September | 4. Schulwoche

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🍁 September | 4

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🍁 September | 4. Schulwoche
📍Kyras Haus • Mittwochnachmittag

GENERVT STARRE ICH an die Wand in meinem Zimmer, während mir Reeds Worte zu Ethan durch den Kopf gehen.

»Ich muss aufhören daran zu denken«, brumme ich gestresst und schiebe mein Schreibheft weg von mir. So kann ich mich nicht auf den Lernstoff konzentrieren. Außerdem sprechen Ethan und ich wieder nicht miteinander. Bin ich wirklich so eine Idiotin, dass ich ihm ständig helfen muss? Das machte mich nicht viel besser als er in Bezug auf Juliet.

Gerade möchte ich nach den Tabletten in meiner Schultasche greifen, ehe jemand im selben Moment die Tür öffnet. Meine Mutter.

»Bist du am Lernen?«, fragt sie, nachdem sie die ganzen Bücher auf meinem Schreibtisch entdeckt. Heftig schlucke ich. Fast hätte sie mich erwischt. »Nein, ich wollte gerade eine Pause machen.«

»Gut«, erklärt sie kühl. Ein Schauer läuft mir über den Rücken und ich schaue ihr nicht in die Augen. »Du musst heute deinen Bruder abholen. Ich habe gleich ein Treffen.«

»Okay«, nicke ich deutlich.

»Nimm das mit.« Sie legt mir eine Liste und ihre Debitkarte auf den Tisch. »Morgen bekommen wir Großbesuch. Geh für mich einkaufen, wenn ihr euch auf den Rückweg macht.« Damit verlässt sie das Zimmer und ich seufze erleichtert. Mein jüngerer Bruder Isaak ist alt genug um selbst nach Hause kommen zu können, aber unsere Mutter lässt das nicht zu. Bis auf mein Handy nehme ich nichts mit und gehe los.

Es ist ein zwanzigminutiger Fußweg und ich möchte mich selbst dafür schlagen, meine Kopfhörer zu Hause liegen gelassen zu haben. Außerdem ist mir immer noch nicht klar, wieso Isaak nach all seinen Verletzungen überhaupt noch weiter zum Fußball darf. Nachdem ich mir damals den Arm wegen Reed gebrochen habe, war der Sport durch meine Mutter für mich gestrichen. Jegliche Art.

Die Sonne geht schon langsam unter, doch ich habe endlich den Sportplatz erreicht. Isaak ist auf der Wiese und macht irgendwelche Übungen. Er rappelt sich wieder auf, nachdem er mich entdeckt hat und stürmt geladen auf mich zu. Dabei fängt er an zu brüllen, dass er alleine nach Hause könne. Ja, als Elfjähriger ist ihm das tatsächlich, zumindest mit Begleitung seiner Freunde, zumutbar. »Du kennst Mama«, antworte ich ihm stattdessen.

»Ich weiß«, jault er genervt auf und wirft sich trostlos in meine Arme.

»Du bist zu schwer«, lache ich und zerstöre seine Frisur. Wäre es möglich einen viel jüngeren Zwilling zu haben, dann wäre Isaak meiner.

»Wenigstens bist du heute da«, gibt er zufrieden zu.

»Ehrlich? Ich dachte, du kannst deine große Schwester nicht ausstehen.«

»Kann ich auch nicht, aber alles ist besser als Mamas bedrückend stille Autofahrt.«

Da hat er recht. Während mir Isaak von seinem Schultag erzählt, halte ich Ausschau nach dem Supermarkt. Als nach einer Weile keiner auftaucht, frage ich Isaac nach dem Weg. »Gab's hier in der nicht einen Laden? Wir sollen ein paar Sachen einkaufen.«

»Hier lang.« Isaak geht voraus und ich folge ihm, bis wir einen kleinen Supermarkt erreichen. Wir betreten ihn und brauchen nicht lange um alles zu finden. An der Kasse bemerke ich die Tiefkühltruhe mit Eis. Obwohl der Herbst begonnen hat, ist heute ein relativer warmer Tag.

»Möchtest du?«, überrasche ich Isaak und deute auf das Poster mit den Eissorten. Etwas Süßes kann wohl nie schaden. Er nickt und nimmt sich für uns Beide was raus. 

