29 | Gebrandmarkt

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Da wir uns durch den Hintereingang verdrücken, müssen wir uns nun wohl oder übel zu Fuß auf den Weg nach Hause machen. Und theoretisch hätte ich auch nichts dagegen, schließlich ziehe ich Spaziergänge sowieso Autofahrten vor, besonders dann, wenn die Sonne schon längst untergegangen ist und die Luft so klar und kühl ist, doch heute ist es anders.

Die ganze Situation ist anders.

Denn ich spüre noch immer diese intensive Spannung zwischen Ryle und mir und ich schaffe es nicht, mich richtig davon zu erholen. Jedes Mal, wenn ich seinen Blick kurz auf mir spüre, kann ich nicht anders, als ihn zu erwidern, dann jedoch zwei Sekunden später wieder schuldig wegzusehen.

Dabei gibt es eigentlich nichts, weswegen ich mich schuldig oder schlecht fühlen müsste. Gut... die Umarmung vorhin war unangebracht, ich weiß, aber in dem Moment habe ich nicht klar denken können und habe mich ganz einfach von meinen Gefühlen leiten lassen. Nicht, dass ich etwas bestimmtes für Ryle empfinden würde oder so, dass ist es nicht, worauf ich hinaus will. Es lag schlicht und einfach an der tiefen Erleichterung, die ich in dem Moment empfunden habe.

Aber Diana wird es nicht verstehen. Egal, wie rum ich es auch drehe, letztlich weiß ich, dass sie es bestimmt in den falschen Hals kriegen wird. Zumal sie sowieso sehr anfällig ist, was alles angeht, was mit Ryle zutun hat...

»Da wären wir«, nehme ich plötzlich Mira's Stimme wahr, die mich aus meinen Sorgen reißt und mich dazu bringt, zu ihr zu sehen. Sie deutet auf ein Haus und lächelt dann. »Ich wollte noch einmal danke sagen. Es war echt alles andere als selbstverständlich und ich wüsste nicht, was ich ohne eure Hilfe getan hätte...«

Ich erwidere ihr Lächeln. Auch, wenn Ryle die meiste Arbeit geleistet hat, freue ich mich einfach nur, dass dieser Albtraum zumindest für heute für sie zu Ende ist.

»Dafür brauchst du uns nicht danken«, entgegne ich deshalb und meine es auch so. Jeder hätte helfen müssen. Okay, nicht jeder hätte sich ins Messer stürzen müssen, wie Ryle es getan hat, aber helfen ist etwas, dass ich von jedem Menschen voraussetzte.

Zumindest von jedem, der in der Lage dazu ist.

»Alana hat recht. Wir haben gerne geholfen«, kommt es nun auch von Ryle, und ich bekomme gegen meinen Willen eine Gänsehaut vom Klang seiner Stimme. Diese hört sich nämlich leicht erschöpft an und ist dadurch so rau und tief, dass sie noch männlicher klingt, als ohnehin schon.

Als wäre sein Aussehen nicht genug...

Warum muss nur auch seine Stimme so unglaublich attraktiv sein?

»Trotzdem... das werde ich euch echt nicht vergessen«, beharrt Mira, ehe sie sich verabschiedet und ins Haus verschwindet. Wie das letzte Mal auch lässt sie mich mit Ryle alleine zurück, nur dass es diesmal schlimmer ist. Denn Diana ist nicht in der Nähe. Und ich fühle mich irgendwie noch immer schuldig dabei...

Ich atme tief durch, doch zucke zusammen, als ich aus dem nichts eine Berührung an meiner Schulter spüre. Erschrocken sehe ich zu Ryle, der urplötzlich direkt neben mir steht. Eine gewisse Wärme umhüllt mich, als er mir noch näher kommt und nun auch seine andere Hand auf meine andere Schulter legt.

»Was...« Ist das einzige, was ich hervorbringe, während ich in Ryle's grauen Augen starre. Diese jedoch sind starr auf... meinen Hals gerichtet.

Ich brauche einen Moment, um zu realisieren, was er tut. Gerade, als ich es so richtig zu verstehen versuche, fasst er plötzlich sanft nach meinem Kinn, um meinen Kopf zur Seite zu neigen. Ich halte den Atem still, als er mir noch näher kommt.

Er scheint es noch nicht einmal zu merken, umso mehr reagiert mein Körper jedoch darauf. Mir wird ganz heiß, doch erstarre, als ich seinen Atem an meinen Nacken spüre.

Matching Hearts ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt