𝘼𝙥𝙤𝙘𝙖𝙡𝙮𝙥𝙨𝙚 𝙊𝙛 𝙄𝙢𝙢𝙤𝙧𝙩𝙖𝙡𝙨

(𝟏) 𝐞𝐫𝐬𝐭𝐞 𝐁𝐞𝐠𝐞𝐠𝐧𝐮𝐧𝐠

Lilliths pov:

Na super...
Meine Mutter hat mich schon wieder rausgeschickt. Kann die mich nicht endlich mal damit in Ruhe lassen? Ich möchte doch einfach nur im Bett liegen bleiben, was versteht sie daran nicht?
Na schön... heute gehe ich noch einmal raus, ich will ihr ungerne widersprechen. Ich zieh mir einfach schnell meine Jogginghose und meinen Hoodie an.

Vor meiner Tür stehen schon wieder irgendwelche Leute aus der Nachbarschaft. Diesmal verhalten sie sich irgendwie angespannt. Ich würde gerne wissen was los ist, aber ich kann nicht einfach stehen bleiben und zuhören. Deswegen gehe ich weiter.

Meine Lieblingsstrecke, wo ich sehr oft langgehe, führt durch einen Wald. Am Ende komme ich dann immer an einem kleinen See raus, wo ich mich auch heute wieder auf eine Bank setze und Musik höre.

Violets pov:

Mal wieder bin ich von Zuhause abgehauen. Ich halte es dort nicht mehr lange aus. Mein Vater telefoniert 24/7 mit seiner neuen Freundin und schreit immer durch die ganze Wohnung.

Direkt unter uns wohnen meine Großeltern. Sie tun jedes Mal aufs Neue so, als ob ich deren Lieblingsenkelin bin, doch wenn es darum geht, dass ich auf Mädchen stehe, sieht es ganz anders aus. Sie wollten mich deswegen schonmal zu einem Psychologen schicken. Sie denken es wäre eine Krankheit.
Ich vermeide den Kontakt zu ihnen mittlerweile so gut es geht... auch wenn es schwer ist, da ich ihnen im Treppenhaus immer wieder über den Weg laufe.

Meinen Vater interessiert es übrigens nicht wie andere mit mir umgehen. Der hat nur noch Zeit für seine Freundin und seine Arbeit als Kellner. Ich hab ihn schon gefragt ob ich ausziehen darf - das ist tatsächlich ab 16 erlaubt, aber nur mit diesem Aufenthaltsbestimmungsrecht... also dürfte ich das nur mit dem Einverständnis meines Vaters und dazu dürfte er noch entscheiden wo ich wohnen könnte. Er hat es aber natürlich nicht erlaubt-

Und um dem Ganzen trotzdem zu entkommen, gehe ich raus. Dazu nehme ich meine Kopfhörer mit und höre nebenbei Musik. Meistens gehe ich neben dem Feld entlang, wo ich früher immer mit meinen Freunden gespielt habe als ich noch klein war.
Aber diesmal gehe ich einen anderen Weg.

Letztens hat meine Oma nämlich auch den Weg durch die Felder genommen und wir sind uns begegnet... das möchte ich diesmal verhindern also wähle ich die Straße die nicht weit weg ist. Sie führt in einen Wald, der eigentlich ganz schön aussieht.

Mein Lieblingssong läuft, ich hab gemütliche Klamotten an, die aber gleichzeitig auch ganz cool aussehen, Ich hab ausnahmsweise auch mal gute Laune. Eigentlich ein perfekter Tag.
Ich hab mich ja entschieden den Waldweg entlang zu gehen. Der sieht echt einladend aus. Jede paar Meter gibt es eine Bank. Grüne Flächen gibt es auch, dort könnte man gut picknicken. Ich würde das auch mal gerne machen, aber meine Freunde sind eher so Party-menschen.

Da uns die Freundin meines Vaters heute mal wieder besucht, beschließe ich länger draußen zu bleiben. Ich möchte ihr ungern begegnen. Sie kommt immer an - von wegen „Bring mal Farbe in dein Leben, du trägst ja fast nur schwarz..." oder „Kauf dir mal süße Kleider"... Also ich möchte schon gerne selber entscheiden was ich trage.
Außerdem trage ich ja auch lila- Ich hab die Farbe schon als kleines Kind geliebt. Ich hab früher nie begriffen, dass die Farbe so gut zu meinem Namen passt. Mir ist das damals in der 5. Klasse erst so richtig aufgefallen.

Ich bin anscheinend etwas zu weit in den Wald gegangen... Ich sehe nirgendwo mehr Bänke. Egal, ich gehe solange weiter bis ich einfach nicht mehr kann. Ich erkenne immer mehr Wasser hinter der Kurve in der ich mich gerade befinde. Es ist ein kleiner See. Da steht sogar doch noch eine Bank! Wenn ich dort ankomme, mache ich eine kurze Pause.

Lilliths pov:

Ich sitze hier jetzt schon gefühlt eine Stunde.
Meine Mutter schreibt mir normalerweise nach 30 Minuten schon, dass ich mich auf den Weg nachhause machen soll. Diesmal hat sie es aber nicht gemacht... Und geantwortet hat sie auf meine Nachrichten auch noch nicht. Ich versuche sie anzurufen, aber es ist besetzt.

Ich wollte gerade aufstehen, aber genau in dem Moment höre ich etwas. Jemand geht den Weg hier entlang. Ich hab eigentlich die ganzen Wochen, wo ich hier war, noch niemanden hier gesehen. Das Geräusch kommt immer näher und ich kann hören, dass jemand Musik hört. Aber nur ganz leise.
Hinter der Kurve kommt ein Mädchen hervor. Sie trägt Kopfhörer. Daher kam die Musik also. Ich möchte den Weg nicht im selben Moment wie sie gehen, also bleibe ich noch kurz auf der Bank sitzen. Aber ich bemerke, dass sie in meine Richtung kommt.

„Hey, kann ich mich hier hinsetzen? Ich muss mich mal kurz ausruhen."

Ich hab natürlich zugestimmt. Ich bin eher nicht so der Mensch, der sich gerne mit anderen unterhält, aber bis jetzt hat sie ja noch nicht viel gesagt.
Ich sehe wie sie versucht jemanden mit dem Handy zu erreichen. Bei ihr geht wohl auch keiner dran. Ich erzähle ihr, dass meine Mutter eben auch nicht rangegangen ist.

Normalerweise würde ich neben jemandem, den ich überhaupt nicht kenne, gar nicht erst reden, aber ich finde es schon ein bisschen strange, dass zufällig gerade bei uns beiden niemand ans Handy geht.