Während die Kassiererin unsere Sachen scannt, schaue ich zu den großen Fenstern hinter ihr raus. Plötzlich bleibt mein Herz stehen und ich bin mir für einen Moment nicht sicher, ob ich meinen Augen trauen darf. Aber dann tue ich es doch. Denn ich sehe Reed, etwas weiter entfernt, der mit einem ziemlich großen Rucksack unterwegs ist. So einen habe ich noch nie an ihm gesehen. Was zur Hölle hat er vor?

Die Kassiererin nennt uns gerade einen Preis, den ich nicht wirklich höre, bevor ich ihr einen Geldschein in die Hand drücke und schnell nach draußen laufe. Um mir einen besseren Überblick zu verschaffen, bleibe ich auf den kleinen Parkplatz stehen.

»Was sollte das?!«, atmet mein Bruder aufgebracht, als er mich eingeholt hat und mir die Einkaufstüte und das Rückgeld in die Hand drückt. Ich ignoriere ihn, denn mein Blick haftet noch an Reed. Tausend Dinge gehen mir durch den Kopf. Ich stelle mir was er anstellen könnte.

»Was ist los?«

»Komm mit«, antworte ich ihm grob und zerre Isaak ruckartig an seinem Handgelenk mit mir. Mein Tempo erhöht sich, denn ich möchte Reed nicht aus den Augen verlieren. Er ist gerade um die Ecke gebogen. 

»Lass mich los«, jault Isaak auf.

»Halt die Klappe und komm einfach mit«, zische ich, bis er sich nach einer Weile von mir losreißt. »Du tust mir weh!« 

Erschrocken bleibe ich stehen.

Woher kommt diese plötzliche Besessenheit?

»Isaak-«, fange ich aufgewühlt an, breche aber wieder ab. Die Entschuldigung kommt mir aus irgendeinem Grund nicht über die Lippen. Stattdessen schweige ich.

»Ich habe Reed eben gesehen«, kläre ich ihn stattdessen auf. 

»Na und?!« 

»Er hat irgendwas vor und ich muss wissen, was.« Schnell drehe ich mich wieder nach vorne und laufe hastig los, um Reed noch einzuholen. Nachdem weitere zehn Minuten verstreichen, betritt er ein komisches Grundstück. 

Es kommt mir bekannt vor. Dann trifft es mich. Hier kommen wir jedes Jahr an Halloween wegen Mutproben hin. Es ist eine winziges, verlassenes Häuschen über die unheimliche Geschichten erzählt werden. Das Horrorhaus der Gegend. Isaak und ich bleiben vor dem Zaun stehen, nachdem Reed nicht mehr zu sehen ist. Bevor ich weitergehe, halte ich meinen kleinen Bruder zurück und flüstere ihm zu. »Warte hier.«

»Nein, ich will nicht alleine hier draußen stehen bleiben!«, weigert er sich. Er hat die Erzählungen über diesen Ort hier auch gehört.

»Wir beide könnten da nicht rein. Warte einfach hier.« 

Beim Betreten des Grundstücks kommen auch mir die unzähligen Geschichten wieder ins Gedächtnis. Doch ich versuche sie zu verdrängen und lenke mein Blick auf das wucherndere Gras, welches das gesamte Gelände einnimmt. Dass es langsam dunkel geworden ist, macht die Situationen nicht besser. Wenigstens haben die Fenster Vorhänge, sodass Reed mich nicht sehen sollte. 

Wenige Schritte vor dem Haus bleibe ich stehen. Erst bin ich mir unsicher, ob ich die holprige Veranda betreten soll, aber dann besteige ich wackelig die Stufen doch.

Hinter der verschimmelten Holztür höre ich dumpfe Stimme, die kaum zuerkennen sind. 

»Ich habe dir gesagt du sollst da nicht essen!« 

»Schlafe ich hier oder du?«

»Ich verstehe sowieso nicht was das hier soll. Sie hat kein Problem damit, dass du bei mir schläfst.«

»Du hast echt kein Rückgrat, was Reed?« 

Vorsichtig trete ich näher und versuche etwas zu verstehen, jedoch bringt es nichts. Das Knarzen der Dielen könnte mich verraten. Mir bleibt keine andere Wahl.

Mit Ruck knalle ich die Tür auf. In dem normalerweise, verlassenem Haus, steht nun links vom Eingang eine schmale Matratze. Auf ihr sitzt Charlotte. In den Händen hält sie eine Chipstüte. Neben ihr ist ein kleiner, abgekommener Holztisch, auf den Reed den großen Rucksack von eben abgestellt hat.

Ich schlucke bei seinem beißenden Blick.

»Kyra?«

Worst In MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt