter Aufmerksamkeit geben und das wollte ich nicht. Es sollte am besten niemand erfahren, dass ich überhaupt nach einem Bediensteten der Bluestarrs suchte. Aber ich musste unbedingt mit Johann reden. Wenn er es wirklich war, dann hatte ich so viele Fragen. Allen voran, wie er überhaupt Bediensteter wurde.
Das nervöse Gefühl ließ nicht nach. Es wurde sogar mit jedem Schritt größer, den ich näher an das Anwesen trat. Ich überlegte, wie ich denn überhaupt am besten in das Anwesen kommen sollte. Johann würde wohl kaum draußen im Garten sein und es mir so einfach machen, mit ihm reden zu können. Aber bevor ich mir weiter leere, nichts nützende Gedanken machte, verschob ich es lieber auf den Moment, wenn ich ankommen würde. Dann hätte ich auch einen Überblick über das Gebäude, an den ich mich richten konnte, um einen Weg zu finden. Beim Ball konnte ich mir keine Gedanken über den Aufbau des Gebäudes machen.
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Im seichten Licht des vollen Mondes konnte ich das Anwesen der Bluestarrs bereits erkennen. Mein Herz raste und ich dachte einen Moment darüber nach, ob ich nicht doch eher umkehren sollte. Vielleicht war es besser die Vergangenheit ruhen zu lassen.
Ich blieb kurz stehen, um tief durchzuatmen. Vor mir ragte der etwa zwei Meter hohe Metallzaun auf. Ich schaute zu dem großen Eingangsportal, ob dort jemand wachte, doch es schien still und ruhig zu sein, also legte ich meine Hände an das Tor, öffnete es einen Spalt und schob mich durch. Lautlos tapste ich von einem Gebüsch zum nächsten, um nicht entdeckt zu werden.
Zu meiner linken lag der dunkle, verschnörkelte Zaun. Zu meiner rechten ragten die dunklen Steinwände bedrohlich auf. Beim Ball war alles wunderschön geschmückt mit kleinen Laternen und Blumenranken, doch beim Vollmond sah es ganz anders aus. Im Gegensatz zu unserem hellen Anwesen war dieses aus dunklem Stein gebaut, der zwar edel, aber auch bedrohlich wirkte.
Plötzlich hörte ich einen leisen Gesang von dem Garten hinter dem Anwesen. Es war eine männliche Stimme, die sang. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich die Stimme von Johann erkannte. Er sang das gleiche Lied von früher, das was er schon immer gesungen hatte.
»Schaue hinauf zum Mond
Er wacht über uns. Er schützt uns und das was wir lieben. Immer von Tag eins bis Tag sieben.Zu seinen Seiten die Sterne, sie leuchten hell in der Nacht. Sie leuchten bis in die Ferne, bis du morgens erwacht.«
Wie in Trance schlich ich in die Richtung, aus welcher der Gesang kam. Es war tatsächlich Johann, der an einen Baum gelehnt in den Himmel schaute.
»Johann?« Ich verließ meine Deckung und schlich auf ihn zu. »Ich bin es, Juliette.«
Johann zuckte zusammen und drehte sich zu mir um. Seine Augen weiteten sich, als er mich erblickte und er stand auf. »Juliette?« Für einen kurzen Moment legte sich ein trauriges Lächeln auf sein Lippen, dann verschwand es wieder. »Du solltest nicht hier sein. Das weißt du. Ich hätte es beim Ball besser wissen müssen und mich im Hintergrund halten sollen. Aber das kann alles ruinieren. Verstehst du? Jede Anstrengung wäre umsonst gewesen.«
»Aber ich... Ich habe dich seit dreizehn Jahren nicht mehr gesehen. Ich dachte ich sehe dich nie wieder. Johann... Du hättest jetzt an meiner Seite sein sollen und jeder Anwärter hätte von dir kritisch beäugt werden sollen.« Ich spürte, wie sich Tränen den Weg nach draußen bahnten.
Johann trat die letzten Schritte, die er entfernt von mir stand auf mich zu und schloss mich in seine Arme. »Ich dachte auch, dass ich dich nie wieder sehen würde. Aber es war alles zu deinem besten. Du kannst das Leben leben, dass du verdient hast. Und du wirst einen dir ebenbürtigen Ehemann finden. Da bin ich mir sicher.«
»Hast du sie nochmal gesehen? Wie geht es ihr?« Ich brauchte nicht zu erwähnen, nach wem ich fragte. Johann wusste sofort, dass ich ihn nach unserer Mutter fragte.
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Another Season / Bridgerton FF
FanfictionDrei Jahre ist es her, dass Daphne Bridgerton und der Duke of Hastings geheiratet haben. Sie sind immer noch ein glückliches Paar und Juliette Moray wünscht sich nichts sehnlicher, als eine ebenso erfolgreiche Ehe einzugehen. Sie ist die Tochter von...