Kapitel 8 - Besonders

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Nahlas Herz schlug mit einem Mal viel schneller, als es sein sollte. Sie stand auf der ersten Treppenstufe, drehte sich langsam nach hinten mit ihrem ganzen Körper und blickte sogleich in das Gesicht von Ruan, dessen dunkle Irden sie anfunkelten. Vielleicht kam es ihr auch nur so vor. Die Leute, die an ihnen vorbeiliefen, bemerkte Nahla nicht wirklich. Ruans Blick schien sich in ihren zu bohren und sie dort festzuhalten, wo sie war. Ihre Hand umklammerte das Treppengeländer fester. Sie versuchte ihre Stimme wiederzufinden, doch seine Erscheinung hatte einen gehörigen Einfluss auf ihr Verhalten. Er trug ein schwarzes Shirt, dessen Ärmel bis zum Ellenbogen hochgeschoben wurden und eine dunkelgraue Hose mit passenden schwarzen Schuhen. Seine Haare waren nicht wirklich frisiert und ein paar schwarze Strähnen fielen ihm auf die Stirn, was unglaublich gut aussah. Wenn man ihn mit den anderen Männern hier verglich, war er eher locker gekleidet, aber dies änderte nichts daran, dass er mit seinem attraktiven Gesicht und der goldbraunen Haut ziemlich stark auffiel. Er war kaum zu übersehen und dies bezeugten auch die zwei Frauen, die gerade dabei waren die Treppen nach oben zu steigen und Ruan förmlich mit ihren Blicken anhimmelten. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in Nahlas Magen breit, dessen Grund sie nicht verstehen konnte. Sie musste zugeben, dass es ihr gefiel, dass Ruan den beiden kaum Beachtung geschenkt hatte.

„Mr. Serano", krächzte sie nach einer Weile mit einer heiseren Stimme heraus. Sie wusste nicht warum sie ihn immer noch siezte, obwohl Ruan sie beim Vornamen ansprach. Irgendwie kam es Nahla selbst schon wie ein jämmerlicher Versuch vor, eine Distanz zwischen sie zu bringen, was Ruan sichtlich zu ignorieren schien.

„Waren wir nicht schon per Du?", fragte er mit einem unwiderstehlichem Lächeln, sodass Nahlas Knie weich wurden. Waren sie das?
„Ich glaube nicht", antwortete Nahla.
„Dann wird's höchste Zeit dafür, findest du nicht?"
„Ich glaube..." Nahlas Worte wurden unterbrochen, als jemand sie hart von hinten anrempelte, sodass sie erschrocken nach Luft schnappte und dabei nach vorne fiel. Dazu sollte es freilich gar nicht erst kommen, denn ihr Sturz wurde sofort von Ruan abgefangen, der sie an den Schultern packte und an sich zog. Ihr Herz schlug wie wild. Der Mann, der sie angerempelt hatte, lief schwankend und lachend die letzte Stufe hinunter und schenkte ihnen kaum Beachtung. Arschloch!

„Pass auf wo du hinläufst! Cabrón!", rief Ruan ihm wütend zu, während er sie weiter festhielt. Noch vor ein paar Sekunden war seine Stimme seidenweich und jetzt wirkte er unsagbar zornig. Was hatte er da gesagt?

„Was bedeutet das?", fragte Nahla neugierig und lenkte somit seine Aufmerksamkeit wieder auf sich, was ihn dazu veranlasste, seinen Blick von dem Betrunkenen zu lösen und wieder sie anzusehen. Fast hätte sie gelächelt, nachdem sie bemerkt hatte, dass seine Gesichtszüge weicher wurden, als er sie betrachtete.

„Geht es dir gut?" Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine kleine Sorgenfalte gebildet, was ihr irgendwie gefiel. Sie nickte einfach, um zu zeigen, dass alles in Ordnung war. Es war nur halb so wild. Ihre Schulter pulsierte zwar etwas, weil dieser Blödmann sie echt hart getroffen hatte, aber es ging schon. Sie wollte nicht so mickrig erscheinen. 

„Wir sollten nicht hier stehen bleiben." Bevor Nahla überhaupt etwas sagen konnte, ließ er ihre Schultern frei, umgriff diesmal ihr Handgelenk und zog sie auf den Gang, wo sich die Toiletten befanden. Hier war es ruhiger und es liefen keine Menschen ständig umher, die sie stören konnten. War das gut oder schlecht? Jetzt waren sie nämlich alleine. Und es kam Nahla merkwürdig vor, dass sie sein Griff nicht störend fand. Im Gegenteil, als er ihre Schultern freigegeben hatte, verschwand auch sofort die Wärme, die Nahla so wohlig umschmeichelt hatte. Ruan stellte sich ihr gegenüber und sie musste ihren Kopf heben, um in seine Augen zu schauen, weil er lediglich nur ein paar Zentimeter von ihr entfernt war. Diese Erkenntnis sorgte dafür, dass sich Nahlas Brustkorb viel zu eng anfühlte.

Nahla - Wirst du vertrauen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt