Ruans Worte hatten einen wunden Punkt in Nahla berührt. Sie wollte ihm so gerne glauben und es tat auch irgendwie gut, diese Worte zu hören, denn es kam ihr nicht so vor, als würde er diese Worte nur aussprechen, um sie zu trösten. An seinen Augen und seinem Ausdruck erkannte sie, dass er sein Gesagtes wirklich ernst meinte und auch fest daran glaubte. Manchmal bekam auch Nahla das Gefühl, das ihre Mutter über sie und ihre Brüder wachte und sie sah, aber so ganz sicher war sie sich nie, wenn man das überhaupt sein konnte. Es verschaffte ihr allerdings Hoffnung, dass Ruan dieselben Gedanken wie sie hegte, denn womöglich hatte er recht. Jedenfalls gefiel es Nahla, dass er so aufrichtig war. Während sie sich weiter unterhielten, wurde ihr Tisch langsam nach und nach zugestellt, dass Nahla nicht einmal mehr Platz hatte, um ihren Arm am Rand abzusetzen. Es sah und duftete alles so unheimlich köstlich und war auch leider viel zu viel für sie zwei. Es wäre wirklich schade, wenn die Hälfte von diesen Leckereien weggeschmissen werden würde, nur weil sie es nicht in ihre Mägen bekamen. Ruan erklärte ihr nach und nach, was es mit diesen traditionellen Gerichten auf sich hatte, wie sie zubereitet wurden, soweit er es kannte und ließ Nahla von allem probieren. Vor sich auf dem Teller hatte sie Pastel de Papas serviert bekommen. Ruan hatte es für sie entschieden und schon nach dem ersten Bissen, musste sich Nahla beherrschen, um nicht wohlig aufzuseufzen, so himmlisch wie es schmeckte. Doch Ruan merkte an ihrem Gesichtsausdruck bereits, dass ihr der Kartoffel-Hack-Kuchen - so hatte er es für sie übersetzt - äußerst gut schmeckte, was ihn zu einem Grinsen verleitete. Er ließ sie auch von seinem Essen probieren und verteilte immer wieder von den anderen Gerichten, die auf dem Tisch verstreut lagen auf ihren Teller. Seine Aufmerksamkeit und Fürsorge ließ Nahla lächeln. Er wirkte so umgänglich, locker und ausgelassen, dass sich Nahla einfach nur wohl fühlte. Er brachte sie zum Lachen und für sie fühlte es sich nicht einmal annähernd so an, als würde sie hier mit einem wildfremden Mann in einem Restaurant sitzen. Irgendwas hatte Ruan an sich, wofür Nahla keine Erklärung fand. Er kam ihr nicht fremd vor. Sie fand heraus, dass er es liebte über sein Heimatland zu sprechen und Geschichten darüber zu erzählen. Sie führten eine lockere Unterhaltung und auch wenn sich Nahla zu Beginn Gedanken darüber gemacht hatte, dass ihnen die Gesprächsthemen irgendwann ausgingen würden, war dem nicht so. Es war so leicht mit Ruan zu reden. Sie erfuhr, dass er eine sehr große Familie hatte und auch, dass sie alle einen sehr engen Zusammenhalt hatten. Als Nahla weitere Fragen zu seiner Familie und seiner Arbeit stellte, erfuhr sie, dass der Club, den sie betrieben, eigentlich ein Familienunternehmen war. In Santiago befand sich der größte Club, wo Ruan früher mit seiner ganzen Familie gelebt hatte, bevor sie in die USA ausgewandert waren. Weitere Clubs befanden sich in Chicago, Miami, San Francisco und Las Vegas, wo die Onkel von Ruan mit ihren Familien jeweils lebten, worüber Nahla nur staunen konnte. Genau wie er und sein Bruder José, kümmerten sich seine Cousins um die Clubs in den jeweiligen Städten. Sie waren quasi in ganz USA verteilt und mussten vermutlich sehr wohlhabend sein, da er ja auch erwähnt hatte, dass seine Schwester ein eigenes Restaurant besaß. Allerdings bemerkte Nahla schnell, dass Ruan kein Mann war, der mit seinem Besitz prahlte und war froh darüber. Nichts an ihm strahlte Reichtum aus. Er wirkte normal. Lediglich die goldene Kette an seinem Hals mit einem Kreuzanhänger, der außergewöhnlich verschnörkelt war, sah wertvoll aus.
„Es ist sehr schön, dass du eine so große Familie hast. So wie du es erzählst, scheint ihr euch sehr nah zu stehen. Könnt ihr euch den oft genug sehen?", fragte Nahla. Sie fand große Familien wundervoll. Der Zusammenhalt, die Liebe, zu wissen, dass jemand da war, wenn du sie brauchst. Nahla wusste jetzt schon, dass sie irgendwann auch eine große Familie gründen wollte. „Nicht so oft, wie ich es gerne hätte, aber alle zwei Monate trifft sich unsere gesamte Familie. Das letzte mal war vor einem Monat ungefähr in San Francisco bei meinem Onkel Rafael und seiner Familie. Wir wechseln uns meistens ab. Das nächste Mal gehen wir alle zum Beispiel nach Chile und dann geht's immer so weiter. Wir versuchen nicht zuzulassen, dass die Meilen uns voneinander trennen. Ich und meine Cousins sehen uns öfter. Mal gehe ich zu einem von ihnen und mal kommt einer zu mir oder mehrere. Sie sind alle meine Brüder und kein Bisschen anders als José oder Catrina, was auch natürlich für meine Cousinen gilt." Nahla denkt an die rissige Bindung zwischen ihr und Miguel bis vor ein-zwei Wochen und fand, dass Ruan wirklich Glück hatte in dieser Hinsicht. Allein durch seine Erzählungen konnte Nahla sich ganz gut vorstellen, wie innig die Verbindung mit seiner Familie war, obwohl sie alle meilenweit voneinander entfernt wohnten, was ihrer Beziehung kein Bisschen etwas anhaben konnte, so wie es aussah.
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Nahla - Wirst du vertrauen?
RomanceEine schöne junge Frau, deren Brüder, ihre einzigen Schätze sind und für die sie alles tun würde. Ein starker und gefährlicher Mann, dessen Macht über vieles hinaus reicht, außer der Frau, mit der er auf unglückliche Weise zusammengestoßen ist und d...