Oktober | 1. Schulwoche

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🎃 Oktober | 1. Schulwoche

📍 Schulflur · Mittagspause

ICH KOMME GERADE von der Toilette wieder, als ich mir eine Tablette in den Mund schiebe und es mittlerweile schaffe sie, ohne Wasser herunterzuschlucken. Auf dem Weg zurück ins Klassenzimmer bemerke ich, wie sich der Schülerrat versammelt hat. Darunter Juliet und Tamika. Die Gruppe löst sich auf und ich zögere für einen Moment, bevor ich auf die beiden zu gehe.

»Alles in Ordnung?«, frage ich zur Begrüßung und kriege überraschte Gesichter zu sehen.

»Kyra«, erwidert Juliet sanft lächelnd und auch Tamika wirkt gut gestimmt. »Wir sind gerade nochmal die Pläne für den Winterball durchgegangen«, erklärt sie mir.

Das kaum vorhandene Lächeln auf meinen Lippen ist nun komplett verschwunden. »Ist es nicht ein wenig zu früh dafür?«, stelle ich nicht sonderlich begeistert fest.

»Wir haben etwas Großes geplant. Jetzt, wo wir die letzten Jahre keinen mehr hatten«, erklärt Juliet. Tamika stimmt ihr begeistert zu. Sie widmen sich kurz dem Brett in Juliets Händen, auf dem wahrscheinlich Informationen zu dem Thema stehen.

»Habt ihr später was vor?«

»Gleich haben wir ein Treffen mit der Direktorin. Was ist mit dir?«, antwortet Tamika.

»Oh, jemand wollte noch kurz Nachhilfe von mir«, lüge ich, weil ich mit der Abfuhr nicht gerechnet habe. Stattdessen habe ich gedacht, dass ich die Mittagspause mit den beiden verbringen könnte.

»Vielleicht sehen wir uns ja später nochmal«, verabschiedet sich Juliet, ehe sie und Tamika sich auf den Weg machen. Etwas zurückgelassen, bleibe ich mitten im Gang stehen. Ich habe mich lange nicht mehr so komisch gefühlt. Auf eine Art und Weise allein gelassen. Ein Blick auf mein Handy macht die Situation nicht besser. Keine Nachrichten. Unbedingt erwartet habe ich zwar keine, aber selbst Charlotte, die mich normalerweise täglich bombardiert, hat mir nicht geschrieben.

Zwar bin ich durch die Tablette ruhiger, sogar müde, aber dennoch bemerke ich wie mein Stimmungsthermometer deutlich sinkt. Auf einmal ist mir nichts mehr zumute.

Wie lange geht das eigentlich schon so, dass ich jedem aus dem Weg gehe? Vor den Ferien gab es keinen Tag, den ich nicht mit Charlotte, Ethan oder sogar Reed, diesem Bastard, verbracht habe.

Mein Daumen wandert weiter die Chatliste entlang und bleibt bei Carlos hängen. Ich schreibe ihm eine Nachricht, in der steht, dass er mir neue Tabletten besorgen soll. Das Handy stecke ich danach wieder weg.

Unsicher, ob es sich noch lohnt zum Unterricht zurückzukehren, ohne eine schlechte Note für diese Stunde zu kassieren, bemerke ich plötzlich, dass Ethan auch hier im Flur ist. Er steht an seinem Fach, aber ich kann sein Gesicht nicht sehen, weil er Spindttür davor hält. Zögernd gehe ich auf ihn zu. Nachdem Vorfall auf der Party, hat er mir am nächsten Tag eine Sprachnachricht gesendet, auf die ich ihm nicht geantwortet habe.

»Hey, Ethan«, begrüße ich ihn. »Alles klar?« Er reagiert nicht. Ich verziehe das Gesicht. Ignoriert er mich jetzt wirklich? Entschlossen packe ich ihn diesmal an der Schulter, ehe er sich verwirrt zu mir wendet.

»Scheiße, hast du etwa getrunken?«, spreche ich sprachlos, bevor er heftig mit dem Kopf schüttelte. Doch sein Gesicht sagt was anderes. Es ist knallrot und seine Augen haben sich zu geschwollenen Striche gebildet.

»Ich kann es nicht glauben. Das ist schon das zweite Mal, hier in der Schule. Was stimmt mit dir in letzter Zeit nicht?« Reflexartig packe ich ihn am Arm, um ihn von hier wegzubringen, als ich aus meinem Augenwinkel heraus Charlotte etwas weiter weg erkennen kann. Sie hat mich ebenso gesehen, worauf sie sich sofort wieder umdreht und in die andere Richtung läuft. Schnell lasse ich Ethan doch am Spind zurück und renne ihr nach.

