Kapitel 18 - Schuss

62 14 2
                                    

„Ist es hier?" José nickte und stellte sich neben Ruan hin, während sein Blick durch die schäbige Gegend umherschweifte. Nichts hatte sich verändert, seit dem letzten Mal, wo die beiden Brüder in der Gegend waren. Mies wie eh und je. Ruan schob die Tür des alten Apartments auf und lief direkt auf die Treppen zu. Er wusste von seinem Informanten, dass der Junge, den sie suchten im zweiten Stock wohnte. Auf der rechten Seite. José folgte seinem Bruder auf Schritt. Sie hofften beide, dass sie diesmal fündig wurden. Die Vorfälle hatten sich in letzter Zeit überhäuft und Ruan war sauer. Sehr sauer. Sein Club war der einzige Ort, an dem keine illegalen Geschäfte liefen und das würde in Zukunft auch so bleiben, denn das hatte er sich selbst versprochen. Er würde jeden zur Rechenschaft ziehen, der dem entgegenwirkte. Deshalb war er auch hier. Er klopfte gegen die Tür und wartete ein paar Sekunden. Keine Regung. Diesmal schlug Ruan mit seiner geballten Faust gegen die Tür. Man konnte nicht behaupten, dass er wirklich geduldig war. Er hörte leise Schritte und mit jeder Sekunde, in der diese verdammte Tür nicht geöffnet wurde, steigerte sich seine Wut. „Oh Mann, wenn der Kleine uns noch eine Weile hinhält, wird diese Wohnung bald keine Haustür mehr haben", warf José ein, während er lässig an die Wand gelehnt, stand. Weitere Sekunden verstrichen und in dem Moment, wo Ruan seine Geduld verlor, wurde die Tür von innen geöffnet und die beiden Brüder blickten einem jungen Mann ins Gesicht, der ihnen stumm entgegenblickte. Ruan war überrascht. Der junge Mann hieß Miguel, das hatte er von diesem klein Ganoven Rio erfahren, als er versucht hatte vor ihnen wegzurennen. Und auch eine ungefähre Beschreibung seines Aussehens hatten sie erhalten. Was ihn überraschte war der Ausdruck in seinem Gesicht. Er sah keine Angst darin, sondern eine kalte Miene. Wie alt war er? So alt wie dieser Rio ungefähr. Also achtzehn, höchstens neunzehn. Und er blickte furchtlos in ihre Gesichter, obwohl er bis vor ein paar Tagen noch versucht hatte, Drogen in seinem Club zu verkaufen. „Was wollt ihr?" „Ich glaube, die Sache ist etwas heikel, um es im Flur zu besprechen. Ich nehme mir mal die Freiheit hineinzukommen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen Kleiner." Ruan und José traten ohne weiteres in die Wohnung, sodass Miguel gezwungen war, zur Seite zu rutschen. Nach einem kurzen Blick um sich, schlenderten die beiden Brüder in das gegenüberliegende Zimmer, welches sie als Wohnzimmer vermuteten. Miguel kam nach ihnen hinein und blieb ein paar Schritte entfernt stehen, während er den beiden ruhig ins Gesicht blickte. Ruan rieb sich die Hände und blickte dabei um sich. „Miguel, richtig? Also, ich sage es dir von vornherein. Ich habe keine Lust auf Spielchen, Miguel. Wir machen es ganz einfach. Ich stelle dir ein paar Fragen und du gibst mir die Antworten". Es kann ganz friedlich enden, das liegt komplett in deiner Hand", sagte er. Darauf kam jedoch keine Antwort von Miguel. „Wie bist du in den Club hineingekommen?" Die Antwort darauf konnte sich Ruan zwar denken, nichtsdestotrotz wollte er es von Miguel hören, damit nicht umsonst Köpfe rollten. José hatte sich auf den Tisch vor der alten Couch gesetzt und schaute dem Jungen ebenso fest in die Augen wie Ruan. Miguel zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Ich hatte eine Begleitung und war passend angezogen. Man hat mir mein Alter nicht angesehen. Hinzu kommt das eure Security ziemlich nachlässig ist, was die Kontrolle der Personalausweise betrifft." Ruan und José tauschten einen vielsagenden Blick. Die Sicherheitsleute würden sie also definitiv unter die Fittiche nehmen. Idioten. Ruan hatte angeordnet bei jedem Gast die Ausweise zu kontrollieren unabhängig davon, ob sie alt genug wirkten oder nicht. Er hätte als Inhaber schon damit allein genug Probleme bekommen können. Dann versuchte dieser Bursche auch noch Drogen zu verkaufen. Schon spürte er wieder die Wut in sich emporsteigen. „Für wen vertickst du die Drogen?" Ruan sah sofort, dass Miguel diese Frage nicht gefiel. Er hoffte nur, dass der Kleine ihn nicht anlog. Das würde seine Laune nur noch weiter strapazieren. „Was wird passieren, wenn ich euch das verrate?" Er klang neugierig und nicht verängstigt, was Ruan wieder überraschte. Was stimmte mit diesem Jungen nicht? „Was danach passiert, ist unsere Sache. Beantworte einfach die Frage." Er konnte ganz genau erkennen, wie Miguel mit sich haderte. „Haben dich die Männer von Bishop beauftragt, Drogen zu verkaufen?", fragte José. „Ich kenne keinen Bishop." Verblüffend. Dann war dieser Junge noch nicht solange in dieser Szene tätig oder er arbeitete für jemand anderen, was Ruan allerdings nicht wirklich glaubte. Denn Bishop hatte sich seinen Namen gemacht bezüglich der ganzen Drogengeschichte. Für Ruan war er zwar ein kleiner Ganove, doch neun von zehn Dealern arbeitete für Bishop. Die meisten hatten jedoch sein Gesicht noch nie gesehen, außer seinen engsten Vertretern.
„Gib' mir den Namen von dem Mann, der dich beauftragt hat."
„Wenn ich das tue, wird meine Familie darunter leiden." Ruan seufzte. Natürlich hatten sie ihm gedroht. Das konnte er aber noch besser. „Es würde mich nicht einmal eine Stunde kosten, herauszufinden, welche Blutsverwandte von dir noch auf der Erde weilen und vor allem ihre Adressen ausfindig zu machen. Also mache mich nicht unnötig wütend Kleiner." Natürlich würde Ruan unschuldigen Menschen nichts antun, doch zumindest den Anschein könnte er sehr wohl erwecken. Endlich konnte er auch eine Reaktion von ihm sehen. Er wurde wütend. Und zu seinem eigenen Missglück machte Miguel einen Satz nach vorn und startete einen Versuch Ruan anzugreifen, den dieser jedoch ganz leicht abwehrte. Er packte Miguels zur Faust geballte Hand und schubste ihn nach hinten. Der Kleine fiel zu Boden und gab ein kleines Stöhnen von sich. Soweit Ruan es sehen konnte, hatte er sich den Rücken an der Spitze des Couchtischs angeschlagen. Das war nicht beabsichtigt. José war nun auch aufgestanden und blickte mit gespannter Miene auf das Geschehen. „Deine Antwort?", verlangte Ruan. „Fick dich." Ohne länger darüber nachzudenken, zückte Ruan seine Waffe aus seinem hinteren Hosenbund und feuerte neben Miguel auf die Wand. Er hatte nicht vor den Jungen zu verletzen, aber er brauchte die Antworten. Seine Sinne schärften sich, als er plötzlich Schritte hinter sich hörte. Es war noch jemand in der Wohnung? Alarmiert drehte er sich um und erstarrte, denn er blickte in die geweiteten, dunklen Augen von Nahla.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: 5 days ago ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Nahla - Wirst du vertrauen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt