Der Schatten

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Ich bin Recht genervt davon, dass ich Recht hatte. Der Ladenbesitzer ist tatsächlich männlich. Nicht nur das, er ist auch der Mann, der sie neulich nach Hause gebracht hat.

Sportliche Statur.
Hoch gewachsen. 
Dunkelgrüne Augen.
Glänzende Haare, deren Farbe ihren schon etwas grauen Ansatz gut verbergen.
Und eine Ausstrahlung, die mir zu bedenken gibt. Alles in allem ein Mann, den selbst ich als gut aussehend beschreiben muss.

Was bin ich schon im Vergleich dazu?

Ich schaue an meinen dunkel Umrandeten Händen herab. Selbst ich sehe mich nur noch als Schatten. Die Erinnerung an mein Aussehen sind daher schon ziemlich verblasst. Ich kann mich jedoch entsinnen als was Sie mich immer bezeichnete. Einen Mann mit außergewöhnlich schönen Augen.
Welche Farbe diese genau haben, weiß ich nicht mehr. Ich glaube grau. Aber was ist an grau schon schön? Na ja Sie war eben sonderbar.

"Und Vergangenheit", ermahne ich mich.

Schmerzhaft zerrt etwas in mir.
Gefolgt von einer merkwürdigen Taubheit und Tifas Gefühlschaos, welches in glühenden Wellen gegen meinen Geist schlägt.

Manchmal ist es ganz gut, dass ich ihre Emotionen fühle. So kann ich nie in Selbstmitleid verfallen.

Ich drehe mich zu ihr.
Was ich sehe gefällt mir nicht.
Dieser Mann wagt es auch noch sie an der Hand in den Laden zuziehen.
Was hat er wohl vor?
Misstrauisch folge ich den Beiden.
Eigentlich hatte ich vor sie an allein zu lassen, um sie nicht in unangenehme Situationen zu bringen. Doch das Ganze ist seltsam und klingt in mir einige Arlamglocken.

Alric.
Sein Name lautet anscheinend Alric.
Er ist einer dieser Männer, welche ich schwer einzuschätzen finde. Sein Auftreten ist beinahe aalglatt. Er wirkt höflich, zuvorkommend und positiv.
Allerdings trügen Fassaden oft. Und leider kann man einem Menschen nur vor den Kopf schauen und nie dahinter.
Tifa versteht meine Skepsis nicht.
Sie glaubt stets an das Gute in ihrem Gegenüber. Aber Menschen sind nun mal nicht gut. Sie neigen häufig zu Egoismus, handelm meist aus Ichsucht und schlechten Beweggründen. Für sie zählt doch nur das Ergebnis und nicht das Mittel.

Für mich zählt nur ihr Glück.

Ich halte mich im Hintergrund des Ladens auf. Tifa ist erfreulicherweise ein wenig unachtsam, wenn es um ihre Umgebung an geht. Man kann sie daher leicht erschrecken und beim Versteckspielen war sie als Kind wirklich schlecht. Hin und wieder brauchte sie so lange zum suchen, dass die anderen keine Lust mehr hatten und einfach davon gelaufen sind. Dann hat sie Stunden nach Personen gesucht, die schon längst nicht mehr da waren. Als sie es bemerkte fing sie kein einziges Mal an zu heulen. Sie lachte nur. Tatsächlich war ihr inneres jedoch am bluten. Ein unangenehm bitteres und leeres Gefühl, das kalt unter meine Haut kroch. Wie eisige Hände, welche einem den Rücken runter fahren.

Bei der Erinnerung daran sträubt sich jede Faser meines Körpers. Ich schüttel mich.
Auch das ist vergangen.

Alric bindet Tifa eine Schürze um, das Grün schmeichelt ihrer Haut. Erinnert mich immer an Elfen. Durch die Länge ist ihr Rock nicht mehr zu sehen. Vielleicht hätte ich ihr sagen sollen, dass es besser ist sich umzuziehen. Nur schaue ich sie selbst zu gern an. Es bereitet mir immer Freude, wenn sie mit ihren hübschen Kleidern draußen herum läuft. Sie bemerkt die Blicke der anderen nie. Daher strahlt sie einen Bescheidenheit aus, die hervorhebt wie ehrlich sie eigentlich ist.
Sie will andere nicht verletzen.
Sie nimmt die Schuld stets auf sich.
Sie senkt den Kopf.
Und lächelt.
Verliert nie ihre positive Einstellung.
So war sie schon als ich sie fand.
Obwohl da so viele schreiende Menschen, so viel Chaos und Leid war. Tifereth sah mich auf sie zu kommen, zögerte nicht nach meine Hand zu greifen und gab mir das traurigeste Lächeln, das ich je gesehen habe.

Normal bin ich kein Mensch der in Erinnerungen schwelgt. Ich bemühe mich einen Absatz zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu setzen. Rational und logisch.
Den das was war, wird nie zurückkehren.

Von meinem Platz aus kann ich kaum hören, was die Beiden sagen, doch sie scheinen zufrieden. Glücklich. Irgendwie ist es verkehrt sie zu bewachen. Ich verlasse das Geschäft. Drehe mich nicht um. In einiger Entfernung ist eine Bäckerei. Gerade noch im Radius in dem ich mich fortbewegen kann. Circa 1 kilometer von ihrem Standort aus kann ich mich bewegen, ohne das meine Organe schmerzhaft zugerschnürrt werden. Keine Ahnung was dieser rote Faden ist. Doch seine Verbindung ist unmittelbar.

Ich setze mich an ein Tisch.
Natürlich kommt keine Bedingung, um meine Bestellung aufzunehmen.
Natürlich esse ich nichts trotz knurrenden Magens. Schließlich ist stehlen Falsch. Auch für unsichtbare Menschen, die nicht länger Teil der sichtbaren Gesellschaft sind.
So sehe ich das auf jeden Fall. Wie es anderen Schatten geht, weis ich nicht. Ich bin noch nie einem begegnet. Ob es überhaupt noch so jemanden gibt? Wenn ja hätte ich tausende Fragen an ihn.

Aber dieses wenn, falls, wäre oder würde - ist nicht gerade mein Spezialgebiet. Es ist etwas das von Tifa auf mich abfärbt. Dieses andauernde Chaos. Nachsinnen über irreale, irrelevante und irrational Dinge. Doch hin und wieder ist es ein netter Zeitvertreib.
Dann frag ich mich..
Was wäre wenn ich sie berühre?
Wenn sie bemerkt das ich Real bin?
Was wäre wenn ich meine Unsichtbarkeit verliere?
Wenn ich wieder sichtbar wäre?
Was wäre wenn ich meine Gefühle doch falsch beruteile?
Wenn ich anders über sie Denke als ich wollte?
Was wäre wenn ich nur diese eine Laugenstange klaue?
Nur einmal?

Und wie man sieht ist was wäre wenn nicht nur ein Zeitvertreib. Es ist eine Zeitverschwendung mit Dingen, die niemals eintreten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 16, 2021 ⏰

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