Kapitel 5

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"Nun, Immerhin konntet Ihr am gestrigen Abend an der Seite von Mister Bridgerton tanzen. Das war doch ein Erfolg, oder?" Amanda kämmte meine Haare und begann ein paar Strähnen für eine Frisur abzutrennen.

"Das war es. Aber Amanda, ich habe mich so sehr blamiert und dann war da diese Begegnung..." Mir wurde ganz schwindelig, als ich daran dachte, dass ich gestern wirklich Johann begegnet war. Zwar war es viele Jahre her, doch trotzdem war ich mir fast sicher, dass er es sein musste. Wenigstens konnte ich mir so sicher sein, dass er ein sicheres Leben führte und ein Dach über dem Kopf hatte.

"Welche Begegnung meint Ihr? Seit Ihr einem anderen Gentleman begegnet? Einem dem ihr mehr zugeneigt seid als Mister Bridgerton?" Sie schaute mich fragend an, während sie die abgetrennten Strähnen einzelnd flocht.

"Nein. So ist es nicht. Ich bin nur einer Bekanntschaft begegnet. Es ist lange her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Denn ich war noch ein kleines Mädchen. Das war noch, als wir die meiste Zeit auf dem Landsitz meiner Eltern verbracht haben." Ich schaute Amanda dabei zu, wie sie die geflochtenen Strähnen zu einem hohen Dutt zusammenfügte. Dabei versuchte ich krampfhaft die Gedanken an den gestrigen Abend beiseite zu schieben und mich auf den anstehenden Besuch zu freuen. Vielleicht würde ja sogar Colin Bridgerton vorbei kommen.

Nachdem ich fertig frisiert war, ging ich hinunter zum Salon. Dabei humpelte ich noch ein wenig, doch am Abend kam noch ein Arzt, der eine Salbe verwendete und mir den Fuß verband. Nun waren die Schmerzen schon abgeschwächt.

Meine Eltern saßen bereits auf den Sitzmöbeln. Mein Vater las in der Zeitung, während meine Mutter eine Tasse Tee trank. Ich ging hinüber zum Fenster und blickte auf die Straße. Dabei musste ich daran denken, wie ich gestern in diesem Korridor vor dem Ballsaal ohnmächtig geworden war. Meine Mutter hatte mich dort gefunden. Aber als ich wieder zu mir kam, war Johann nicht mehr da gewesen. Man hatte mir ein Glas Wasser gereicht und ich hatte gesagt, es läge daran, dass ich kaum etwas zu mir genommen hatte. Wir haben dann den Ball verlassen.

Ein Bediensteter tauchte in dem Eingang zum Salon auf und riss mich so aus meinen Gedanken. "Miss Moray, Besuch für Euch. Es ist Mister Stuart." Er nickte dem Earl und der Countess zu, die aufstanden, dann verließ er den Salon. Nach ihm trat Mister Stuart ein. Ich war etwas betrübt, ihn nun zu sehen, er war gestern mein letzter Tanzpartner vor Mister Bridgerton gewesen und dabei war er mir öfter auf meine Füße getreten. Außerdem sah er wirklich nicht attraktiv aus.

Hilfesuchend blickte ich zu meiner Mutter, die mich mahnend ansah. Ich wusste ich musste höflich bleiben, auch wenn es mir ganz und gar nicht zusagte. Also trat ich zum Eingang des Salons, wo Mister Stuart gerade durchtrat. Er hielt einen großen Strauß mit bunten Blumen in der Hand und lächelte. Dabei zeigte er seine etwas gelblichen und schiefen Zähne. "Ich bin erfreut Euch zu sehen Miss Moray. Ihr habt mich gestern wahrlich verzaubert."

Gerade lächelte ich noch höflich, doch nach diesem Kompliment hatte ich große Schwierigkeiten meine Mundwinkel oben zu behalten. "Oh wirklich? Ihr wart auch ein grandioser Tanzpartner." Ein besseres Kompliment, dass ich ihm geben konnte, viel mir nicht ein. Ich ertappte mich dabei, wie ich mir wünschte, dass Mister Bridgerton vorbei kommen würde, da ich so viel lieber in seiner Nähe wäre.

"Das freut mich. Wenn es euch beliebt, so können wir beim nächsten Ball gleich noch einmal einen gemeinsamen Tanz wagen." Er kam ein paar Schritte auf mich zu und küsste meinen Handrücken. Ich schloss kurz die Augen, um nicht wahnsinnig zu werden. Die Situation konnte sich doch nicht mehr verschlimmern.

Der Earl ging auf Mister Stuart zu und betrachtete ihn kurz. Offensichtlich missfiel ihm ebenfalls das Interesse dieses Gentlemans an mir. Das ließ mich beruhigt aufatmen. Mein Vater würde es also vielleicht nicht soweit kommen lassen, dass ich ihn heiraten müsste. "Ihr habt also das Interesse an meiner Tochter? Was könnt Ihr ihr denn bieten? Ich möchte meine Tochter in guten Händen wissen und ich möchte, dass es ihr an nichts mangelt. Versteht Ihr das?" Mein Vater musterte ihn mit strengem Blick und ich musste mich beherrschen nicht zum Ausdruck zu bringen, wie sehr mir diese Situation gefiel.

Mister Stuart stand da wie ein ängstliches Tier. Er war eingeschüchtert."Nun, ich kann ihr ein wunderbares Anwesen auf dem Land bieten. Meine Familie ist im Besitz einer kleinen privaten Menagerie. Selbstverständlich nicht mit lebensgefährlichen Tieren. Die Landschaft um das Anwesen herum ist auch bezaubernd."

"Bedauerlicherweise habt Ihr aber augenscheinlich keine besonders guten Voraussetzungen für Nachwuchs zu bieten. Ich denke Ihr solltet gehen und andere Debütantinnen umwerben. Das halte ich für das Beste und Miss Moray sicherlich auch." Der Earl schenkte mir einen kurzen Blick, der mir sagte, dass er diese Situation sicher geregelt hatte. Das beruhigte mich ungemein.

"Dann möchte ich einer erfolgreichen Partie Eurer Tochter nicht mehr im Weg stehen. Einen guten Tag noch." Etwas wütend und ohne weder meiner Mutter, noch meinem Vater oder mir eines Blickes zu würdigen, stapfte Mister Stuart aus dem Salon. Der Bedienstete wollte ihm die Tür öffnen, doch Mister Stuart schubste ihn beiseite, dann war er weg.

"Vielen Dank, Vater. Diesen Mann wollte ich nun wirklich nicht heiraten." Ich ging zu ihm und zu meiner und seiner Überraschung umarmte ich ihn einfach. Mein Vater legte distanziert kurz seine Arme um mich. Dann löste ich mich schnell wieder aus der Umarmung."Verzeihung."

"Ist schon in Ordnung, Juliette." Er lächelte und einen Moment fühlte es sich wie früher an, wo ich noch ein kleines Mädchen war und diese Distanz noch nicht existierte. Älter werden war wohl nicht einfach. Man war gezwungen sich von so viel Gewohntem zu verabschieden. Auch Dinge, die man gerne so gelassen hätte.

Another Season / Bridgerton FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt