Schweigend gehen wir die letzten Stufen hoch.
Es tut weh.
Mein Fuß und mein Inneres.
Ich mag es nicht, dass er mich mit diesem Fremden gesehen hat. Irgendwie verwirrt und verzweifelt zehre ich an meinen eigenen Haaren. Schuldig kaue ich auf meiner Unterlippe.
Ich hätte einfach Nein sagen sollen.
Ich hätte selbst aufstehen und zurück gehen sollen.
Ich hätte.."Möchtest du mir nicht so langsam mal erklären, was draußen passiert ist?"
Halvors Stimme klingt ungeduldig. Er hat meine Gedanken unterbrochen, die ansonsten in Dauerschleife weitere Stunden in meinem Kopf gekreist wären.
"Nein, möchte ich nicht. - eigentlich ist es sowie so völlig unnötig mit dir darüber zu reden."
Den letzten Satz murmel ich leise vor mir her. Mich schlecht zu fühlen ist ebenso unnötig. Schließlich habe ich nichts verkehrt gemacht. Schließlich schulde ich Halvor keine Erklärungen. Aber all diese lauten Gedanken schlucke ich mal wieder runter.
"Wie bitte?!"
Hals Worte klingen bestimmt und irgendwie hart. Egal wie Fürsorglich er ist, seine Art bleibt irgendwie immer widersprüchlich. So merkwürdig verdreht. So als wüsste er selbst nicht genau, was er tut oder sagt oder denkt. Trotz all meiner Bemühungen werde ich aus meiner eigenen Schöpfung nicht schlau. Er hat nichts mit mir gemein und manchmal ist er auch nicht das, was ich mir wünsche.
"Möchte ich nicht hab ich gesagt. Wirst so langsam wohl schwerhörig."
Ich zwinge mich zu einer Antwort bevor Hal mich erneut fragen muss.
"Na gut wenn du meinst."
Ich hasse es, wie es ihn scheinbar nicht interessiert. Ich hasse es, dass er in solchen Momenten nicht einfach verschwindet. Stattdessen folgt er mir auf jeden Schritt. Und vor ihm weg laufen ist unmöglich. Immer wenn ich versuche aus seinem Blickfeld zu fliehen, dann fühlt es sich so an als würde ein Faden mein Herz zu schnüren. Es zieht und sticht.
Vermutlich bin eher ich die verdrehte von uns beiden."Ja meine ich."
Mal wieder gebe ich nach. Meine sture Ader kann einfach nicht schnell klein beigeben. Genervt ziehe ich meine Klamotten aus und lass sie auf den Boden fallen. Kleidungsstück für Kleidungsstück zeichnet einen Weg hinter mir her. Wenn Hal könnte würde er sie garantiert aufheben. So ist er nun mal. So organisiert. So anders. Er liebt Ordnung und ich bin ein kleines Chaos.
"Du stures Kind."
Da war es wieder.
Ich atme schwer aus.
Verkneife mir eine 'tz'.
Einfach runter schlucken.
Egal wie postiv mein Tag beginnt.
Egal wie gut ich mich gefühlt hatte.
Ein Wort zu viel von ihm und es ist vorbei."Hör auf mich immer als Kind zu sehen!"
Brodeln die Worte schlussendlich doch aus meinem Mund. Sich zu ändern kostet viel Mühe. Es ist ein langer Weg und viel Anstrengung. Irgendwann werde ich das wohl auch auf die Reihe bekommen.
Schweigen.
Es weiß garantiert nicht so recht, was er sagen soll. Wenn ich so drauf bin, dann kann man eigentlich nie etwas richtiges sagen. Dann ist so ziemlich alles falsch.
Und das -"Aber du bist nun mal eins. Besonders wenn du dich so aufführst."
Frustriert von der Wahrheit senke ich den Kopf, beiße mir auf die Lippen und schlucke meine Wut runter.
"Ich hasse das.."
Ich hasse dich, will ich am liebsten hinzufügen.
Doch das stimmt nicht.
Hassen ist eine so starke Emotion. Wenn wir jemanden hassen, dann würden wir ihm beim sterben zu sehen. Selbst wenn wir es verhindern könnten, würden wir nichts tun. Nein es würde uns sogar freuen.
Lachend heb ich den Kopf.
Viel mehr das Gegenteil ist wahr.
Genau das ist ja das Problem.
Ich würde ihn niemals verlieren wollen.
Ich würde mich niemals über etwas so ungerechtes freuen.
So viele Worte laufen in so kurzer Zeit durch meinen Kopf. Jedes mal muss ich entscheiden, was ich laut ausspreche und was nicht.
Mein Lachen verstummt.Demonstrativ nehme ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank und setze zum trinken an.
Mein Blick sucht dabei seinen in der unendlichen Schwärze seiner Umrisse.
Warum kann ich ihn nicht sehen?
Anfassen?
Wenn er mir doch einfach nur sanft über die Wange streichen würde. Wenn ich doch nur seine Wärme fühlen könnte.
Aber ich kann nicht.
Das ist die grausame Realität einer Halluzination. Im Endeffekt bringt sie einem gar nichts. Denn das was man sich am meisten wünscht, kann sie niemals erfüllen."Ich geh besser."
"So wie immer wenn es dir am besten passt. IMMER schön weglaufen. Nicht wahr?"
Bissig werde ich immer lauter.
Wie gesagt, egal was Hal entgegnen könnte, nichts davon hat einen Sinn. Nicht wenn meine negative Seite mein sonst so positives Gemüt überschattet."Tifa reiß dich zusammen. Das bist nicht du."
Wie es mich anwidert, wenn er recht hat.
"Und solange du so drauf bist, hab ich auch keine Lust hier auf dich."
Ich will mich umdrehen. Ihn überreden zu bleiben, aber da ist er auch schon verschwunden. Tränen steigen in meine Augen. Seine Worte dringen tief ein wie ein Messer, angesetzt um mich zu durchschneiden.
Es klingt immer so als wäre ich nicht annehmbar. Als wäre ich nur in guter Laune wertvoll oder zu ertragen. Als Bestände ich aus zwei Personen, von der eine unausstehlich ist. So herabgesetzt, so behandelt zu werden, ist etwas an das ich mich einfach nicht gewöhnen kann.
Aber ich kann auch nicht wütend auf ihn sein. Schließlich sagt er nur die Wahrheit.
Schließlich meint er es nur gut.
Schließlich ertrag ich mich ja nicht mal selbst.Jedes mal wenn wir so diskutieren, beinahe streiten, frag ich mich, ob es das wert ist. Ist er es wert? Ist es dieser dauernde Schmerz es wert? Lohnt es sich sich verletzen zu lassen, nur damit man nicht allein ist?
Falsch.
Ich mach das nicht alles mit nur damit ich nicht einsam bin. Ich mach das alles mit, weil ich ihn nicht los lassen kann. Weil ich Gefühle für ihn habe, die ich nicht verstehe. Eine Wertschätzung.
Wie für einen Bruder?
Einen Vater?
Einen guten Freund?
Keine Ahnung. Wenn man nie etwas vergleichbares hatte, dann kann man es auch nicht definieren. Trotzdem kann ich sagen, dass ich ihn nichr verlieren will.
Er hat mir durch die schlimmsten Jahre halt gegeben. Er wird es weiter tun.Besänftigend legt sich der Gedanke über mein aufgewühltes Herz. Dankbar setze ich mich auf die Bettkante. Lächelnd heule ich los. Ich lasse alles raus.
So erleichternd.
Meine Stimmung hebt sich wieder.
Trotz geröteter und brennender Augen fühle ich mich beruhigt.
Besser gelaunt kümmere ich mich um mein Fuß, esse eine Kleinigkeit und lege mich hin.
Es dauert nicht lange bis ich grinsend einschlafe. So ist das immer. Das machte mich aus. Diese positive Seite, die am Ende von den meisten Tagen siegte.
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Die Schatten dieser Welt (pausiert)
FantasyIn einer Welt in der rote Fäden das Sichtbare mit dem Unsichtbaren verbinden, ist es schwer das wirklich Wichtige zu sehen. Tifa ist die einzige, die Halvor sehen kann. Er ist ihre Halluzinationen. Ihr imaginärer Freund. Ihr Verbündeter. Oder?