»Charlotte!«

Sie reagiert nicht und geht schneller, bis ich sie kurz darauf einhole. »Was wolltest du?«, frage ich sie mit ernster Stimme. Sie steht mir immer noch mit dem Rücken zugewandt, bevor sie sich langsam umdreht. Daraufhin bemerkt sie meinen finsteren Blick und meidet ihn. »Nichts«, antwortet sie schließlich monoton. »Ich hab nur dich und Ethan im Flur gesehen.«

»Nein, du wolltest was. Du wolltest was von Ethan«, beharre ich. Zum ersten Mal wirkt sie nicht froh darüber, mich zu sehen. Dann machte es Klick in meiner Birne und meine Miene verzieht sich zu einer verärgerten. »Du wusstest es, oder? Du wusstest schon vorher, dass er fucking betrunken ist und trotzdem lässt du ihn so allein in der Schule herumlaufen?« Meine bebende Stimme hallt durch den gesamten Flur. Doch Charlotte sieht mich nur kühl an, worauf ich ihr großäugig mit zusammengezogenen Augenbrauen entgegenblicke. Dieses Verhalten bin ich nicht von ihr gewohnt.

»Ich bin der verdammte Grund, warum er heute Morgen nicht mit seinem Auto gegen irgendeinen Baum gefahren ist, okay? Ich hatte keine andere Wahl, als ihn danach noch zur Schule zu bringen. Glaubst du, seine Eltern wären froh, ihn in so einem Zustand zu sehen? Und zu mir können wir erst recht nicht gehen.«

Ich fange an zu fluchen und greife mir an den Kopf. Ethan ist in letzter Zeit völlig außer Kontrolle. Ich habe ihn noch nie so erlebt. Er hat schon immer gerne getrunken, aber ist die längere Trennung von Juliet wirklich der einzige Grund, weshalb er sich täglich komplett volllaufen lassen muss?

»Lass uns jetzt nicht streiten. Wir sollten lieber nach ihm sehen, bevor er noch was anstellt«, macht Charlotte mit ernster Stimme klar. Widerwillig nicke ich und wir gehen gehetzt zu seinem Spind zurück. Doch dieser ist geschlossen und Ethan ist selbstverständlich weit und breit nicht zu sehen. Aufgewühlt wirbele ich umher als der Gong ertönt.

»Was machen wir jetzt?«, frage ich Charlotte, während große Mengen an Schüler ihre Klassenräume verlassen und der Flur sich ziemlich schnell füllt.

»Er kann nicht weiterkommen sein«, versucht Charlotte mich zu beruhigen. »Ich schreibe Reed, dass er auch Ausschau nach ihm halten soll. Vielleicht ist er ja auf dem Jungsklo oder sucht Juliet? Ich schaue nach – ruf an, falls du ihn vorher finden solltest.«

»In Ordnung«, erwidere ich. »Bis gleich - hoffentlich.«

»Bis gleich.«

Während ich überlege, wohin er in so einer kurzen Zeit hingegangen ist, bewegen sich meine Beine instinktiv in eine Richtung.

Die Treppen ganz nach oben, dann links und gerade aus, bis zu der nächsten Treppe, die viel schmaler als die anderen in Gebäude ist. Am Ende der Stufen bleibe ich vor einer Tür stehen, mit der Aufschrift ›Kein Durchgang. Schüler betreten verboten.‹ Ohne diese Aussage zu beachten, drücke ich die schwere Metalltür auf, nachdem ich die Klinke heruntergedrückt habe, um zu überprüfen, ob sie überhaupt aufgeschlossen ist.

Hinter der Tür peitscht mir der kühle Wind ins Gesicht und meine Sicht ist für einige Sekunden von meinem schwarzen Haar verdeckt.

Da bin ich also. Auf dem Schuldach. Komischerweise wissen nur wenige von diesem Ort, denn meistens ist er abgeschlossen, aber ich kann mich erinnern, dass Ethan mir erzählt hat, dass er gerne mit Juliet hier herkommt – zumindest, als sie noch zusammen waren. Als Mitglied des Schülerrats hat sie – warum auch immer – einen Schlüssel zum Dach.

Glücklicherweise finde ich Ethan nur wenige Meter von mir entfernt – zusammengekauert auf dem Boden, während er schluchzende Töne von sich gibt. Besorgt gehe ich auf ihn zu, bis ich vor ihm stehen bleibe und mich leise zu ihm setzte.

A/N • 07/2023

Das ist das erste neugeschriebene Kapitel seit der Neuveröffentlichung, obwohl ich es eigentlich schon damals teilweise fertig geschrieben habe und es nur Verbesserung brauchte

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